Unternehmen in der Krise:"Lieber fünf Pfeifen in der Management-Etage entlassen"

Sanieren auf Kosten der Mitarbeiter? Es geht auch anders. Ein Interview über den Undank der Arbeitgeber.

Nicola Holzapfel

Rainer Winz ist nicht gut auf Deutschlands Top-Etagen zu sprechen. Der Informatik-Professor von der Hochschule Merseburg hat jahrelang Beispiele zusammengetragen, wie Führungskräfte ihre Unternehmen ruinieren und ihre Mitarbeiter verraten. Jetzt will Winz sogar ein Buch über ihre Fehlleistungen und den "Undank" der Arbeitgeber veröffentlichen.

Unternehmen in der Krise: Lieber fünf Pfeifen in der Management-Ebene entlassen statt auf Kosten der Mitarbeiter zu sanieren.

Zeit zu gehen: Sollten Manager für ihre Fehler mehr in die Pflicht genommen werden?

(Foto: Foto: John Foxx)

sueddeutsche.de: Warum halten Sie Unternehmen für undankbar?

Rainer Winz: Weil Fehlentscheidungen systematisch auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werden. Statt 7000 Angestellte zu entlassen, die ihren Job gut gemacht haben, sollte man lieber fünf Pfeifen in der Management-Etage feuern.

Arbeitgeber sollten sich gegenüber ihren Beschäftigten, denen sie ja auch ihre Erfolge verdanken, loyal verhalten. Sie müssen sich an elementare Tugenden wie Fairness und Verlässlichkeit halten.

sueddeutsche.de: Und wenn sie das nicht tun?

Winz: Wer seine Mitarbeiter schlecht behandelt, verliert ihr Vertrauen. Loyalität ist keine Einbahnstraße.

Mitarbeiter, die ihrem Unternehmen gegenüber loyal sind, sind extrem viel wert. Sie sind bereit, Besonders zu leisten. Eine Studie in den USA hat ergeben, dass die erfolgreichsten Unternehmen ein besonders hohes Maß an Loyalität ihrer Mitarbeiter haben.

Den Einsatz motivierter Mitarbeiter kann man wie einen hochwertigen Kredit bewerten. Wenn dieser Kredit gekündigt wird, kann das für ein Unternehmen teuer werden.

sueddeutsche.de: Wann laufen Unternehmen Gefahr, diesen Kredit zu verspielen?

Winz: Wenn sie ihren Mitarbeitern einseitig Vertrauen entziehen. Wenn zum Beispiel plötzlich ein kleinliches Zeiterfassungssystem eingeführt wird, während zuvor Überstunden flexibel ausgeglichen werden konnten.

Mitarbeiter, die großen Einsatz zeigen, verdienen immer auch eine entsprechende Gegenleistung.

sueddeutsche.de: Und dabei geht es offensichtlich nicht immer um Geld?

Winz: Es kann auch eine mögliche Beförderung sein. Wenn allerdings Mitarbeitern, die sich jahrelang für ihre Karriere abgestrampelt haben, plötzlich jemand von außen vor die Nase gesetzt wird, wird auch das als illoyal wahrgenommen.

Und natürlich stoßen auch Entlassungen Mitarbeiter vor den Kopf. Genauso wie Umstrukturierungen. Wenn es etwa unter dem Motto des "Total Business Reengineering" plötzlich heißt: Wir müssen alles ganz anders machen.

sueddeutsche.de: Auf Management-Theorien sind Sie also auch nicht gut zu sprechen?

Winz: Sie sind zu einseitig. Mal steht alles unter dem Motto der Qualität, dann ist plötzlich Outsourcing angesagt. Man kann nicht ein Kriterium zum alles bestimmenden Faktor für den Gesamterfolg machen. Es gibt auch Unternehmen, die mit Insourcing Erfolg haben. Und natürlich ist die Qualität eines Produkts entscheidend. Aber was nützt das, wenn der Kundenservice schlecht ist?

Manager sollten ihre Probleme selber lösen und nicht auf irgendwelche Theorien oder Berater hören. Wieso gestattet sich das Top-Management überhaupt Berater mit Sätzen von 3000 Euro am Tag? Von einem Elektroniker wird auch ganz selbstverständlich verlangt, dass er einen Schalter reparieren kann. Auch eine Führungskraft sollte ihren Job selbst machen können.

sueddeutsche.de: Und was raten Sie dem Elektroniker, wenn er aufgrund von Berater-Einsätzen seinen Job zu verlieren droht?

Winz: In der Regel zeichnet sich ab, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerät: Betriebsteile werden geschlossen oder es gibt plötzlich eine Fluktuation von Managern, die das sinkende Schiff verlassen. Mein Rat in diesem Fall ist: Behalte deine Kernkompetenzen! Gib deinen speziellen Wert für die Firma nicht leichtfertig aus der Hand! Die Lücke, die du im Falle einer Kündigung hinterlassen würdest, muss für das Unternehmen schmerzhaft sein.

sueddeutsche.de: Womöglich bemerkt das Unternehmen den Verlust erst nach der Kündigung.

Winz: Das kann passieren. Aber der negative Effekt von Entlassungen ist noch viel größer. Denn alle Kosteneinsparungen nützen nichts, wenn die Mitarbeiter demotiviert, verängstigt oder verärgert sind.

sueddeutsche.de: Und was bleibt dann zu tun?

Winz: Das Management austauschen. Jemand, der massiv das Vertrauen seiner Mitarbeiter missbraucht hat, wird es nie wieder gewinnen.

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