Studium im Priesterseminar:Warum viele Seminaristen nie geweiht werden

Die katholische Kirche hat große Nachwuchssorgen. Doch trotz Personalnot wird nicht jeder Bewerber genommen. Viele junge Männer finden nur über Umwege zum Priesterberuf - und springen in letzter Sekunde doch noch ab.

Ein 16 Quadratmeter großes Zimmer, viele Bücher, ein Schreibtisch mit Stuhl, ein Bett und einige persönliche Dinge - auf den ersten Blick eine typische Studentenbude, die Daniel Kretsch den Besuchern zeigt. Doch die Adresse des 26-Jährigen aus Gießen ist für einen Studenten eher ungewöhnlich: Das Bischöfliche Priesterseminar im ehemaligen Augustinerkloster in der Mainzer Altstadt.

Priesterweihe der Erdiözese Freiburg

Nicht jeder junge Mann, der ins Priesterseminar geht, wird auch geweiht.

"Ich habe vier Semester Theologie und Geschichte studiert, bevor ich mich nach einem Besuch in dem Wallfahrtsort Lourdes entschloss, Priester zu werden", erzählt Kretsch bei einem Rundgang durch die sanierten Räume des Priesterseminars. Nachdem die letzte Grunderneuerung schon mehr als vierzig Jahre zurückliegt, hat das Bistum nun 3,7 Millionen Euro investiert, um den historischen Bestand des mehr als 250 Jahren alten Klostergebäudes zu sichern.

Auch Tobias Heil aus Frankenthal fand erst auf Umwegen zum Priesterberuf. Der 25-Jährige studierte zunächst Wirtschaftsingenieurwesen, dann Physik und Theologie. "Doch ich fühlte mich von Gott dazu berufen, Priester zu werden", erzählt Heil.

Der Werdegang der beiden jungen Männer ist exemplarisch für viele ihrer Kommilitonen. "Seit einigen Jahren hat sich die Entscheidung, Priester zu werden, verlagert. Viele haben bereits ein anderes Studium angefangen, ehe sie zu uns kommen", sagt Regens Udo Bentz. Das habe durchaus Vorteile. Die Kandidaten seien heute "in ihrer Persönlichkeit ausgereifter", meint der Leiter des Priesterseminars. Deshalb sei auch die Abbrecherquote gesunken. Trotzdem wird nur etwa die Hälfte der Seminaristen zum Priester geweiht.

Derzeit wohnen 20 Kandidaten im Seminar, der jüngste ist 20, der älteste 44 Jahre alt. Das Zölibat sei ein wesentlicher Grund dafür, dass die Ausbildung abgebrochen wird. "Die Kandidaten lernen im Priesterseminar, zölibatär zu leben. Sie sollen sich voll bewusst sein, was das bedeutet. Das Zölibat ist kein Verzicht auf etwas, sondern für etwas, die Leidenschaft für Gott", erklärt Bentz.

Ein Rausschmiss kann viele Gründe haben

Wer eine Beziehung zu einer Frau eingehe und nicht bereit sei, diese Verbindung aufzugeben, müsse das Seminar verlassen. Schwierigkeiten im Studium und fehlende soziale Kompetenzen seien weitere Gründe.

Das Studium für das Priesteramt dauert zehn Semester. Etwa nach der Hälfte verlassen die Kandidaten das Seminar für ein Jahr, um zu erproben, was sie gelernt haben. "Nach dieser Zeit kommen die Seminaristen entschiedener zurück", sagt Bentz. Nach dem Studium folgt der zweijährige Pastoralkurs, die praktische Ausbildungsphase, und schließlich die Priesterweihe.

Auf dem Weg dahin hinterfragen viele Seminaristen den eingeschlagenen Pfad. Dies trifft auch für Kretsch und Heil zu. "Es gibt Phasen des Zweifels, etwa wenn es Stress im Studium oder mit Leuten im Seminar gibt", sagt Heil. "Richtige Zweifel gab es bei mir noch nicht, aber Bedenken, ob ich die vielen Aufgaben eines Pfarrers, den Spagat zwischen Seelsorge und Verwaltung, wirklich schaffe", ergänzt Kretsch.

Diese Sorge ist nicht unbegründet. Aufgrund des Priestermangels werden Pfarreien immer öfter zusammengelegt, die Arbeitsbelastung steigt. Die katholische Kirche braucht dringend Priester, die Zahl der Priesterweihen sank nach Angaben der Deutschen Regentenkonferenz bundesweit von 122 im Jahr 2001 auf 86 im vergangenen Jahr.

Dennoch nimmt Regens Bentz nicht jeden Interessierten auf. "Meine Aufgabe ist es, die geeignetsten Leute für die Priesterweihe zu finden. Schließlich muss ich dem Bischof die Kandidaten empfehlen." Von einer Aufhebung des Zölibats hält Bentz nichts. "Ohne Zölibat würde sich das Bild des Priesters verändern. Es würden sich vielleicht mehr, aber auch andere Kandidaten melden." Als Ursachen für den Priestermangel sieht er vor allem die Säkularisierung der Gesellschaft, den demografischen Wandel und die hohe Eigenverantwortlichkeit, die von einem Pfarrer erwartet werde. Zudem stelle sich eine "Imagefrage": "Die beste Werbung für den Priesterberuf sind gute Priester, die als Vorbilder dienen."

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