Teamgeist:Nah am Leben

Die Hochschulen der SRH Holding führen ein neues didaktisches Konzept ein. Dabei spielen praktische Projekte in der Gruppe eine noch größere Rolle als bisher.

Von Miriam Hoffmeyer

Blubberblasen-Spiel, Fühlbox, Kuschelecke, Basteltisch: Etwa 20 junge Frauen bewegen sich durch eine dämmrig-heimelige "Unterwasserwelt". Sie nippen an Bechern mit Süß- und Salzwasser, basteln Fischschuppen und lassen sich in der "Müllecke" eine Geschichte über verdreckte Ozeane erzählen. Die fünf Studentinnen, die alles ausgedacht und aufgebaut haben, verteilen Strohhalme und Buntstifte und leiten Lernspiele: "Was glaubt ihr, wie tief im Meer lebt der Seestern?" Prüfungstag an der SRH Hochschule Heidelberg.

Mit den Spiel- und Lernstationen ihrer Unterwasserwelt beweisen die Studentinnen der Kindheitspädagogik auf ganz praktische Art, dass sie einen Raum für pädagogische Zwecke gestalten können. Der Arbeitsaufwand dafür ist nicht geringer als für die Vorbereitung einer Klausur. "Der Aufbau hat drei Stunden gedauert", sagt die Studentin Larissa Kotzschmar, "und natürlich mussten wir uns vorher ein paarmal treffen, wir hätten noch viel mehr Ideen gehabt!" Die brauchbarsten auszuwählen sei auch schon Teil der Prüfungsleistung, erklärt ihre Professorin Barbara Wolf: "Die Studentinnen müssen planen, sich einig werden - und dabei auch berücksichtigen, was ins Budget passt."

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An konkreten Fragestellungen im Team zu tüfteln ist charakteristisch für das Studienmodell der privaten SRH Hochschule in Heidelberg. Vorlesungen wurden weitgehend abgeschafft; wichtig sind Kreativität und Eigeninitiative.

(Foto: imago)

Praxisnahe Prüfungen gehören zum Studienmodell der privaten Hochschule, die ihre circa 40 Bachelor- und Masterstudiengänge vor fünf Jahren nach dem "Core-Prinzip" neu organisiert hat. Das modische Akronym, englisch "Kern", steht für "Competence Orientated Research and Education". Im Wesentlichen bedeutet es, dass das Studium ganz auf die Kompetenzen ausgerichtet ist, die Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern erwarten. An sich ist das nicht revolutionär. Fachhochschulen haben schon immer Wert auf Praxisnähe gelegt, und der Erwerb von Kompetenzen, die über reines Fachwissen hinausgehen, steht seit Jahren im Mittelpunkt bildungspolitischer Reformbemühungen. Die SRH Hochschule Heidelberg hat jedoch die ganze Struktur ihrer Studiengänge umgekrempelt. Vorlesungen wurden weitgehend abgeschafft, der Schwerpunkt auf eigenverantwortliches Lernen gelegt. Alle Studieninhalte sind in Fünfwochenmodule gegliedert. In dieser Zeit beschäftigen sich die Studenten nur mit einem einzigen Thema und lernen anhand einer konkreten Problemstellung. So müssen beispielsweise Architekturstudenten im Modul "BWL und Kostenrechnung" im Team erarbeiten, welches Haus sich ein konkreter Privathaushalt auf einem vorgegebenen Grundstück leisten kann. Der Architekturstudent David Deussen, der von einer staatlichen Fachhochschule hierher gewechselt ist, findet das System der Fünfwochenmodule gut, weil sich die Studenten ganz auf ein Thema konzentrieren und dieses dann auch gleich mit einer Prüfung abschließen können. "Allerdings ist es sehr arbeitsintensiv. Und in jedem Team gibt es auch Faulpelze, die man mitziehen muss."

In der echten Arbeitswelt ist das nicht anders. Trotzdem ist die Umstellung nach dem Core-Prinzip mit Problemen verbunden. Etliche Dozenten waren und sind skeptisch, ob die Hinwendung zu Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz der Studenten nicht auf Kosten der Fachkompetenz geht. Einige Kritiker haben die SRH Hochschule Heidelberg verlassen. Das sei eine unvermeidliche Begleiterscheinung von Veränderungsprozessen, meint die Psychologin und Professorin Julia Rózsa, die das neue Studienmodell gemeinsam mit dem früheren Rektor der Hochschule entwickelt hat. Es sei schwierig gewesen, ein Kompetenzmodell zu kreieren, in dem sich alle sechs Fakultäten - von Sozial- und Rechtswissenschaften bis zu Ingenieurwesen - wiederfinden konnten. Doch jetzt wird das Core-Prinzip nach und nach auf andere Hochschulen der SRH Holding übertragen. "Im herkömmlichen Studium gehen die Ziele, sich gut auf Prüfungen vorzubereiten und gleichzeitig sinnhaft zu lernen, nicht immer zusammen", findet Rózsa. Deshalb gibt es in Heidelberg 33 verschiedene Prüfungsformen: neben traditionellen Klausuren, mündlichen Prüfungen oder Hausarbeiten auch multimediale Präsentationen, Lerntagebücher, Fallstudien, Anamnesegespräche oder eben Raumgestaltung. Wer bei Julia Rózsa Wirtschaftspsychologie studiert, muss am Ende des Moduls "Personalauswahl" ein Einstellungsgespräch im Rollenspiel leiten.

Die Studenten schätzen die Arbeit in kleinen Gruppen und die persönliche Betreuung

Die SRH Hochschule Heidelberg wächst kontinuierlich, seit 2008 hat sich die Zahl der Studierenden auf mehr als 3100 verdoppelt, die von knapp 300 Dozenten betreut werden. Das Core-Prinzip ist ein Alleinstellungsmerkmal, das auch im Wettbewerb mit den zahlreichen renommierten staatlichen Hochschulen der Region helfen soll. Der Anstieg erklärt sich aber wohl in erster Linie durch die vielen neuen Studiengänge, die in den vergangenen Jahren ins Leben gerufen wurden. Einige davon, etwa Sozialrecht, gibt es nur an sehr wenigen deutschen Hochschulen. Überhaupt haben die Führungskräfte der SRH Holding, eine private gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Heidelberg, einen hervorragenden Instinkt für Trends: Im Zuge der Akademisierung von Therapieberufen wurden Studiengänge in Ergo- und Physiotherapie eingeführt. Der Neigung der Schulabgänger zu neuen Informatik- und Medienberufen kommt die Hochschule durch "Cross Media Design", "Game Development" oder "Virtuelle und Augmentierte Realitäten" entgegen. Sie bot schon vor vierzig Jahren das damals noch sehr junge Fach Informatik an. "Private Hochschulen haben den Vorteil, dass sie sehr schnell auf neue Entwicklungen reagieren können", erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin und Professorin Katja Rade. Seit April ist Rade Direktorin der SRH Hochschule Heidelberg

Bildungs- und Gesundheitskonzern

Die SRH Hochschule Heidelberg gehört zur SRH Holding - ursprünglich "Stiftung Rehabilitation Heidelberg" -, welche noch neun weitere Hochschulen, andere Bildungseinrichtungen sowie Krankenhäuser und Reha-Kliniken betreibt. Die Stiftung ging aus einem evangelischen Verein hervor, der von 1955 an körperbehinderte Menschen bei der gesundheitlichen und beruflichen Rehabilitation unterstützte. 1995 wurde die Stiftung aus einem Einzelunternehmen in einen Konzern umgewandelt. Im vergangenen Jahr kaufte die SRH Holding die defizitäre EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel und Wiesbaden, eine der ältesten privaten Wirtschaftshochschulen in Deutschland. Damit gehört dem Bildungs- und Gesundheitskonzern inzwischen auch eine Universität mit Promotions- und Habilitationsrecht. Miriam Hoffmeyer

Im neuen Hochhaus der Heidelberger Hochschule mit seinen kühlen Farben und großen Glasfronten sitzen an jeder Ecke Studentengrüppchen auf ergonomischen Stühlen beisammen, um zu lernen, gemeinsame Projekte vorzubereiten oder auch um ausgiebig auf Verabredungen mit den Dozenten zu warten. Die meisten Studenten sind sehr jung, stammen aus der Region und wohnen noch bei ihren Eltern, damit sie sich die Studiengebühren von ungefähr 600 Euro pro Monat leisten können. Viele von ihnen gehen einen Tag pro Woche jobben.

Aylin Bozkurt, angehende Wirtschaftsingenieurin im zweiten Studienjahr, arbeitet nebenher beim Konzern SAP. Sie hat sich vor allem wegen der kleinen Gruppen für ihre Hochschule entschieden: "Dadurch hat man die Möglichkeit, intensiv zu lernen. Und die Praxisnähe ist toll." Sie und ihre Kommilitonen haben nur zu bemängeln, dass "organisatorische Dinge ab und zu nicht so laufen". Aber das, meint Aylin, sei an anderen Hochschulen wohl nicht anders.

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