Taktieren im Job:Ohne Machtspiele keine Karriere

Der Kollege ist nett, ein echtes Arbeitstier - und wird trotzdem nicht befördert? Leistungen und Sozialkompetenz sind nicht alles. Wer Karriere machen will, muss strategisch vorgehen. Das Büro ist eine politische Bühne - wer nicht mitspielt, hat verloren.

Anne-Ev Ustorf

Wer sich richtig anstrengt, hat irgendwann Erfolg - das haben die meisten Menschen schon in der Kindheit gelernt. Schüler büffeln also für ihre Mathematiknote. Studenten schwitzen über ihrer Masterarbeit. Graduierte besuchen Kurse, die ihre Chancen verbessern sollen. Stets mit dem Ziel vor Augen, dass die Mühe eines Tages zum Erfolg führt.

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Ziehen wirklich alle an einem Strang? Oder haben Karrierewillige von Anfang an den eigenen Vorteil im Auge? Die Forschungsgruppe "Mikropolitik" an der Uni Hamburg hat herausgefunden, dass Arbeitnehmer vor allem dann erfolgreich sind, wenn sie ihren Job als "Arena für machtpolitische Spiele" betrachten.

(Foto: ddp)

Doch im Berufsleben geht diese Rechnung nicht immer auf. Trotz hervorragender Abschlüsse, trotz Praxiserfahrung und Weiterbildungen stagnieren viele Arbeitnehmer, bleiben stecken auf der Karriereleiter, obwohl sie gute Arbeit leisten und längst das Potential zur Führungskraft hätten. Denn oft liegt das Problem woanders. Es hapert am sogenannten mikropolitischen Verhalten. Also an den Strategien, die Arbeitnehmer anwenden müssen, um Ziele im Job zu verfolgen.

"Mikropolitisch handelt, wer durch die Nutzung anderer in organisationalen Ungewissheitszonen eigene Interessen verfolgt", schreibt Oswald Neuberger, Professor für Organisationspsychologie in München, in seinem Buch "Mikropolitik und Moral". Bewährteste mikropolitische Strategien sind etwa Lobbyismus, Netzwerken und Selbstdarstellung, aber auch gezielte Informationskontrolle, Anbiederei und Günstlingswirtschaft.

In fast jedem Unternehmen ist mikropolitisches Handeln an der Tagesordnung - und meist recht effektiv. Nach einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien kamen von 100 befragten österreichischen Führungskräften vor allem diejenigen in ihren Unternehmen voran, die gezielt mikropolitische Techniken einsetzten wie etwa die Bildung tragfähiger Koalitionen, das Ausüben psychologischen Drucks oder die Einschüchterung potentieller Konkurrenten.

Keine schöne Vorstellung, aber - nüchtern betrachtet - wohl die Realität. Der Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger erzählte jüngst in einem Interview, dass Karrieren oft sogar "beim Pinkeln" geplant würden: "Entscheidungen fallen ebenso durch Seilschaft, Treuebonus, Netzwerke, strategisches Platzieren von Vertrauten und Vitamin B wie durch Qualität", sagt der Top-Manager. "Zu behaupten, dass Qualität allein entscheidet, ist Hybris."

Daniela Rastetter, Professorin für Personal, Organisation und Gender Studies an der Universität Hamburg, rät deshalb jedem aufstiegswilligen Arbeitnehmer, sein Unternehmen oder seine Projektgruppe vorrangig als "Arena für politische Spiele" zu betrachten. "Es bringt nichts, die Augen vor der Mikropolitik zu verschließen. Viel besser ist es, sich dessen bewusst zu sein", sagt sie. "Denn der Gewinn der klassischen mikropolitischen Perspektive liegt darin, die eigene Verengung der Perspektive auf pure Leistung aufzulösen und genügend Energie zu behalten, um sich eine breitere Handlungspalette zu schaffen."

Frauen werden anders bewertet als Männer

Die Suche nach Interessenschnittmengen mit Kollegen, die gezielte Kontaktpflege zu Vorgesetzten, die Besetzung von Unsicherheitszonen im Unternehmen und eine kluge Selbstdarstellung gehörten zum A und O der Karriereplanung.

Mit einem solch machiavellistischen Ansatz haben viele Menschen allerdings Schwierigkeiten. Denn er zwingt den Einzelnen zur Auseinandersetzung mit der unangenehmen Frage, wie weit er zu gehen bereit wäre, um seine persönliche Macht auszubauen. Vor allem Frauen tun sich schwer damit. In einem Forschungsprojekt zum Thema "Mikropolitik und Aufstiegskompetenz von Frauen" an der Uni Hamburg befragten Rastetter und ihre Mitarbeiterinnen Doris Cornils und Anna Mucha 30 weibliche Nachwuchskräfte zu ihren machtpolitischen Handlungsfeldern und boten ihnen anschließend ein spezielles Coaching an. Sie stellten fest, dass auffällig viele der Befragten eine ablehnende Einstellung zur Macht an den Tag legten.

"Frauen halten sich selbst in mittleren Positionen, weil sie zu viel Wert auf Beziehungen legen", analysiert Rastetter. "Sie bleiben lieber ihren Kollegen gegenüber loyal als die eigenen Interessen zu verfolgen. Und dann wundern sie sich, wenn sie trotz guter Qualifikationen und hervorragender Soft Skills nicht aufsteigen. Wer weiterkommen will, muss diesen Altruismus ablegen; andere nehmen schließlich auch keine Rücksicht."

Statt also lediglich auf Fachkompetenz zu setzen, rät sie karriereorientierten Frauen, die Spielregeln im Unternehmen genauer zu beobachten, nützliche Allianzen zu schmieden und immer wieder Signale der Aufstiegsbereitschaft auszusenden. Männern fiele dies häufig leichter, da sie schon in ihrer kindlichen Sozialisierung mit Kampfspielen und Teamsport ein natürlicheres Verhältnis zu Rivalität und Wettstreit entwickelt hätten.

Doch selbst wenn Frauen dieselben Strategien wie machtbewusste Männer an den Tag legen, werden sie häufig anders bewertet als ihre männlichen Kollegen. "Unser Führungsbild ist nun mal männlich geprägt", erklärt Rastetter. "Da werden Frauen schnell auf ihre Emotionalität und ihr Geschlecht reduziert. Sind sie ambitioniert, gelten sie als hart oder zickig, sind sie eher ausgleichend, gelten sie als zu weich. Frauen dementsprechend abzuwerten, ist eher eine bewährte männliche Taktik."

Allerdings könnten auch viele Männer in machtpolitischer Hinsicht dazulernen. Denn auch ihnen gehe zuweilen jedes strategische Kalkül ab, längst nicht alle fühlten sich zum Taktierer geboren. "Es hängt stark von der Persönlichkeit ab, ob ein Mensch überhaupt bereit ist, in mikropolitischen Zusammenhängen zu denken", sagt Rastetter. "Vor allem Männer, die keine Lust auf das klassisch maskuline Führungsbild haben, lassen sich auf das Taktieren häufig nicht ein. Und bleiben dann beruflich stecken."

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