Unbezahlte Jobs für Absolventen:Praktikant mit Doktortitel

Lesezeit: 3 min

Sprungbrett oder Sackgasse? Dass Absolventen nach dem Studium unbezahlte Praktika absolvieren, ist beinahe schon normal. Sinnvoll ist es nur manchmal.

Kaffee kochen für den Chef oder schuften bis zum Umfallen für lau - ein Praktikum kann frustrierend sein - besonders für Absolventen, die bereits einen Uni-Abschluss in der Tasche haben. Ganz unten auf der Berufsleiter ins Berufsleben einzusteigen ist für viele eine Notlösung. Finden sie auf andere Weise keinen regulären Job, ist ein Praktikum womöglich ein guter Türöffner. Werden sie aber als billige Aushilfskraft eingesetzt, verschwenden sie bloß ihre Zeit.

Traurig und ungerecht

"Ich kann die Enttäuschung nachvollziehen, wenn man gezwungen ist, nach dem Studium noch ein kostenloses Praktikum zu machen", sagt der Bewerbungsberater Gerhard Winkler aus Berlin. "Aber so traurig und ungerecht es ist, wenn Firmen die Zwangslage von Jobsuchenden ausnutzen - es bleibt einem oft gar nichts anderes übrig."

Jessica Heyser vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sieht das anders. Sie empfiehlt Uni-Absolventen mehr Selbstbewusstsein gegenüber Arbeitgebern. "Ein Praktikum nach dem Studium sollte man nur machen, wenn man gar keinen anderen Ausweg weiß." Laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans Böckler Stiftung aus dem Jahr 2007 machen 37 Prozent der Absolventen nach dem Studium noch ein Praktikum. Vor allem in Kreativberufen ist ein langer Atem nötig, um den ersehnten Job zu bekommen. Das gilt für Kultureinrichtungen wie Museen, aber auch die Medien und die PR-Brache.

Euphorie hilft nur kurz gegen den Frust

Gerade kreative Köpfe sind oft hochmotiviert, wenn sie von der Uni kommen. Nach Jahren der Theorie wollen sie ihre Ideen endlich in der Praxis umsetzen - und akzeptieren dann schlechte Arbeitsbedingungen.

"Viele gieren regelrecht danach, endlich etwas machen zu können", sagt Achim Baum von der Fachhochschule Osnabrück. Der Professor für Public Relations und Journalismus unterstützt Studenten seit Jahren bei Fragen rund ums Praktikum.

Euphorie reicht nicht

Ist die erste Euphorie verflogen, kommt oft die Ernüchterung. Baum war es eines Tages leid, dass seine Studenten immer wieder von schlechten Praktikums-Bedingungen erzählten. 2004 rief er gemeinsam mit Studenten die Deklaration Praktikum ins Leben: Unternehmen einigten sich mit der Hochschule auf faire Bedingungen für Hospitanten. "Unsere Studenten wählen sehr sorgfältig aus. Und wenn sie sehen, dass ein Unternehmen nicht akzeptable Bedingungen bietet, dann nehmen sie ein Praktikum dort nicht an", erklärt der Professor.

Genau das empfiehlt auch Gewerkschafterin Heyser. Es komme auf die inhaltliche Qualität an, nicht darauf, möglichst viele Praktika zu machen. "Auch im Lebenslauf ist es nicht unbedingt positiv, wenn man da sechs Praktika stehen hat - und nirgendwo hat es mit einer richtigen Stelle geklappt." Auch Praktika, die länger als drei Monate dauern, nutzten in der Regel vor allem dem Arbeitgeber.

Auf die Inhalte kommt es an

Damit ein Praktikum inhaltlich die Erwartungen erfüllt, sollten Absolventen sich erst einmal überlegen, welches Ziel sie damit verfolgen, rät Heyser. Dann sollten sie mit dem Arbeitgeber darüber sprechen, was genau sie machen und lernen können. Das wird am besten in einem Vertrag festgehalten, eine mündliche Vereinbarung genüge aber auch. "Die Hauptsache ist, dass sich der Arbeitgeber schon mal Gedanken über die Inhalte des Praktikums machen muss, und dass man sich auf gemeinsame Ziele verständigt", sagt die Gewerkschafterin.

Besondere skeptisch sollten Hochschulabgänger sein, wenn ein Arbeitgeber ein mehrmonatiges Praktikum als Voraussetzung für eine Bewerbung auf einen richtigen Job fordert, meint Heyser. "Es gibt einen Klebeeffekt von Praktika, aber der ist nicht wahnsinnig hoch." Die Gefahr sei groß, als billige Arbeitskraft ausgenutzt und dann wieder vor die Tür gesetzt zu werden.

Nicht gefallen lassen

Unbezahlte Praktika dürften Absolventen sich generell nicht gefallen lassen, fordert die Initiative Fairwork in Berlin. Der Verein besteht aus Hochschulabsolventen, die auf ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam machen wollen. Nach ihren Vorstellungen sollten Praktikanten im Studium mindestens 300 Euro im Monat bekommen - danach 7,50 Euro pro Stunde, damit das Einkommen zum Leben reicht.

Bewerbungsberater Winkler ist da deutlich skeptischer. Wer aus Trotz über schlechte Bedingungen lieber gar kein Praktikum macht, verspiele Karrierechancen. "Man darf nicht einfach nur rumhängen und auf die perfekte Einstiegschance warten", sagt er. "Jedes Praktikum ist eine Chance und wertet den Lebenslauf auf." Kein Personaler werde darüber stolpern, wenn Bewerber nach dem Studium noch einige Praktika gemacht haben. "Die Arbeitgeber wissen ja auch, wie das läuft. Die Übergangsphase zwischen Studium und Beruf dauert heute einfach ziemlich lange." Gerade Absolventen mit mittelprächtigen Noten könnten durch Praktika zeigen, dass sie in der Praxis etwas taugen.

© sueddeutsche.de/dpa/Marc Herwig/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: