TU München stellt Professoren für die Lehre frei:Freisemester einmal andersrum

Forschungsfreisemester - das klingt bisweilen nach einem halben Urlaub. Studenten fragen sich, wo denn ihre Interessen bleiben, wenn sich der Professor ein paar Monate ausschließlich auf Forschungsprojekte konzentriert. Die TU München dreht dieses Prinzip nun um.

Sebastian Krass

Für Studenten und Außenstehende wirkt es manchmal befremdlich, wenn sie hören, dass Professor XY ein "Forschungsfreisemester" nimmt. Leicht passiert es, dass man den Wortbestandteil "frei" deutlicher wahrnimmt als die zwei Silben "Forschung". Dennoch ist diese Option wichtig für den Universitätsbetrieb. Oft ist es Wissenschaftlern nur möglich, ein Forschungsprojekt wirklich voranzutreiben oder abzuschließen, wenn sie sich eine Zeitlang aus dem Alltagsbetrieb zurückziehen können.

Studenten und Professoren erleben Merkwürdiges: O2 setzt aggressives Marketing an Universitäten ein, um die Zielgruppe zu erreichen.

Studenten an der TU München.

(Foto: ag.ap)

Aber Peter Gritzmann kam vor einiger Zeit an den Punkt, an dem er sich damit nicht mehr zufriedengeben wollte. "Auch wir bekennen uns ja gleichermaßen zu Forschung und Lehre", sagt der Vizepräsident der Technischen Universität (TU) München, "da war es nicht mehr einzusehen, dass es nahezu unmöglich war, ein Freisemester für Lehre zu ermöglichen." Das wollte er ändern. Zum Wintersemester wird Gritzmanns Idee Wirklichkeit, "so etwas gibt es in ganz Deutschland nicht", sagt er.

Drei Professoren werden für insgesamt zwei Semester freigestellt. Die Mathematikerin Kristina Reiss und ihr Fachkollege Jürgen Richter-Gebert teilen sich eine Freistellung, um ein Lesebuch der Linearen Algebra zu schreiben. Es soll Lehramtsstudenten dabei helfen, das Fachwissen und die Didaktik besser zu verknüpfen, indem es auf vergnügliche Weise die Rolle der Mathematik im Alltag erläutert. Für die zweite Freistellung hat eine Jury unter Leitung Gritzmanns aus acht Bewerbern den Informationstechniker Klaus Diepold ausgewählt. Er konzipiert Lehrveranstaltungen, in denen Studenten eigenständig Probleme der digitalen Bildverarbeitung lösen.

Mit den neuartigen Freisemestern will Gritzmann ein altes Problem lösen: Wer mit seiner akademischen Karriere vorankommen will, muss Forschungsergebnisse produzieren. Wie gut jemand lehrt, spielt bei Berufungen dagegen faktisch keine Rolle - auch weil das schwer messbar und vergleichbar ist. Zwar gibt es Preise für Lehre, die Strahlkraft nach außen haben. "Aber das sind alles Heldenauszeichnungen, die in einem erratischen Verfahren vergeben werden, oft an Professoren mit Gottschalk-Ausstrahlung", sagt Gritzmann. Das habe keine motivierende Wirkung in den Unibetrieb hinein. "Bei uns hingegen soll am Ende eines Freisemesters ein bewertbares Produkt stehen, das relevant für den Lebenslauf ist", erklärt Gritzmann. Und von dem Studenten profitieren, natürlich.

Finanzierbar ist das Ganze nur, weil die TU in den vergangenen Monaten ziemlich erfolgreich darin war, Drittmittel für die Verbesserung der Lehre anzuwerben. Beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft sowie bei Bund und Ländern trieb sie insgesamt etwa 18 Millionen Euro ein. "So können wir den Ausfall an Lehre komplett über zusätzliche Kräfte ausgleichen. Das kostet 45 000 Euro pro Freistellung", sagt Gritzmann. Denn gerade angesichts des doppelten Abiturjahrgangs könne man auf keine einzige Semesterwochenstunde verzichten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: