Unternehmensberatung:Die Boom-Branche

Für Konzerne und Minister gehört es fast schon zum guten Ton, eine Beraterfirma im Haus zu haben.

Von Karl-Heinz Büschemann

Ein Aufatmen geht durch die Branche der Unternehmensberater. "Das Geschäft zieht wieder an", erklärt ein Sprecher des Verbandes der Beratungsunternehmen. Im Jahr 2001 habe die Zunft der Ratgeber für Chefetagen eine empfindlichen Rückschlag hinnehmen müssen. Um 4,5 Prozent sei das Geschäft zurückgegangen - zum ersten Mal in der Geschichte. "Im kommenden Jahr gibt es wieder ein leichtes Wachstum."

Aufräumen

Die Branche der Berater ist ein klassische Boom-Branche, trotz der Delle des letzten Jahres. Wo immer ein Unternehmen ein Kostenproblem hat, eine neue Strategie braucht oder eine neue EDV-Technik angeschafft werden muss, werden sie gerufen. Scheinbar wie im Reflex greifen Führungskräfte auf die Experten von McKinsey, Roland Berger & Co zurück, um sich den Weg weisen zu lassen.

Besonders gilt das für Deutschland. In diesem Land existieren inzwischen 14.000 Beratungsfirmen mit 68.000 Mitarbeitern. Nur in den USA gibt es noch mehr Berater, Tendenz steigend. Berater im Hause zu haben, gehört für alle deutschen Konzerne zum laufenden Geschäft, auch wenn gerade keine Sanierung ansteht. So machen die Berater derzeit 12 Milliarden Euro Umsatz, und die Chefs der großen Beratungsfirmen sind angesehene Persönlichkeiten. Man kennt sich und bildet Seilschaften. Herbert Hensler, der langjährige Deutschland-Chef von McKinsey, der weltweit größten Beratungsfirma, pflegte mit Gruppen von Top-Managern wie Jürgen Schrempp (DaimlerChrysler), Ulrich Cartellieri (Deutsche Bank) oder Wolfgang Reitzle (früher BMW) zum Extrem-Bergsteigen zu gehen.

In der deutschen Wirtschaft entwickelten sich die Berater seit den 80er Jahren zu einer Kaste, die erst die Verwaltungen und Stäbe verkleinerten und jetzt in der Produktion und der Logistik aufräumen. Eine Folge: Die heutigen Chefs der Post (Klaus Zumwinkel), von BMW (Helmut Panke) oder Opel (Carl-Peter Forster) waren früher selber mal Berater bei McKinsey. Auch die Firmenchefs der Zukunft arbeiten schon an ihrer Karriere.

Moderieren

Für Absolventen von Wirtschaftsstudiengängen sind die Berater die beliebtesten Arbeitgeber. In diesem Jahr haben rund 5000 Studienabgänger bei den Consultants angefangen, wo sie in der Regel drei bis fünf Jahre bleiben, bevor sie in die Industrie gehen. Diese Zahl ist klein; vor drei Jahren noch stellten die Berater jedes Jahr 16.000 junge Leute ein. Das war jene Zeit, als die Branche noch brummte, die Consultants an das grenzenlose Wachstum der New Economy glaubten - und bevor die Pleitenserie dieser Branche die große Ernüchterung brachte. "Die Berater haben das Internet-Fieber kräftig angeheizt und ihre Kunden zu gewaltigen Fehlinvestitionen verleitet", urteilt der Journalist Rainer Steppan in einem Buch über die Berater mit dem bösen Titel "Versager im Dreiteiler - Wie Unternehmensberater die Wirtschaft ruinieren."

Dieser Meinung kann sich Professor Arnd Huchzermeier von der Hochschule für Unternehmensführung in Koblenz nicht anschließen. "Da sind nicht lauter Dummköpfe am Werk." Die Rolle der Berater sei positiv. Oft sei es hilfreich, wenn Firmenfremde in den Umbau eines Unternehmens eingriffen, in dem die Fronten verhärtet sind. "Die sind eher Moderatoren." Der Professor räumt aber ein, dass Berater vom Management auch als Sündenböcke eingesetzt werden, um einen Personalabbau leichter durchsetzen zu können. Dennoch seien sie eine schnelle Hilfe. Das gelte vor allem für den Mittelstand, dem das Personal fehle, das die Zeit habe, sich über den Tag hinaus Gedanken zu machen.

Schafe zählen

Darin sind die Fachleute einig: Die zunehmende Globalisierung, zunehmender Wettbewerb sowie der Aufbau von Tochtergesellschaften im Ausland macht das Hinzuziehen von Beratern verstärkt nötig. Offenbar ist auch die Zeit vorbei, in der die Berater beliebig viele jener jungen, unerfahrenen Consultants auf ihre Kunden loslassen konnten, die hohe Rechnungen präsentierten und geringe Effekte erzielten. "Das machen die Kunden nicht mehr mit", weiß ein Vertreter des Verbandes der Unternehmensberater.

Trotzdem hält sich in der Industrie ein hämischer Beraterwitz: Ein junger Mann mit Aktentasche trifft auf einen Schäfer mit riesiger Herde. "Gibst du mir ein Schaf, wenn ich Dir sage, wie große deine Herde ist?", fragt der Fremde. Der Schäfer willigt ein. Der Jüngling wirft seinen Computer an nebst Satelliten-Technik und gibt nach drei Minuten die Antwort: 2398 Schafe. Der Hirte überreicht ihm ein Tier. "Bekomme ich meine Bezahlung zurück, wenn ich Dir sage, welchen Beruf Du hast", fragt jetzt der Schäfer. Der Fremde nickt. "Du bist Berater." Der Jüngling staunt, woher er das wisse. Schäfer: "Ganz einfach. Du bist ungefragt gekommen und hast mir gesagt, was ich schon wusste - kann ich jetzt meinen Hund wiederhaben?"

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