Triales Studium:Drei auf einen Streich

Brote

Für Branchen mit Nachwuchsmangel, wie das Bäckerhandwerk, eignet sich das Modell besonders.

(Foto: Rainer Jensen/dpa)

Besonders begabten Abiturienten soll es als Anreiz dienen, in der jeweiligen Region zu bleiben. Das triale Studium vereint Berufsausbildung, Meisterbrief und den Bachelor "Handwerksmanagement".

Von Miriam Hoffmeyer

Die Berufswahl schien für Martin Sodt eigentlich schon früh eine klare Sache zu sein. "Ich habe schon als kleiner Junge Walzen und Pinsel ausgewaschen, ab 16 dann am Wochenende im Betrieb meines Vaters mitgeholfen." Andererseits wollte Sodt, der als Erster aus seiner Familie Abitur gemacht hat, auf jeden Fall studieren. Die Lösung des Dilemmas war für ihn das triale Studium, in dem Abiturienten gleich drei Qualifikationen erwerben: Ausbildungsabschluss, Meisterbrief und einen Bachelor "Handwerksmanagement". Erfunden wurde das Modell von der Handwerkskammer Köln und der privaten Fachhochschule des Mittelstands (FHM), Martin Sodt gehörte 2010 zum ersten Jahrgang und hatte 2015 wie geplant alle Abschlüsse beisammen. "Das waren natürlich sehr volle Jahre", erzählt der 28-jährige Malermeister. "Meine Kommilitonen und ich haben es nur zu einer einzigen Studentenparty geschafft!"

Dual Studierende haben einen straffen Zeitplan, im trialen Studium muss man die Belastung aber noch länger aushalten. Die ersten zweieinhalb Jahre verbringen die Kölner Studenten werktags im Betrieb oder in der Berufsschule, freitagabends und samstags nehmen sie an Onlinevorlesungen und Präsenzveranstaltungen der FHM teil. Der kaufmännische und der berufspädagogische Teil der Meister-Weiterbildung sind ins Studium integriert. Nach der Gesellenprüfung lernen die Teilnehmer in Vollzeit, erst auf der Meisterschule, dann an der Hochschule. "Ich habe aber nebenher noch mitgearbeitet, das ist in Familienbetrieben halt so", meint Sodt.

Etwa ein Viertel der Handwerksbetriebe in Deutschland wird von über 50-Jährigen geführt. "Wir brauchen dringend Führungsnachwuchs", sagt Michael Brücken, der die Fachkräfte-Initiative der Handwerkskammer Köln koordiniert. Während es früher selbstverständlich war, dass Familienangehörige den Betrieb übernahmen, machen viele Meisterkinder heute Abitur und streben in akademische Berufe. Auf die demografische Entwicklung und den Trend zu höheren Schulabschlüssen haben die Handwerkskammern mit Imagekampagnen, dualen Studienangeboten und Kombinationsmodellen von Aus- und Weiterbildung reagiert. Mit einigem Erfolg: In vielen Kammerbezirken haben heute mehr als zehn Prozent der Handwerks-Azubis Abitur. Das triale Studium, das sich an sehr motivierte und leistungsstarke Abiturienten richtet, ist der Kulminationspunkt dieser Bemühungen. Brücken hat keine Zweifel, dass Handwerksmeister umfassende BWL-Kenntnisse heute gut brauchen können: "Die Betriebe sind größer geworden, der Wettbewerb härter. Wer erfolgreich einen Handwerksbetrieb leiten will, muss sich unter anderem mit Marketing auskennen und seine Preise sehr genau kalkulieren." Die Kölner Studenten stellen einen kompletten Businessplan auf. "Das wird an der Meisterschule viel kürzer behandelt."

Manche Teilnehmer schreiben die Bachelorarbeit über ein Thema aus ihrem Betrieb

Nach dem Kölner Vorbild sind schon drei weitere triale Studiengänge eingerichtet worden - vor zwei Jahren an der FHM in Hannover, vor einem Jahr an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach und zuletzt auf dem FHM-Campus in Schwerin. Sieben Teilnehmer hat der erste Jahrgang. Trotz der geringen Zahl werden einige Hoffnungen mit dem neuen Angebot verbunden. "Wir haben hier ja keine staatliche Hochschule. Das triale Studium ist auch ein Versuch, junge Leute in der Stadt zu halten", sagt Jakob Gelz von der Handwerkskammer Schwerin. Köln zählt in diesem Herbst circa 30 Studienanfänger, Hannover etwa 20 und Mönchengladbach 17. Mehr als 30 bis 40 Teilnehmer pro Jahr sind an den Hochschulen auch nicht vorgesehen - dafür ist die Zielgruppe der Abiturienten, die sich für Handwerk interessieren und das Arbeitspensum nicht scheuen, schlicht zu klein. Zudem kosten die trialen Studiengänge an der FHM circa 400 Euro pro Monat. An der staatlichen Hochschule Niederrhein fallen hingegen nur die Gebühren für die Meister-Weiterbildung an.

Etwa die Hälfte der Trialen kommt aus Meisterfamilien. Manche haben ein anderes Studium abgebrochen und sich dann doch entschieden, in den Familienbetrieb einzusteigen. Andere, wie die Bäckerstochter Milena Mordfeld aus dem niedersächsischen Barsinghausen, haben nie an ihrer Nachfolgerrolle gezweifelt und halten das triale Studium für den effektivsten Weg dorthin: "Wenn ich die Ausbildung, ein BWL-Studium und die Meisterschule nacheinander machen würde, würde das mindestens zwei Jahre länger dauern." Die 20-Jährige ist schon Gesellin, weil sie ihren Ausbildungsabschluss um ein ganzes Jahr vorgezogen hat. Mordfeld ist überzeugt, dass sich handwerklich arbeitende Bäcker gegen die industrielle Konkurrenz behaupten können - doch bräuchten sie dafür umfassendes betriebswirtschaftliches Wissen. "So viele handwerkliche Bäckereien sind untergegangen. Das lag nicht daran, dass die nicht backen konnten, es hat woanders gehapert!" Der Arbeitsalltag der jungen Bäckerin spielt sich meist zwischen 23 und sieben Uhr ab, montags und freitags hat sie vorher Onlinevorlesungen. Am Wochenende hat sie frei, damit sie zu den Präsenzveranstaltungen gehen kann, obwohl der Samstag in Bäckereien der wichtigste Arbeitstag ist. "Mein Betrieb hat sich darauf eingelassen, weil so dringend Azubis gesucht werden", erklärt Mordfeld.

In Branchen mit weniger Nachwuchsproblemen werden Kosten und Nutzen trial studierender Lehrlinge dagegen genau abgewogen. Das Kölner Modell, das nach der Gesellenprüfung ein Vollzeitstudium vorsieht, wurde in Hannover gerade abgeschafft, ab jetzt bleiben die Teilnehmer während der ganzen vier Jahre im Betrieb und studieren berufsbegleitend. Ihre Bachelorarbeit schreiben sie über ein Thema aus dem Betrieb. Die Studiengänge in Mönchengladbach und Schwerin waren von vornherein als reine Teilzeitmodelle geplant. "So lohnt sich die Ausbildung mehr für die Betriebe", erklärt Nadine Grün von der Handwerkskammer Hannover. Erst nach der Umstellung hat denn auch Martin Häger, Inhaber eines Autohauses in Hannover, seinem begabtesten Azubi ein triales Studium zum Kfz-Mechatroniker vorgeschlagen. "Vorher hätte ich das absolut nicht gemacht. Man läuft ja ohnehin Gefahr, dass ein Azubi, der nebenher studiert, nicht immer bei der Sache ist. Wenn er erst mal in Vollzeit studiert, sieht man ihn wahrscheinlich nie wieder!"

Eine Garantie, dass die Absolventen ihrem Ausbildungsbetrieb oder auch nur dem Handwerk treu bleiben, bietet freilich auch das triale Studium nicht. Martin Sodt arbeitet jetzt zwar im Betrieb seines Vaters, könnte sich aber vorstellen, Bauleiter zu werden oder eine kaufmännische Stelle anzunehmen: "Es gibt für mich unheimlich viele Möglichkeiten."

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