Urteil:Lieben erlaubt

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Das Arbeitsgericht Wuppertal untersagt Teile der Ethik-Richtlinie von Wal-Mart.

Von Sibylle Haas

Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz sind gestattet - jetzt auch wieder bei Wal-Mart in Deutschland. Dies hat das Arbeitsgericht Wuppertal entschieden. Der deutsche Betriebsrat des Unternehmens war gegen die Ethik-Richtlinien des US-Handelskonzerns vorgegangen, die den 12.500 Mitarbeitern in Deutschland seit Februar Verhaltensweisen vorschreibt. Das Gericht untersagte nun einige Bestimmungen in der 28 Seiten starken Abhandlung, darunter das Flirtverbot. Wal-Mart wollte den Beschäftigten vorschreiben: "Sie dürfen nicht mit jemandem ausgehen oder in eine Liebesbeziehung zu jemandem treten, wenn Sie die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen können, oder der Mitarbeiter Ihre Arbeitsbedingungen beeinflussen kann." Auch untersagt die Richtlinie "sexuell deutbare Kommunikation jeder Art".

(Foto: Foto: dpa)

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verbucht den Beschluss des Gerichts als Erfolg. Der Kodex beinhalte schwerwiegende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte. Auch sei der Betriebsrat nicht einbezogen worden, monierte eine Sprecherin der Gewerkschaft. Sie kritisierte insbesondere die "Kultur des Anschwärzens", die die Richtlinie gefördert habe. So sollten Wal-Mart-Mitarbeiter dazu angehalten werden, direkt oder anonym über eine Hotline "Fehlverhalten" oder die Verletzung der Ethik-Richtlinien durch Kollegen zu melden. Das Arbeitsgericht Wuppertal lehnte diese Praxis ab, genauso Drogentests bei der Einstellung neuer Mitarbeiter.

Eine Wal-Mart-Sprecherin wollte sich nicht zum weiteren Vorgehen des Konzerns äußern. Es stehe noch nicht fest, ob man in die Revision gehe. "Wir warten die Urteilsbegründung ab", sagte sie. Gespräche mit dem Betriebsrat seien nicht ausgeschlossen.

Der Vorgang bei Wal-Mart kann zum Präzedenzfall werden. Bisher gibt es in Deutschland kaum Gerichtsurteile zu Ethik-Richtlinien. Doch immer mehr Konzerne erarbeiten sich solche Leitfäden. Der Grund: Seit gut einem Jahr müssen Unternehmen, die an der New Yorker Börse gelistet sind, ihren Mitarbeitern Verhaltensregeln vorgeben. Einige US-Konzerne - wie Wal-Mart - reichen diese in nahezu wortgetreuer Übersetzung an deutsche Töchter weiter.

Auch viele deutsche Firmen haben sich Ethik-Richtlinien gegeben. Dazu zählen DaimlerChrysler und Siemens ebenso wie Lufthansa, Fraport (Frankfurter Flughafen) und Deutsche Bank. Diese Richtlinien regeln vor allem das "korrekte Verhalten im Geschäftsleben", also den Umgang mit Lieferanten und Kunden.

Doch Liebesklauseln wie bei Wal-Mart sind deutschen Firmen fremd. "Wir werden uns nicht in das Privatleben unserer Mitarbeiter einmischen", heißt es bei der Lufthansa. Die meisten Konzerne erarbeiten Regeln zusammen mit Arbeitnehmer-Vertretern, um den Betriebsfrieden zu wahren. Auch bei Wal-Mart sollten die Ethikleitsätze "ein angenehmes Arbeitsklima schaffen", betonte die Sprecherin.

Der Betriebsrat in der Wuppertaler Zentrale wollte sich zum Urteil des Arbeitsgerichts zunächst nicht äußern. Es hieß lediglich: "Wir haben eine Pressestelle." Die Vorschriften wirken also. In der Richtlinie heißt es nämlich auch: "Verweisen Sie bei Anfragen nach einer Mitteilung im Namen von Wal-Mart stets an die Abteilung Unternehmenskommunikation."

© SZ vom 17.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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