Unfaire Bezahlung:Top-Redakteurin beschert BBC ein echtes Imageproblem

Zurückgetretene BBC-Journalistin Carrie Gracie

Die BBC-Journalistin Carrie Gracie hat ihren Posten als China-Korrespondentin aufgrund ungleicher Bezahlung im Vergleich zu männlichen Kollegen aufgegeben.

(Foto: dpa)

Die China-Korrespondentin tritt zurück, weil ihre männlichen Kollegen mehr verdienen. Ein Skandal - ausgerechnet beim Vorbild von ARD und ZDF.

Von Alexander Menden und Claudia Tieschky

Es war eine delikate Aufgabe, die John Humphrys am Montagmorgen zu bewältigen hatte. Dabei ist der langgediente Moderator der BBC-Radiosendung The Today Programme sonst eher ein Mann fürs Grobe. Er pflegt einen aggressiven Gesprächsstil, in dem er Politiker mehr verhört als interviewt. Diesmal aber war Humphrys' Gesprächspartnerin erstens eine Kollegin, die BBC-Präsentatorin Mariella Frostrup, und zweitens saß die Person, über die er mit Frostrup sprechen sollte, auch noch direkt neben ihm.

Carrie Gracie, an diesem Morgen seine Komoderatorin, war gerade wegen einer "Vertrauenskrise" sowie aus Protest gegen unfaire Bezahlung als China-Korrespondentin der BBC zurückgetreten, und damit selbst zu einer der Topmeldungen in den Medien geworden. Da die Regeln der BBC es aber verbieten, dass ein Moderator plötzlich zum Interviewten wird, musste Humphrys nun absurderweise per Telefonschaltung mit jemand anderem über die Gründe für Gracies Rücktritt sprechen.

An denen hatte sie selbst keinen Zweifel gelassen. Nach vier Jahren als China-Korrespondentin hatte Gracie auf ihrer privaten Website einen offenen Brief publiziert, in dem sie die BBC beschuldigt, gegen Gleichberechtigungsregularien zu verstoßen und sich dem Druck zu widersetzen, "eine faire und transparente Gehaltsstruktur" einzuführen. Sie selbst habe in drei Jahrzehnten bei der BBC niemals selbst zur Nachricht werden wollen, aber die "geheimniskrämerische und illegale Bezahlungskultur" des Senders habe sie dazu gezwungen.

Neues Angebot blieb unter dem Gehalt männlicher Kollegen

Der britische Equality Act, ein 2010 verabschiedetes Gleichberechtigungsgesetz, sieht vor, dass Männer und Frauen für dieselbe Arbeit dieselbe Entlohnung erhalten müssen. Im vorigen Juli habe sie aber erfahren, dass die männlichen Auslandskorrespondenten "mindestens 50 Prozent mehr verdienten" als die Frauen. "Obwohl die BBC öffentlich behauptet hatte, meine Berufung sei ein Beleg dafür, wie sehr sie sich der Geschlechtergleichheit verpflichtet fühle", so Gracie in ihrem Text, "und obwohl die Annahme dieser Gleichbehandlung für mich die Grundlage dafür bildete, den Posten zu übernehmen, hatten meine Vorgesetzten wieder einmal entschieden, dass die Arbeit einer Frau viel weniger wert ist als die eines Mannes."

Sie habe den gleichen Tarif für alle Korrespondenten gefordert. Die BBC habe ihr nur eine Gehaltserhöhung angeboten, die sie noch immer nicht auf das Bezahlungsniveau ihrer männlichen Kollegen gebracht hätte. Dafür habe sie bis heute keine Erklärung bekommen. Seit sie das Angebot abgelehnt habe, sei sie einem "bedrückend inkompetenten und unterminierenden Beschwerdeprozess unterworfen worden". Unter diesen Umständen könne sie den Job in China nicht weiter ausführen.

Debatte um gerechte Bezahlung auch bei deutschen Sendern

Der Rücktritt Carry Gracies ist die nächste Eskalationsstufe des Streits über ungleiche Bezahlung bei der BBC, der im vergangenen Juli ausbrach. Damals hatte der Sender unter öffentlichem Druck eine Liste seiner bestbezahlten Stars und Moderatoren veröffentlicht. Dabei kam heraus, dass nur ein Drittel davon Frauen waren; die sieben Bestverdiener waren Männer. Mehr als 40 der bekanntesten weiblichen BBC-Persönlichkeiten hatten daraufhin in einem Brief an BBC-Generaldirektor Tony Hall grundlegende Reformen gefordert.

Eine interne Überprüfung kam damals zu dem Ergebnis, dass Männer bei der BBC im Durchschnitt 9,3 Prozent mehr verdienen als Frauen, und dass etwa 500 Angestellte nur aufgrund ihres Geschlechts weniger Geld bekommen. Auch diese Ergebnisse wurden von prominenten BBC-Moderatorinnen als zu positiv angezweifelt.

Die Debatte um gerechte Bezahlung wird auch in deutschen Sendern geführt - nicht erst, aber verstärkt, seit die ZDF- Journalistin Birte Meier von Frontal 21 gegen das ZDF klagte, weil sie sich gegenüber männlichen Kollegen im Nachteil sah. Geschlechterzugehörigkeit sei kein Differenzierungskriterium, heißt es beim ZDF, und die Vergütung für Mitarbeiter in Tarifverträgen festgelegt, die mit den Gewerkschaften vereinbart worden seien. ZDF-Sprecher Alexander Stock sagt, es könne "natürlich vorkommen, dass sich jemand ungerecht behandelt fühlt", die Vergütungsstrukturen beruhten aber auf klaren Kriterien in den Tarifverträgen.

BR-Gleichstellungsbeauftragte sieht keine Diskriminierung

Sandra David, Gleichstellungsbeauftragte des BR, sagt auf Anfrage, das Problem Gender Pay Gap "sehe ich bei uns grundsätzlich nicht". Auch sie verweist auf Tarifverträge, die sich nicht am Geschlecht orientierten. Bei Vorstellungsgesprächen für Festangestellte im BR sei sie dabei, "wenn Stellen gleichstellungsrelevant sind", sie könne aus dreijähriger Erfahrung sagen, "dass die Eingruppierung geschlechtsneutral" sei. Freie vereinbarten ihre Honorare mit den Redaktionen, bei Moderationen verdienten Männer und Frauen für die gleiche Sendung einheitlich.

Also nirgends ein Problem? Carrie Gracie jedenfalls hatte eines - ausgerechnet bei der BBC, die ARD und ZDF so gern als Vorbild dient. Sie bezeichnet die bisherige Gehaltsstrategie ihres Arbeitgebers schlicht als "Diskriminierung" und gesetzeswidrig. Sie will nun ins Sendezentrum in London zurückkehren und erwartet dort gleiche Bezahlung.

All das konnte sie ihrem Komoderator John Humphrys am Montag nicht selbst erläutern. Doch die Kollegin Mariella Frostrup sprach ihr im Interview sicher aus dem Herzen, als sie sagte: "Es ist einfach deprimierend, zu sehen, dass sich die Situation kaum verbessert hat. Diese Ungleichbehandlung muss jetzt einfach enden."

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