University of Southern California:Ein eigenes Reich

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Viele zahlungskräftige Unterstützer sorgen dafür, dass an der University of Southern California erstklassige Studienbedingungen herrschen.

(Foto: Frederic J. Brown/AFP)

Die privat getragene amerikanische Universität hat das Fundraising perfektioniert. Unterstützer zahlen Millionen Dollar, um Lehre und Forschung auf erstklassigem Niveau zu ermöglichen.

Von Viola Schenz

Chrysostomos Loizos Max Nikias hat ein ungehemmtes Verhältnis zum Geld. Möglichst viel rein, möglichst viel raus - so könnte man es umschreiben. Der gebürtige Zyprer, der seinen komplizierten Namen in den USA zu C. L. Max Nikias verkürzt hat, ist seit August 2010 Präsident der University of Southern California - und ihr oberster Spendeneintreiber. Nikias hetzt von Küste zu Küste, von Großkonzern zu Großkonzern, erzählt allen, wie großartig sie sind, wie großartig aber auch seine Uni ist. Zurück nach Los Angeles bringt er Schlagzeilen wie diese: "USC erhält als erste Universität 12-Millionen-Dollar-Staatszuschuss für Terrorismusforschung", "Chevron gibt USC fünf Millionen für Erforschung neuer Ölgewinnungstechnologien", "17-Millionen-Biotechnologiespende an USC".

In Sachen Fundraising zählt die USC, nach Stanford und Harvard, zu den drei führenden Hochschulen der USA und damit auch weltweit; allein 2014 und 2015 haben Nikias und sein Team 687 Millionen Dollar eingetrieben. 450 Mitarbeiter umfasst seine Abteilung, eine erstaunliche Zahl, eine Armada von Spendensammlern. Geerbt hat der Elektroingenieur Nikias das Fundraising-Talent von seinem Vorgänger Steven B. Sample, ebenfalls ein gelernter Elektroingenieur, der die USC von 1991 bis 2010 leitete. Die Los Angeles Times verlieh Sample einst den Titel "Mr. Fix It". Als einzigem Universitätspräsidenten in den USA war es ihm gelungen, drei Einzelspenden von jeweils mehr als 100 Millionen Dollar einzuholen. 1997 etwa wollte Alfred Mann, ein Biomedizin-Unternehmer, seiner Alma Mater, der staatlichen UCLA, 100 Millionen für die Gründung eines Forschungsinstituts spenden; doch er verzweifelte an deren Genehmigungsbürokratie. Sample erfuhr davon und griff zum Hörer: "Mr. Mann, wir kennen uns nicht, aber könnten wir uns zum Lunch treffen?" Acht Monate später wurde das 112,5 Millionen teure Mann Institute for Biomedical Engineering an der USC eingeweiht.

Vier Jahre zuvor hatte Sample den Philanthropen Walter Annenberg, der schon einmal einen 57-Millionen-Scheck für das nach ihm benannte USC-Institut für Kommunikationswissenschaft und Journalismus ausgestellt hatte, zu einer weiteren Spende überredet. Gedacht war an zehn Millionen, lockergemacht hat Annenberg schließlich 120 Millionen.

In den USA erhalten private Hochschulen zwar oft Steuervergünstigungen, aber keine staatliche Unterstützung. Sie sind auf Studiengebühren angewiesen, die meist höher ausfallen als an staatlichen Colleges und Universitäten, und auf großzügige Geldgeber. Auf den angesehenen Posten des Präsidenten hat hier nur eine Chance, wer erfolgreich Geld einsammeln kann. Steven Sample ließ sich das mit einem Jahresgehalt von 1,9 Millionen Dollar vergolden, was ihn zu einem der bestbezahlten Uni-Präsidenten des Landes machte.

Im Fall USC hat der Geldsegen aus der ältesten Privatuni Kaliforniens eine der angesehensten der Nation gemacht. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten stieg sie von Platz 51 auf 23 im wichtigen Ranking des Magazins US News & World Report auf. Und seit Time USC zum "College des Jahres 2000" erklärt hat, schauen die Vertreter des staatlichen University of California-Verbunds wie Berkeley, Los Angeles (UCLA) oder San Diego (UCSD) etwas nervös herüber zu dem Emporkömmling.

Früher sahen andere Unis auf die USC herab. Das hat sich geändert

Früher hatten sie auf die USC herabgesehen: USC stand für wenig schmeichelnde Spitznamen wie "University of Spoiled Children", Universität für verwöhnte Kinder, oder "University of Second Choice", Universität der zweiten Wahl. Und vor 20 Jahren noch musste die Zulassungsstelle nach ausgezeichneten Studenten Ausschau halten. Aber auch das hat sich längst gewandelt, inzwischen kann sie es sich leisten, nur ein knappes Fünftel der Bewerber zuzulassen. Das viele Geld hat viel bewirkt. Es fließt in Lockangebote an herausragende Professoren. 101 Stiftungsprofessuren hat Sample einrichten lassen und zusätzlich knapp 200 Vollzeit-Professoren und 100 Teilzeit-Professoren eingestellt, der Star-Schriftsteller T. C. Boyle unterrichtet hier seit einer gefühlten Ewigkeit Literatur. Das Geld fließt in großzügig gepolsterte Departments: Die USC ist renommiert für ihr Ingenieurwesen, für die Musikhochschule, für die School of Cinematic Arts, die älteste und größte Filmhochschule im Land, oder für die Annenberg School for Communication and Journalism, die erst 2014 von der USA Today zur Nummer eins im Land gekürt wurde.

Und es fließt in die Pflege des großzügig angelegten Campus: viel Backstein und Rundbogenstil, aber auch ein paar Beton-Bausünden, viel Grün und alter Baumbestand mit Parkbänken und Eichhörnchen, die auf Lunchreste hoffen. Man muss nicht auf dem Campus gewesen sein, um ihn trotzdem zu kennen. Szenen aus "Forrest Gump", "Ghostbusters " oder "The Social Network" haben hier gespielt, oder aus TV-Serien wie "Beverly Hills, 90210", "Gilmore Girls" oder " Monk".

Die USC liegt mitten in Los Angeles, und das macht die Uni nicht nur als Filmkulisse begehrt, sondern zeigt sich auch im Lehrangebot wie dem 2001 eröffneten Robert-Zemeckis-Center, der ersten volldigitalen Filmschule der Nation, und in den Absolventen: John Wayne, Will Ferrell oder Clint Eastwood haben hier studiert, ebenso der Architekt Frank Gehry, der Astronaut Neil Armstrong und Star-Wars-Erfinder George Lucas, der vor zehn Jahren 175 Millionen Dollar spendete. Und dass Arnold Schwarzenegger 2009 als Gouverneur Kaliforniens die Ehrendoktorwürde verliehen bekam, hat den Beziehungen zur Politik sicher nicht geschadet.

Die nämlich braucht die USC. Aus der grünen Wiese, auf der ein protestantischer Landschaftsgärtner, ein irisch-katholischer Geschäftsmann und ein deutsch-jüdischer Bankier die Uni 1880 gründeten, hatte sich Jahrzehnte später South Central Los Angeles entwickelt. Ein Viertel, das schon vor den Rassenunruhen im Frühjahr 1992 für Armut, Bandenkriege und Drogen stand. Hier leben vor allem Schwarze und Latinos, und mittendrin liegt der quadratische, verkehrsberuhigte, rasen- und baumreiche USC-Campus. Der blieb von den Unruhen 1992 mit 52 Toten, 2400 Verletzten und einem Sachschaden von einer Milliarde Dollar verschont. Rundherum brannten die Häuser, verängstigte Studenten flüchteten sich in die Turnhalle, und Steven Sample verbrachte die Nächte in seinem Büro. Als der Horror vorbei war, wurden Stimmen laut, in ein sicheres Viertel zu ziehen. "Machen Sie es wie Pepperdine!" appellierten Angestellte und Eltern an Sample. Die Pepperdine Universität war nach den gewaltsamen Unruhen 1965 aus dem Stadtteil Watts ins abgelegene Malibu gezogen.

Aber Sample wollte nicht in eine vermeintliche Vorstadtidylle fliehen. Anstatt die Uni zu bewegen, wollte er lieber etwas in South Central bewegen: Er holte wieder einmal Dollarbündel aus dem Tresor und stampfte das "ambitionierteste Uni-Sozialprogramm dieser Nation" (Time) aus dem Boden. Seitdem macht die Hälfte der 43 000 Studenten Freiwilligendienst in der Nachbarschaft: Architekturstudenten bauten einen Spielplatz, die Zahnmediziner bieten kostenlose Karies-Sprechstunden für Kinder an. Die USC-eigene Polizei patrouilliert über den Campus hinaus, was die Kriminalitätsrate im Vergleich zu anderen heruntergekommenen Vierteln gesenkt hat. Und: Jobs auf dem Campus werden bevorzugt an Anwohner vergeben.

Praktische Philanthropie: Nicht nur lehren, sondern auch umverteilen - ohne dass der Staat dazwischenfunkt. Auch das ist Amerika.

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