Verantwortungsvoll führen:Besonnene Machertypen

Verantwortungsvoll führen: Wer andere auf konstruktive Weise führen will, sollte auch die Bereitschaft besitzen, sich persönlich weiterzuentwickeln.

Wer andere auf konstruktive Weise führen will, sollte auch die Bereitschaft besitzen, sich persönlich weiterzuentwickeln.

(Foto: imago)

Derzeit boomen MBA-Programme, die den Schwerpunkt auf das Thema Leadership setzen. Geübt wird unter anderem, wie man bewusstere Entscheidungen trifft und Mitarbeiter motiviert.

Von Christine Demmer

Noch ganz genau erinnert sich Jochen Wallisch an die Vorlesungen des amerikanischen MBA-Kritikers Henry Mintzberg. Der Jurist hat den Management-Vordenker an der kanadischen McGill-Universität gehört und nimmt dessen berühmte Streitschrift "Managers not MBAs" gerne als Aufhänger, um zu erklären, warum er Führungskompetenz höher schätzt als Fachkompetenz. "Noch vor 20 Jahren konnte man in der Wirtschaft allein mit fachlichem Wissen Karriere machen", sagt der Personal-Geschäftsführer der Lufthansa-Tochter Eurowings. Dies habe sich geändert. Denn die wesentliche Aufgabe von Managern sei es heute, Mitarbeiter mitzunehmen, sie einzubinden, zu begleiten und zu unterstützen - kurzum: zu führen. "Das ist mindestens genauso wichtig wie fachliches Know-how", versichert Wallisch. "Fachkompetenz ohne Führungskompetenz ist wie segeln, ohne zu wissen, wohin man segeln möchte."

Einige deutsche Hochschulen haben deshalb das Thema Führung, auf Englisch Leadership, fest in ihren MBA-Programmen verankert. So zum Beispiel die Hochschule Kempten mit ihrem MBA International Business Management & Leadership. "Unser Programm hat einen extrem hohen Anteil an Führungsthemen und -bausteinen", erläutert Professor Christoph Desjardins. "Wir wenden psychologische Testverfahren an, bieten Supervision und persönliches Coaching. Darüber hinaus müssen die Teilnehmer für sich und ihre Mitarbeiter Entwicklungspläne aufstellen." Bei Führung gehe es nämlich vor allem um Einstellungs- und Verhaltensänderungen, die man bei anderen erreichen wolle. Um das zu lernen, muss man nach Ansicht von Desjardins erst einmal bei sich selbst anfangen. "Nicht viele können sich gute Führung von ihrem Chef abgucken", moniert Desjardins. "Was Führungskompetenz angeht, so gibt es eine große Lücke bei Akademikern", betont er.

Unwägbarkeiten gibt es immer. Man kann aber die eigene Haltung für bestimmte Situationen üben

Viele Recruiter bemängeln, dass Führungsthemen, wie zum Beispiel das Verhalten in Konfliktsituationen oder beim Aufbau eines neuen Teams, in den meisten MBA-Programmen zu kurz kämen. "Die Absolventen sind zu wenig auf die erforderlichen Fähigkeiten der heutigen Geschäftswelt und der zukünftigen Unternehmensherausforderungen ausgerichtet", spitzt Michael Faller von der Personalberatung Baumann in Frankfurt die Aussage Desjardins zu. Jens Maßmann, für Personalentwicklung zuständiger Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY in Eschborn, bevorzugt eine noch härte Formulierung und bezieht sich dabei auf die Generation Y, also die in den Jahren zwischen 1980 und 1999 Geborenen: "Führung hat damit zu tun, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Dies scheint nicht immer Generation-Y-kompatibel zu sein." Beim Führungsnachwuchs vermisse er die Fähigkeit, aus eigenen Fehlern zu lernen und die Arbeit als einen ständigen Verbesserungsprozess zu begreifen.

Aber kann man das allein in einem MBA-Programm lernen? Rainer Strack von der Boston Consulting Group, verneint dies. "Wir sehen einen klaren Trend zum Lernen aus eigener Erfahrung, weg vom Lernen im Klassenraum. Die Mehrzahl der Unternehmen hat das verstanden und versucht das umzusetzen: Ihre Mitarbeiter sollen sich in der Praxis bewähren und daraus lernen. Kurse, in denen die Theorie der Führung gelehrt wird, können nur unterstützend wirken", kritisiert Stracke. Aber trotzdem sind sie einem MBA-Programm unbedingt notwendig.

"Führungskompetenz und Leadership" annonciert die Accadis-Hochschule in Bad Homburg. Das ist zwar sprachlich redundant und geht auch nicht einher mit der Garantie, direkt nach dem Examen einen Einstiegsjob als "Leader" zu bekommen, aber der englischsprachige Studiengang verspricht hilfreiche Einblicke in Psyche und Handlungsweisen von Führenden und Geführten. Speziell für weiterbildungswillige Ingenieure, Ärzte und Juristen, die nur solchen Aufgaben nachgehen wollen, die sie bei Nacht gut schlafen lassen, hat die Hamburger HSBA das MBA-Programm "Business Administration und Ehrenhafte Führung" entwickelt. Die Grundlagen der Betriebswirtschaft vermittelt ein Vorbereitungskurs. Im anschließenden MBA-Studium werden vor allem Fallstudien durchgenommen. Anhand derer sollen die Prinzipien ehrenhafter Führung den Teilnehmern nahegebracht werden. Das Programm steht unter der Schirmherrschaft der "Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg", die nach eigenen Angaben die größte wirtschaftsethische Vereinigung Deutschlands ist.

Einen deduktiven Ansatz verfolgt Johanna Mair, die Leadership an der Hertie School of Governance in Berlin unterrichtet und an der amerikanischen Stanford University zu diesem Thema forscht. "Ich hinterfrage mit meinen Studenten die Themen Macht und Einfluss. Zum Beispiel so: Wie geht man mit Macht verantwortlich um?" Der Begriff "Macht" sei in Deutschland negativ besetzt. "Aber wenn man Dinge bewegen will, braucht man Macht. Das ist so, ganz einfach", betont Mair. Das Thema Leadership erlebe seit etwa zwei Jahren einen unglaublichen Boom, sagt Mair, aber es sei gefährlich, Führung als Allheilmittel zu betrachten. "Viele bringen simple Rezepte und suggerieren die Illusion, dass man mit Leadership alles erreichen kann. Davor warne ich meine Studenten." Erlernen könne man da im Grunde nur die richtige Haltung in unterschiedlichen Szenarien. "In jeder Managerkarriere gibt es unbekannte Situationen, auf deren Beherrschung man nicht hintrainiert werden kann", sagt Mair, die im Masterprogramm für Public Administration unterrichtet. "Ich kann meine Studenten nicht mit einem Lehrbuch für alle Entscheidungsmomente in den kommenden zehn Jahren sensibilisieren. Aber ich kann sie auf den Umgang mit solchen Situationen vorbereiten, beispielsweise, indem sie sich selbst besser kennenlernen", ergänzt sie.

Inhaltlich dürfte Professor Henry Mintzberg das zweifellos gefallen. Und ganz besonders, dass hier am Ende eben kein MBA-Abschluss steht.

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