Veranstaltungstechniker:Der Diplom-Roadie

Alex Stainer, Veranstaltungstechniker: "Man braucht 60 Mark für den Gewerbeschein und viele gute Kontakte".

Franz Kotteder

(SZ vom 27.9.2001) Manchmal ist man für ein paar hundert Leute der Watschenmann. Die "taube Nuss", weil der Sound nicht stimmt, weil alles nur verwaschen klingt und keine Stimmung aufkommen will im Saal. Dann ist nie die Band schuld oder der Veranstalter, sondern immer nur der Mann am Mischpult. Obwohl sich vielleicht die Musiker nicht an die Absprachen gehalten haben oder der Veranstalter einfach völlig ungeeignetes Equipment anzubieten hat, mit dem beim besten Willen nichts mehr zu retten ist.

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Job-Info: Veranstaltungsprofi

Alex Stainer kennt solche Momente des Frusts in seinem Beruf. Aber sie sind selten, sagt er. Sein Job ist es ja gerade, Frust jeder Art zu vermeiden - beim Veranstalter, beim Künstler und erst recht natürlich beim Publikum. Ja mehr noch: Wenn das Publikum überhaupt bemerkt, dass es ihn gibt, dann hat er wahrscheinlich etwas falsch gemacht. "Vieles an meiner Arbeit sieht man gar nicht", meint er - ein Veranstaltungstechniker, wie der Fachausdruck lautet, habe eben die Aufgabe, den reibungslosen technischen Ablauf einer Veranstaltung zu garantieren, von der Planung über das eigentliche Ereignis bis hin zum Abbau und Abtransport des Geräts.

Klein, aber fein

Der 23-jährige Alex ist im dritten Lehrjahr, und er wird einer der ersten sein, die sich nach der Ausbildung "Fachkraft für Veranstaltungstechnik" nennen dürfen. Denn staatlich anerkannt ist der Ausbildungsberuf erst seit August 1998. Zuvor gab es eigentlich nur Quereinsteiger in diesem Beruf: Hobbymusiker, die Gefallen an der Technik gefunden hatten. Elektriker, die sich irgendwann darauf spezialisiert hatten, am Theater zu arbeiten und dann hängen geblieben sind. Viel Zufall war dabei, wenn man Veranstaltungstechniker wurde.

Auch bei Alex hat der Zufall ein wenig mitgespielt. Im Januar 1999 war seine Zivildienstzeit zu Ende, und weil Auszubildende in der Regel erst zum September angestellt werden, hatte er noch eine ganze Menge Zeit. "Ich bin dann zum Arbeitsamt gegangen", erzählt er, "und hab mir angehört, was es so alles gibt. Dort hab ich dann von dem Praktikum erfahren." Es handelte sich um eines von etwa 20 Praktika pro Jahr, die der Fachbereich Technik im Münchner Kulturreferat anbietet, eine kleine, aber feine Abteilung in der Stadtverwaltung. Mehr als 600 Veranstaltungen aller Art werden hier jährlich mit Licht, Ton und anderer Technik ausgestattet - von der Maikundgebung übers Rockkonzert bis hin zur Ausstellung.

Alex machte hier ein erstes Praktikum im Frühjahr, wurde gleich ordentlich eingespannt bei der Vorbereitung und Abwicklung der Open-Air-Veranstaltung zum 1. Mai auf dem Marienplatz und war sofort Feuer und Flamme, was in dieser Form sogar vom rigiden Brandschutz genehmigt war. Seine Begeisterung merkt man ihm noch heute an, aber man kann sich auch vorstellen, dass weniger robuste Praktikanten nach so einem Einsatz gleich die Nase voll haben. Denn für ein paar Stunden Veranstaltung heißt es ordentlich schuften. Fünfzig bis sechzig Stunden Arbeit braucht es oft, um Lautsprechertürme und Lichtanlagen auf- und abzubauen, Leitungen zu verlegen, Gerüste zu errichten und natürlich nicht zuletzt, um sämtliche Redner, Musiker und Komödianten dem Publikum ordentlich zu präsentieren.

Kein 7,5-Stunden-Tag

Die Arbeitszeiten seien schon ein Nachteil, meint Alex: "Das muss man halt mögen." Auch sein Chef, Fachbereichsleiter Martin Werhahn, hat damit gelegentlich Probleme: "Einer Behörde ist es manchmal schwer zu vermitteln, dass man keinen 7,5-Stunden-Tag einhalten kann."

Aber Rockkonzerte, Diskussionen, Vernissagen sind halt Dinge, die nicht nach Tarifverträgen stattfinden, sondern in aller Regel abends. Was bedeutet: Vormittags packen die Techniker all das, was sie benötigen, auf den Lastwagen, dann fahren sie zum Veranstaltungsort und bauen auf. Es folgen Ton- und Lichtproben, wobei man auch noch auf Sonderwünsche der Künstler eingehen muss. Was nicht immer ganz leicht ist, "wenn der Sänger zehn Minuten vor Beginn des Abends plötzlich findet, er habe da eine super Idee."

Anschließend dann der Abend mit Publikum, bei dem hoffentlich alles funktioniert, zu guter Letzt noch ein, zwei Stunden Abbau und Abtransport.

Der Stromausfall

Viel Routine ist da im Spiel, damit alles reibungslos läuft, aber oft braucht man auch eine ganze Menge Einfallsreichtum. Mit etwas Schaudern erinnert sich Alex zum Beispiel an die Eröffnung des Eine-Welt-Hauses im Juli. "Eine Viertelstunde vor der Rede des Bürgermeisters hat's da plötzlich den Sicherungskasten zerfetzt", erzählt er, "weil die da bloß eine 80-Ampere- Sicherung für den ganzen Laden reingebaut hatten. Da hat man dann plötzlich einen ganzen Haufen Techniker zwischen den 1500 geladenen Gästen herumwieseln sehen..."

Alex erzählt das, als ob es nichts Besonderes wäre, kurz vor Beginn einer Veranstaltung mal eben zu schauen, wo man auf die Schnelle noch Starkstrom herbekommt für die Lautsprecher- und Lichtanlagen. Sein Team hat es irgendwie geschafft, hat hurtig neue Leitungen verlegt und bis hinein zur Küche alles angezapft, was Strom hergab. Die Eröffnung fand statt, die Hausherren bekamen den Ratschlag, die Frage der Stromversorgung noch einmal zu überdenken, und die Techniker aus dem Kulturreferat hatten wieder einmal gesehen, dass es oft nötig ist, auch noch die kleinsten Details mit den Veranstaltern vorab zu klären, damit am Abend nichts schief geht.

Es ist ja alles schließlich auch eine Sicherheitsfrage, weshalb Auszubildende wie Alex Stainer auch eifrig Unfallverhütungsvorschriften, Sicherheits- Richtlinien für Elektriker und Versammlungsstättenverordnungen büffeln müssen. "Eigentlich", sagt Martin Werhahn, "sind wir vor allem auch Fachkräfte für Sicherheit."

Auszeit unmöglich

Es ist also vieles zu tun, was man nicht sieht, wenn man auf ein Konzert geht oder sonst eine Veranstaltung besucht, und ja auch gar nicht sehen soll, denn dann hätte der Veranstaltungstechniker, wie gesagt, seinen Beruf verfehlt.

Da heißt es schnell sein, auch mal improvisieren können, belastbar sein, nicht nur, was die Arbeitszeiten angeht. Und da ist viel Engagement und viel Teamarbeit gefordert. "Man kann auch nicht einfach so mal eine Auszeit nehmen", sagt Alex, "schließlich interessiert es ja keinen, ob eine Veranstaltung nicht stattfinden kann, weil der Techniker gerade krank ist. "

Heute ein Konzert, morgen eine Theateraufführung

Dafür entschädigt die Vielseitigkeit der Arbeit: heute ein Rockkonzert, morgen eine Theateraufführung, am nächsten Tag dann ein Festakt und am übernächsten eine Ausstellungseröffnung. "So viele unterschiedliche Termine gibt es eigentlich nur hier beim Kulturreferat", schränkt Alex ein: Die meisten Veranstaltungstechniker hätten mehr oder weniger ständige Jobs beim Theater, im Messebau oder bei Konzertveranstaltern und hätten kaum Gelegenheit, die ganze Bandbreite des Berufs auszunutzen.

Auch Alex Stainer wird sich wohl spezialisieren müssen, wenn er im kommenden Sommer fertig ist mit seiner Ausbildung, denn übernommen wird er wohl nicht - es gibt in der Branche kaum feste Planstellen.

Und was braucht man so, als selbstständiger Veranstaltungstechniker? "60 Mark für einen Gewerbeschein", ist die lakonische Antwort, "ein bisserl Werkzeug und viele Kontakte." Und ein gewisses Improvisationstalent. Das, so viel ist sicher, wird er im kommenden Jahr noch ausführlich erproben können.

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