Trend:Gefährliche Teilzeit

Der Vollzeit-Job als Dinosaurier: Elf Millionen Deutschen arbeiten Teilzeit. Oft muss der Staat einspringen, weil das eigene Einkommen nicht zum Leben reicht.

Von Helga Einecke

Immer weniger Deutsche arbeiten die ganze Woche voll durch. Der Trend geht zu einer Beschäftigung auf Zeit, dazu zählen Teilzeit, Mini-Job bis 400 Euro im Monat oder befristete Verträge sowie Selbstständigkeit. Die Bundesbank geht diesem Wandel im deutschen Arbeitsleben seit Anfang der neunziger Jahre in ihrem Monatsbericht nach. Die Folgen sind für die ganze Volkswirtschaft ebenso einschneidend wie für jeden Einzelnen.

Trend: Früher Schluss: Innerhalb von 14 Jahren hat sich der Anteil der Teilzeitarbeiter verdoppelt

Früher Schluss: Innerhalb von 14 Jahren hat sich der Anteil der Teilzeitarbeiter verdoppelt

(Foto: Foto: dpa)

Das eigene Arbeitseinkommen reicht immer weniger Menschen als Hauptquelle für den Lebensunterhalt, was wegen der Zunahme der aus einer Person bestehenden Haushalte wichtig ist. Ergänzende Leistungen vom Staat durch Umverteilung gewinnen deshalb an Bedeutung.

Ernste Probleme deuten sich bei der Finanzierung der Sozialversicherung an. Die Bundesbank empfiehlt eine Abkoppelung der Sozialbeiträge von der Höhe der Einkommen, soweit die Abgaben keinen Bezug zum Leistungsanspruch haben und wie Steuern empfunden werden.

Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland blieb zwischen 1991 und 2004 mit 39 Millionen fast unverändert. Aber elf Millionen von ihnen arbeiten inzwischen in Teilzeit, doppelt so viele wie vor 14 Jahren. Unter ihnen ist mit 4,25 Millionen nicht einmal die Hälfte sozialversicherungspflichtig.

Teilzeitarbeit gilt traditionell als Domäne der Frauen, die Familie und Beruf miteinander verbinden müssen. Außerdem haben kürzere Arbeitszeiten in den neuen Bundesländern kräftig zugenommen. Dabei ist nach der Analyse der Bundesbank Teilzeitarbeit in Ostdeutschland wenig populär. Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen gaben dort an, sie arbeiteten nur deshalb weniger, weil eine Vollzeitbeschäftigung nicht zu finden sei. Dagegen wollen die meisten Frauen in den alten Bundesländern nicht länger arbeiten. Aus dieser unterschiedlichen Neigung heraus erkläre sich die Tatsache, dass Frauen im Osten im Wochendurchschnitt 20 bis 30 Stunden arbeiten, im Westen weniger als 20 Stunden.

Verkürzte Arbeitszeit wird vor allem in den Bereichen Gesundheit und Soziales sowie im Einzelhandel geboten und nachgefragt. Auch die öffentlichen Verwaltungen, Erzieher und Lehrer sowie Stelleninhaber rund um die Immobilie treten bei der Beschäftigung häufig kürzer.

Dagegen bieten Handel und Gastronomie, Gebäudereiniger oder Verlage ebenso wie die Bauwirtschaft zunehmend Mini-Jobs an. Darunter sind Monatsverdienste bis zu 400 Euro zu verstehen, bei denen der Arbeitnehmer keine Abgaben zahlen muss. Sie wurden als Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor geschaffen, um Arbeitslose einzugliedern und die Schwarzarbeit zurückzudrängen. 4,75 Millionen Erwerbstätige üben nach der Analyse der Bundesbank ausschließlich Mini-Jobs aus, hinzu kommen weitere 1,7 Millionen geringfügig Tätige im Nebenjob sowie 100.000 Beschäftigte in Privathaushalten. Ein Fünftel unter ihnen sind Rentner, Schüler und Studenten, die dies nach Schätzung der Bundesbank freiwillig tun. Der Frauenanteil in Höhe von zwei Dritteln deute auf eine Zuverdienstmöglichkeit wegen Kindererziehung und familiärer Verpflichtung hin. Aber etliche Mini-Jobber könnten eine reguläre Beschäftigung bevorzugen.

Die befristete Beschäftigung hat im Laufe des vergangenen Jahrzehnts kaum zugenommen. Sie betrifft mit 2,5 Millionen Verträgen aber in steigendem Maß Berufsanfänger und ungelernte Beschäftigte. Ältere Arbeitnehmer haben dagegen, anders als von der Politik gefordert und gefördert, kaum von befristeten Verträgen profitiert.

Leiharbeit spielt nach der Untersuchung nur eine untergeordnete Rolle, etwa um Auftragsspitzen abzudecken oder Arbeitsausfälle durch Betriebsstörungen oder Krankheiten aufzufangen. Jeder dritte Leiharbeiter finde nahtlos eine Beschäftigung außerhalb seiner Verleihfirma.

Politisch gewollt ist schließlich der Trend zur Selbstständigkeit. 4,25 Millionen Bundesbürger haben keinen Chef, mehr als die Hälfte von ihnen arbeitet allein. Die Bundesbank sieht einen engen Zusammenhang mit der Förderung der Ich-AGs sowie der neuen Handwerksordnung, welche traditionelle Berufe zulassungsfrei macht. Ob Ich-AGs nachhaltig sind, lässt sich nach Angaben der Bundesbank noch nicht überprüfen.

Untersuchungen zum Überbrückungsgeld und Zuschüssen zu Existenzgründungen zeigten jedoch, dass drei Jahre später noch 70 Prozent der Geförderten selbstständig waren. Dies entspreche in etwa der Überlebensrate von nicht geförderten Gründungen. Arbeitslosigkeit sei also kein Hindernis für unternehmerischen Erfolg, folgert die Bundesbank.

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