Überforderung im Job:Wie man ein Projekt abgibt, ohne das Gesicht zu verlieren

Ein Teilprojektleiter ist aus privaten Gründen derzeit nicht ganz auf der Höhe. Die Arbeit an seiner Aufgabe verläuft chaotisch. Seine Chefin will nun, dass sein Kollege das Projekt weiterführt. Er wäre darüber erleichtert - doch wie kommt er ohne Gesichtsverlust aus der Situation? Beraterin Christine Demmer antwortet.

SZ-Leser Peer S. fragt: Ich bin 35 Jahre alt und seit einigen Monaten Teilprojektleiter in einem SAP-Projekt. Aus einer ganzen Reihe von Gründen verlief die Arbeit bisher chaotisch. Hinzu kommt, dass ich im Moment nicht ganz auf der Höhe bin, was private Ursachen hat. Die Projektleiterin hat mir nun angedeutet, dass sie mich für überfordert und einen anderen Kollegen für besser geeignet hält. Ich bin nun einerseits verletzt, dass meine Arbeit so wenig Anerkennung findet, andererseits muss ich ihr recht geben, was meine Leistung angeht. Ich wäre sogar gewissermaßen erleichtert, wenn ich das Projekt abgeben könnte. Doch wie komme ich da heraus ohne Gesichtsverlust?

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Die Arbeit läuft nicht gut? Man kann ein Projekt auch abgeben, ohne dabei das Gesicht zu verlieren.

(Foto: AP)

Christine Demmer antwortet:

Lieber Herr S., längst nicht alle Projekte laufen so zügig und reibungslos ab, wie sich das der Auftraggeber und das Projektteam anfangs vorstellen. Dagegen steht nämlich nicht nur Murphy's Gesetz, wonach alles schiefgeht, was überhaupt schiefgehen kann, sondern vor allem die Tatsache, dass Projekte von Menschen durchgeführt werden.

Untersuchungen zufolge scheitern etwa 70 Prozent aller Projekte an Befindlichkeitsgründen und/oder aufgrund unklarer Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Menschen sind, was Sie ja selbst einräumen, eben auch nicht immer voll auf der Höhe. Das ist menschlich, das kommt vor, und das bedeutet keineswegs, dass Sie niemals wieder als Teilprojektleiter eingesetzt werden.

Ihre zweite Chance müssen Sie sich allerdings verdienen. Wenn Ihre Projektleiterin jetzt die Reißleine ziehen will, weil sie erkannt hat, dass einer ihrer wichtigsten Mitarbeiter im Moment nicht ganz bei der Sache ist, dann tut sie recht daran. Schließlich muss es ihr oberste Ziel sein, den Erfolg des Vorhabens nicht zu gefährden. Sie selbst wird daran gemessen, ob sie das Projekt zeitlich, finanziell und in der gewünschten Qualität zum Fliegen bringen kann oder nicht.

Mein Rat: Unterstützen Sie die Projektleiterin dabei. Wie Sie das tun können, wette ich, wissen Sie selbst am besten. Sie könnten zum Beispiel anbieten, Ihren designierten Nachfolger sehr gründlich in die Materie einzuarbeiten - auch wenn Sie sich dafür extra Zeit nehmen müssen, weil Sie vermutlich schon für ein anderes Projekt vorgesehen sind. Ihre Projektleiterin wird Ihnen dankbar sein und der Kollege auch.

Sich aus dem Stand in ein neues Thema einarbeiten und gleichzeitig noch die Altlasten des Vorgängers abräumen zu müssen, ist mühsam und schafft häufig böses Blut. Sie nehmen der möglichen Kritik des Kollegen viel Wind aus den Segeln, wenn Sie sich mit ihm oder ihr zusammensetzen und das Projekt bis zum heutigen Stand durchsprechen: Was lief gut, was lief schlecht, woran lag es, und wie könnte man die Kuh vom Eis bringen?

Wenn Sie sich kooperativ zeigen und die Größe aufbringen, Ihrer Chefin in einer ruhigen Minute für den Abzug von diesem Projekt zu danken, dann dürfte der Vorfall keine nachhaltigen Blessuren auf Ihrer Karriere hinterlassen und auch keinen dauerhaften Gesichtsverlust mit sich bringen. Vielleicht können sie bei dieser Gelegenheit ja auch noch eine Erklärung für Ihre eingeschränkte Leistungsfähigkeit nachliefern. Und beim nächsten Projekt dann volle Kraft voraus!

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