Teures Studium:Weg mit den Gebühren! Oder doch nicht?

Nach dem Scheitern von Schwarz-Grün in Hamburg werden die Studiengebühren in Frage gestellt. Nordrhein-Westfalen arbeitet weiter an der Abschaffung - und plötzlich fürchten die Unis um ihr Geld.

Johann Osel

Proteste und Randale mitten in London, brennende Parkbänke, Zusammenstöße mit der Polizei - in Großbritannien tobt derzeit der Zorn gegen eine drastische Anhebung der Studiengebühren. Bis zu 10.700 Euro pro Jahr sollen die Hochschulen künftig erheben dürfen. In Deutschland dagegen sind die breiten Bildungsproteste vom Herbst 2009 längst verstummt, auch die Debatte über Studiengebühren flaut ab.

Studiengebühren

Es ist zentrale Aufgabe des Staates, ein bestmögliches Bildungssystem zu schaffen - ohne Extra-Einnahmen aus dem studentischen Portemonnaie.

(Foto: dpa)

Freilich geht es hierzulande auch um Summen von in der Regel 500 Euro pro Semester. Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg verlangen derzeit von ihren Studenten Beiträge, die rot-grüne Minderheitsregierung in NRW plant die Abschaffung zum Wintersemester 2011/12. Doch nun bahnt sich in Hamburg eine Neuauflage der Streitfrage an - nach dem Scheitern des schwarz-grünen Senats an der Elbe.

Hamburgs Linke wird bei der nächsten Bürgerschaftssitzung am 15. Dezember einen Antrag stellen, die Beiträge (derzeit sind es 375 Euro im Semester, fällig jedoch erst nach dem Studium) schon zum Sommersemester 2011 zu kippen. Schließlich hätten SPD, Grüne (in Hamburg GAL) und Linke nun eine Mehrheit im Parlament, nachdem sich "die GAL von den Fesseln dieser Koalition befreit hat", heißt es zur Begründung der kurzfristigen Initiative. "Wir haben jetzt die Chance, die sozial ungerechten Studiengebühren per Gesetz abzuschaffen", sagt Linke-Fraktionschefin Dora Heyenn. SPD und Grüne sollten die Gelegenheit dieser Mehrheit nutzen, das Gesetz könne dann bereits am 19. Dezember in zweiter Lesung beschlossen werden.

Wahlkampftaktischer Schnellschuss

Doch offenbar hat man sich hier zu schnell Hoffnungen gemacht: Man sei grundsätzlich gegen Gebühren, der Linke-Antrag aber ein "wahlkampftaktischer" Schnellschuss, heißt es aus der SPD-Fraktion. Kurzum: Man will dem Antrag nicht zustimmen. Das hatte SPD-Spitzenkandidat, Olaf Scholz, bereits in einem Interview mit der taz als Richtung vorgegeben. "Dass die Studiengebühren junge Leute aus nicht begütertem Hause vom Studieren abhalten, halte ich für eine Tatsache", sagte Scholz. "Aber auch das müssen wir seriös finanzieren. Jetzt im Parlament Klamauk zu machen, ist nicht gut."

"Die Rektoren verharren in Ignoranz"

Die Ersatz-Finanzierung nach dem Wegfall von Studiengebühren bestimmt derzeit auch die Situation in NRW. 280 Millionen Euro im Jahr bekommen die Hochschulen dort aus studentischen Beiträgen - ein beträchtliches Element in den Uni-Etats (in Hamburg sind es jährlich gut 30 Millionen Euro). Deswegen hatte die SPD mit ihrer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bereits frühzeitig angekündigt, die im Wahlkampf versprochene Abschaffung an die Kompensation der Mittel aus dem Landeshaushalt zu koppeln - was erst Ende 2011 möglich sei. Die Linke, auf die Rot-Grün als Minderheitsregierung bei Gesetzen angewiesen ist, fordert dagegen nach wie vor ein sofortiges Ende der Gebühren.

Auf einer Expertenanhörung im NRW-Landtag prallten die Gegensätze kürzlich aneinander; und auch von Seiten der Hochschulrektoren an Rhein und Ruhr gab es überraschende Äußerungen. Diese waren zwar bisher auch nicht gerade als Freunde einer Abschaffung aufgefallen. Doch schien es so, dass sie das Gesetz billigen wollen, sofern ihnen der Ausfall der Mittel voll erstattet wird. "Die Abschaffung des Erfolgsmodells Studienbeiträge ist falsch", sagte Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund und Chefin der Landesrektorenkonferenz, Medienberichten zufolge bei der Anhörung. Man werde nach der Abschaffung die Qualität der Lehre nicht halten können.

Gebührengegner, die eine verspätete Abschaffung ohnehin nur zähneknirschend akzeptieren, sind entsetzt. "Die Rektoren haben nichts dazugelernt; sie verharren in Ignoranz und neoliberalem Elite-Denken", sagte Patrick Luzina, Sprecher der grünen Uni-Gruppen (Campusgrün). Der studentische Dachverband fzs sprach von einem "inakzeptablen Verhandlungspoker". Auch das Deutsche Studentenwerk (DSW) unterstützt Rot-Grün. Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde sagte: "Die Studiengebühren abzuschaffen und den Hochschulen über Ausgleichszahlungen Planungssicherheit zu geben, ist beides richtig."

Laut DSW-Sozialerhebung leiden vor allem Studenten aus ärmeren Familien an der Gebührenlast, sie müssen dafür oft zusätzlich jobben. Und wegen des Kostendrucks wohnen laut DSW in Nordrhein-Westfalen auch überdurchschnittlich viele Studenten noch im Elternhaus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: