Umstrittener Kongress in Marburg:"Homoheiler" im Hörsaal

Schwulenverbände und der Asta streiten sich heftig mit der Uni Marburg über einen Hochschul-Kongress: Die Referenten halten Homosexualität für heilbar - die Uni pocht auf Meinungsfreiheit.

C. Frank

Das Thema der Konferenz, "Identität, der rote Faden in meinem Leben", klingt harmlos und fast ein bisschen langweilig, jedenfalls alles andere als dazu gemacht, große Konflikte auszulösen. Hat es dann aber doch.

Umstrittener Kongress in Marburg: "Gott hasst Schwule": Ein Demonstrant macht in den USA mit Plakaten Stimmung gegen Homosexuelle.

"Gott hasst Schwule": Ein Demonstrant macht in den USA mit Plakaten Stimmung gegen Homosexuelle.

(Foto: Foto: ap)

Drei Wochen, bevor der "6. internationale Kongress für Psychotherapie und Seelsorge" in Marburg überhaupt startet, haben sich Universität, Parteien, Schwulenverbände und der Asta in einen Streit verwickelt, ob die Tagung stattfinden darf. Kaum noch einer spricht von Identität und roten Fäden, sondern ständig ist die Rede vom "Homoheiler-Kongress". Den, so fordern die Gegner, soll die Marburger Philipps-Universität auf keinen Fall in ihren Räumen zulassen. Hat sie aber doch.

Zweifelhafte Ansichten

Mehr als 1000 Teilnehmer werden vom 20. bis 24. Mai in der hessischen Stadt zu einer Tagung der evangelikalen "Akademie für Psychotherapie und Seelsorge" erwartet. Gegner sehen darin ein Forum für "pseudowissenschaftliche Homoheiler und Umpoler". Es kämen Referenten zu Wort, die "Homosexuelle zu Heterosexuellen umtherapieren wollen", kritisiert der Lesben- und Schwulenverband (LSVD). Zudem habe die Akademie "vielseitige Verbindungen in fundamentalistische Kreise", schreibt das Bündnis "Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus".

Im Zentrum der Kritik stehen zwei Redner: Christl Ruth Vonholdt, die Leiterin des Instituts für Kinder- und Jugendmedizin, und Markus Hoffmann vom christlich-evangelikalen Verein Wüstenstrom. Beide sind für ihre zweifelhaften Ansichten über Lesben und Schwule bekannt.

Therapie und Glauben

Vonholdt steht einem Institut vor, das Homosexuelle unter anderem schon als "psychologisch und biologisch unreife Menschen" bezeichnet hat. Die gelernte Ärztin propagiert die therapeutische Heilung von Homosexuellen: Viele von ihnen hätten nie gehört, dass es Therapien "zur Entwicklung eines reifen heterosexuellen Potentials" gibt, schrieb sie im Juli 2006 in der katholischen Zeitschrift Communio.

Auch Markus Hoffmann, einer der Protagonisten der deutschen Ex-Gay-Bewegung - einer Bewegung ehemaliger Homosexueller - steht einem Verein vor, der auf seiner Webseite schreibt, es sei "geboten, für diejenigen nach therapeutischen Veränderungsmöglichkeiten zu fragen, die sich nicht für eine homosexuelle Identität entscheiden wollen". Er selbst beschreibt im Internet, wie er es durch Therapie und Glauben geschafft habe, seine Homosexualität abzulegen.

Das Auftreten solcher Referenten werde dem Anspruch eines wissenschaftlichen Kongresses nicht gerecht, meint der LSVD. Er moniert auch, dass die veranstaltende Akademie Vereine wie Wüstenstrom unterstützt - etwa durch Onlinewerbung für deren Seminare. Die grünen Landtagsabgeordneten Angela Dorn und Kai Klose erklärten, die Universitätsleitung dürfe sich nicht "wegducken".

Auf der nächsten Seite: Warum sich die Evangelische Kirche von dem Kongress distanziert - die Universität die Veranstaltung jedoch rechtfertigt.

Wo ist Platz für Homosexuelle?

Übergriffe vermummter Jugendlicher

Auch der Präsident der Fachhochschule Frankfurt, Detlev Buchholz, hat Stadt und Universität aufgefordert, keine Räume für die Veranstaltung zur Verfügung zu stellen. Inzwischen distanzierte sich zudem die evangelische Landeskirche von Kurhessen-Waldeck von der Veranstaltung: "In unserer Kirche ist für Homosexuelle Platz, auch für homosexuelle Pfarrerinnen und Pfarrer", sagte ihr Sprecher.

Der geplante Auftritt von Rednern aus Vonholdts Institut hatte bereits vor einem Jahr bei dem evangelikalen Jugendtreff "Christival" in Bremen für Aufregung und zuletzt für Übergriffe vermummter Jugendlicher gesorgt. Im Jahr 2007 wurde ein Auftritt Markus Hoffmanns bei einem Kongress der Universität Graz nach Protesten abgesagt.

Angriff auf die Freiheitsrechte

Davon ist man in Marburg weit entfernt. Ein Sprecher der Universität erklärte: "Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, die Veranstaltung abzusagen." Dabei kann die Universität auf eine Initiative mit dem Titel "Für Freiheit und Selbstbestimmung" setzen, die im Internet schon mehr als 400 Unterschriften gegen die Kritiker des Kongresses gesammelt hat. Diesen wirft sie einen Angriff auf "fundamentale Freiheitsrechte" vor.

Zu den Erstunterzeichnern zählen der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis und der Salzburger Weihbischof Andreas Laun. Auch die Akademie für Psychotherapie und Seelsorge reagierte mit Unverständnis auf die Proteste. Der Vorsitzende, Martin Grabe, erklärte: "Wir möchten nicht, dass Leuten der Mund verboten wird." Daher habe man auch Referenten wie Vonholdt und Hoffmann eingeladen. "Unser Ziel ist es, divergierende Meinungen an einen Tisch zu bringen", sagte Grabe. Allein: Unter den 120 Rednern ist kein einziger Vertreter einer Homosexuellen-Organisation.

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