Vergleichen im Job:Die "Wer-ist-besser"-Falle

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Wer bringt die stärkere Leistung, wer ist beliebter beim Chef? In der Arbeit messen wir uns ständig mit Kollegen. Das nervt - bringt uns aber auch weiter.

Maria Holzmüller

"Jetzt tippt der Tischnachbar schon seit eineinhalb Stunden ununterbrochen auf seine Tastatur ein. Was schreibt er nur so motiviert? Bei dem Tempo kommt er bestimmt schneller voran als du. Und die Kollegin aus dem Nachbarzimmer - die geht heute schon wieder mit dem Chef essen! Bestimmt sammelt sie gerade total viele Pluspunkte - und wann hast du dich zum letzten Mal in Szene gesetzt?"

Ein Vergleich mit den Kollegen kann einen motivieren, noch mehr Leistung zu bringen. Manchmal täuscht unser Eindruck aber auch. (Foto: Foto: iStock)

Manchmal kann er einfach nicht die Klappe halten, dieser kleine keifende Teufel, der voller Misstrauen auf unserer Schulter sitzt und den lieben langen Tag im Büro nichts Besseres zu tun hat, als uns mit unseren Kollegen zu vergleichen. Plötzlich kommen wir uns klein, langsam und unnütz vor - angesichts der ganzen Überflieger um uns herum. Und die Motivation - die löst sich mit jedem Blick auf die beschäftigten Kollegen ein bisschen mehr auf.

Der Vergleich mit den Kollegen kann uns in die große Leere der Selbstzweifel stürzen - oder aber auf den Sockel unerschütterlicher Selbstbestätigung heben. Und das nicht nur im Job. Der Hang, sich selbst an anderen zu messen, ist ein psychologisches Grundphänomen, dem sich niemand entziehen kann. "In erster Linie vergleichen wir uns, um mehr über uns selbst zu erfahren", erklärt Niclas Schaper, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Paderborn.

"Wir wollen wissen, wo stehe ich mit meinen Fähigkeiten, wie angemessen sind meine Gefühle und Haltungen - dafür gibt es meist keine objektiven Maßstäbe, deshalb orientieren wir uns an den Menschen um uns herum. Das ist wichtig für die Selbsteinschätzung und die soziale Anpassung", sagt Schaper.

Der Vergleich als Fluch

Das Problem: Gerade wer sich unsicher fühlt, tendiert dazu, die eigene Leistung im Vergleich mit den Kollegen zu schmälern. "Wenn wir das Gefühl haben, die Kollegin ist immer schneller als wir und wird dafür vom Chef gelobt, dann ist das frustrierend. In solchen Fällen hat der Vergleich einen negativen Effekt auf das eigene Kompetenz-Empfinden. Und das wiederum hemmt unsere Leistungsmotivation", sagt Schaper.

Der ewige Vergleich als Fluch - ein Phänomen, dass auch der Karriereberaterin Martina Maushake aus Hamburg bekannt ist. "Wir tendieren dazu, auf die eigenen Defizite zu achten, das ist ein angelerntes Verhalten. Schon in der Schule haben wir vor allem darauf geachtet, wann wir schlechtere Noten hatten, als die anderen", sagt sie.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Art von Vergleich am sinnvollsten ist.

Wer durch ständiges Vergleichen sein Selbstbewusstsein sabotiert, kommt auch im Job nicht so voran wie er möchte. Der Versuch, mit Scheuklappen durchs Büro zu laufen, hilft jedoch auch nicht weiter.

Der Blick zu den Vorbildern

"Der Vergleich mit Kollegen kann auch eine positive Wirkung auf unsere Leistung haben", sagt Arbeitspsychologe Schaper. So gebe es auch den aufwärtsgerichteten Vergleich mit Vorbildern, der uns anspornt, ihnen nachzueifern. Der Vergleich nach unten, mit rangniedrigeren Kollegen wiederum, sei eine Art Selbstschutz. "Plötzlich kann man sagen: So schlecht bist du gar nicht", erklärt Schaper.

Um die Falle des ungesunden Vergleichs gänzlich zu umgehen, bedarf es allerdings mehr. "Damit einen der Blick auf die Kollegen weiterbringt, sollte man sich genau überlegen, welche Stellung sie haben, ob die Anforderungen an ihre Position die gleichen sind und ob sie zu identischen Voraussetzungen eingestellt wurden. Oft gelten für sie nämlich andere Maßstäbe", sagt Karriereberaterin Maushake.

Psychologe Schaper geht noch weiter. "Sinnvoller, als sich mit anderen zu messen, ist es, sich selbst als Ausgangspunkt für den Leistungsvergleich zu nehmen", rät er. "Welche Fortschritte habe ich in dem vergangenen halben Jahr gemacht? Wie sehe ich meine Leistung heute im Vergleich zu damals?" Wichtig sei diese Sichtweise auch für Vorgesetzte. Ihre Angestellten im Gespräch mit anderen Mitarbeitern zu vergleichen, löse nur Frust aus. Motivierender sei es, offen zu sagen, in welcher Hinsicht sich der Gesprächspartner bereits weiterentwickelt hat.

Ohne geht es nicht

Wer also versucht, den Leistungsvergleich für sich zu nutzen, kann von den positiven Effekten profitieren. Und in einem sind sich Schaper und Maushake einig: Ohne den Blick auf die Kollegen geht es im Berufsleben nicht. "Wir leben in einer leistungsorientierten Gesellschaft, der Wettbewerb gehört einfach dazu", sagt Maushake. Nur dominieren darf er das eigene Arbeitsleben nicht.

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