Unternehmensgründung:Babybrei und Businessplan

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Sie haben ihren beruflichen Traum während der Elternzeit verwirklicht: Christina und Tobias Burkhardt eröffneten eine Akademie für Digitalisierung. (Foto: Privat)

Ist es verrückt, sich mit kleinen Kindern selbständig zu machen? Oder genau die richtige Lebensphase? Väter und Mütter berichten von ihren Erfahrungen.

Protokolle von Judith Jenner

Tobias Burkhardt, 42, Christina Burkhardt, 40, Nürnberg

Tobias Burkhardt: "Während der Elternzeit mit unserer dritten Tochter haben wir das Konzept für die Shiftschool, eine Akademie für Digitalisierung, entwickelt. Da haben uns viele gefragt: ,Seid ihr verrückt, als Paar und Eltern gemeinsam ein Unternehmen zu gründen?' Sie fanden, wir würden alles auf eine Karte setzen. Dabei ist das bei näherem Hinsehen ja nur bedingt der Fall. Eine Ehe, in der nur ein Partner arbeitet und von seinem Gehalt auch noch das Haus abbezahlt, klingt für mich deutlich riskanter. Wir hingegen wohnen zur Miete und können notfalls auch auf Dinge verzichten. Die Angst vor einem geringeren Lebensstandard hält viele davon ab, ein Unternehmen zu gründen und ihren Traum zu verwirklichen.

Weil wir mit Baby erst nicht viel zustande brachten, haben wir ein Schichtsystem entwickelt: Einer arbeitet in Ruhe, der andere kümmert sich um die Kinder. Später habe ich die Jüngste im Maxicosi zu Meetings mitgenommen. Man denkt ja immer, man müsse die Kinder verstecken, doch die meisten Leute reagieren entspannt."

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Warum braucht es überhaupt einen Businessplan? Welche Infos gehören in das Gründungs-Exposé? Und welche Fehler sollten Sie vermeiden? Der SZ.de-Ratgeber hilft angehenden Gründern beim Weg in die Selbstständigkeit.

Christina Burkhardt: "Ich hatte zwei schlaflose Nächte, in denen ich mir ausmalte, was passiert, wenn wir scheitern. Irgendwann kam ich zu dem Schluss: Notfalls ziehe ich halt zurück zu meinen Eltern und suche mir wieder einen festen Job. Es war klar, dass ich in meine alte Festanstellung nach der Elternzeit nicht zurückkann, weil sich das Unternehmen aufgelöst hat. Damals habe ich eine Weiterbildung gemacht für Akademikerinnen, die wieder schnell zurück in den Beruf wollen. Dort habe ich mich zum ersten Mal wirklich mit dem Thema Gründen auseinandergesetzt und viel über mich gelernt.

Heute haben wir ein Au-pair, das die Kinder auch mal am Wochenende nimmt. Sie kommen aber auch gern ein paar Stunden in die Akademie mit. Tobias muss mich tatsächlich manchmal daran erinnern, nicht auch noch zu Hause über die Arbeit zu sprechen. Unsere Zuständigkeiten sind privat und beruflich recht klar definiert, das macht vieles leichter. Allerdings werden Auseinandersetzungen schneller persönlich, wenn man sich so gut kennt. Das Wichtigste ist deshalb, dass man sich nach einem Krach schnell wieder versöhnen kann und nicht nachtragend ist."

Michaela Hagemann, 28, Mainz

"Als meine erste Tochter gerade frisch auf der Welt war, stand ich ratlos vor dem Regal im Drogeriemarkt. Entweder enthielten die Babyprodukte zu viele synthetische Inhaltsstoffe oder sie rochen nach Kräutertee. Gespräche mit anderen Müttern zeigten mir, dass viele sich eine reine Pflegeserie wünschten, die gut riecht.

Also stürzte ich mich in die Recherche. Welche Inhaltsstoffe sind besonders pflegend? Welche Hersteller gibt es? Wie sind die rechtlichen Bestimmungen? Als Ärztin kannte ich mich zwar ein bisschen aus, aber die einzelnen Produktionsschritte musste ich mir erarbeiten. Schließlich fand ich einen Lohnhersteller im Allgäu, der auch in kleinen Mengen produziert.

Michaela Hagemann erfand eine Serie für Pflegeprodukte. (Foto: forster&martin)

Eine große Hilfe ist mein Bruder, der mit mir den Businessplan schrieb und sich auch heute um die finanziellen Dinge wie die Buchhaltung kümmert. Zusammen haben wir ein komplett eigenfinanziertes Familienunternehmen aufgezogen, das sich inzwischen selbst trägt. Den Arbeitstitel, das Babyölprojekt, kurz das Boep, behielten wir bei. Inzwischen haben wir eine Serie mit fünf Produkten entwickelt.

Eine tolle Bestätigung war es für uns, als der dm-Markt unsere Produkte ins Sortiment nahm. Da war ich gerade mit meiner zweiten Tochter schwanger. Vier Tage nach ihrer Geburt war ich wieder voll da, hing am Telefon und beantwortete Mails. Ich glaube nicht, dass ich durch die Selbständigkeit etwas verpasst habe. Für mich ist der Beruf sehr wichtig, und ich denke, dass meine Kinder von einer glücklichen Mutter, die auch beruflich ihre Ziele verfolgt, am meisten haben. Weil ich recht jung Mutter wurde und vorher nicht lange angestellt war, hatte ich vielleicht auch nicht diesen Drang nach einer Auszeit.

An einer Uniklinik hat man als Ärztin in Teilzeit wenig Möglichkeiten, oft schreibt man nur Briefe. In meiner Firma beschäftige ich drei Teilzeitkräfte, und das funktioniert wunderbar. Ich arbeite selbstbestimmt und bekomme Bestätigung durch das tolle Kundenfeedback. Mein Mann hat seine Arbeitszeit reduziert, und so kann ich problemlos zwei Tage pro Woche im Büro in München sein. Aber falls die Firma irgendwann nicht mehr funktionieren sollte, weiß ich, dass ich wieder einen Job als Ärztin finden werde.

Tobias Henze, 36, Dresden

"Meine Frau ist Zahnärztin mit zwei gut laufenden Praxen und damit die Hauptverdienerin bei uns. Als unsere Kinder 2012 und 2013 geboren wurden, blieb ich zu Hause. Meine Frau hat entweder Milch abgepumpt oder ich habe ihr das Baby zum Stillen vorbeigebracht.

Nebenbei habe ich mit meinem Geschäftspartner das Konzept für unsere Firma Bodypol GmbH und die Website zahnarzt-preisvergleich.com entwickelt, ein Portal für Zahnarztleistungen und Zahnersatz. Zwischen Windelnwechseln und Fläschchengeben war immer noch Zeit, mich mit geschäftlichen Dingen zu beschäftigen. Als die Kinder ganz klein waren, konnte ich auch noch viel nebenbei erledigen. Sobald sie mobiler wurden, ging das nicht mehr ganz so gut.

Tobias Henze entwickelte ein Internetvergleichsportal. (Foto: Kristin Winter)

Einmal hat der Schlafentzug dazu geführt, dass ich ein Meeting verpasst habe, weil ich neben dem Baby eingeschlafen bin. Bei Auswärtsterminen oder wenn ich mal Ruhe brauchte, springen auch die Großeltern ein. Sie sind bis heute unser Telefonjoker. Mit der Schwägerin wechseln wir uns beim Abholen von der Kita ab.

Ich war schon vorher freiberuflich tätig und finde, dass es sich gut mit dem Familienalltag verbinden lässt, obwohl es natürlich auch ein Risiko ist. Wenn etwas mit der Familie ist und zum Beispiel die Kinder krank sind, übernimmt mein Geschäftspartner. Er hat keine Kinder und ist daher deutlich flexibler.

"Der Zahn", wie ich unsere Firma nenne, ist mein drittes Baby. Für mich ist es ein großer Ansporn, durch die Plattform zu mehr Transparenz für den Verbraucher beizutragen, obwohl es einen starken Gegenwind der zahnärztlichen Standesvertretungen gibt, den auch schon meine Frau zu spüren bekam. Deshalb ist kein schnelles Wachstum zu erwarten. Wirtschaftlich erfolgreicher ist unser Portal deutschehausverwalter.de, wo sich Hausbesitzer online Kostenvoranschläge von Hausverwaltungen geben lassen können. Das schreibt bereits schwarze Zahlen."

Natascha Hoffner, 38, München

"15 Jahre lang habe ich bei einer privaten Messegesellschaft gearbeitet und mich von der Auszubildenden bis in die Geschäftsführung hochgearbeitet. Als ich schwanger wurde, bin ich erst mal in Tränen ausgebrochen. Ich wollte unbedingt weiterarbeiten. Da schlug mein Mann vor, dann eben zu Hause zu bleiben. Während ich nach Mutterschutz und vier Wochen Elternzeit wieder meinen Job in Mannheim antrat, war er mit unserem Sohn in München. Ich sah die beiden in der Regel vier Tage nicht und war nur freitags im Homeoffice und am Wochenende zu Hause.

Anderthalb Jahre später kam unser zweites Kind auf die Welt. In meiner Firma hatte sich einiges verändert, es war klar, dass ich meine Position über kurz oder lang verlieren würde. Daher entschied ich, mich mit einem Herzensthema selbständig zu machen - einer Karrieremesse für Frauen. Den Löwenanteil der Elternzeit übernahm wieder mein Mann. Meine freien Monate mit dem zweiten Kind nutzte ich, um einen Businessplan zu schreiben.

Natascha Hoffner gründete eine Jobmesse für Frauen. (Foto: Sung-Hee Seewald)

Das Organisieren von Messen habe ich von der Pike auf gelernt, Zulieferer und Aussteller wussten, dass sie sich auf mich verlassen können. Um den Gründungszuschuss zu bekommen, meldete ich mich einige Zeit arbeitslos. Dann begann das Klinkenputzen bei den Banken. Nach vielen Absagen bekam ich endlich den benötigten Kredit. Wenn es nicht klappt, dachte ich mir, suche ich einen Job und zahle das peu à peu ab. Bisher hat sich das Risiko gelohnt. Gleich die erste Messe 2015 war ein Erfolg. Seitdem sind wir ständig gewachsen. In diesem Jahr erwarten wir erstmals mehr als 5000 Besucher.

Nachdem ich in meinem letzten Job sehr gut verdient hatte, fand ich es schwer, das finanzielle Auf und Ab auszuhalten. Ich muss weiterhin damit rechnen, dass es Monate gibt, in denen ich mir kein Gehalt auszahlen kann, weil ich erst meine Mitarbeiter bezahlen muss. Damit sich das ändert, muss die Messe weiter wachsen.

Mein Mann und ich arbeiten beide Vollzeit. Wir haben ein Au-pair, das die Kinder von der Kita abholt. Wir achten aber darauf, dass einer von uns sie morgens hinbringt, wir abends zusammen kochen und ihnen vorlesen. Das ist unser Familienritual."

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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