Studieren im Ausland:Stipendien-Nepp am Schwarzen Brett

Vorsicht, das kostet: Das Sprachinstitut Erasmusplus ködert Studenten mit angeblichen Stipendien. Wie der Etikettenschwindel funktioniert.

Marius Meyer

Stipendien sind eine tolle Sache: Eine Organisation unterstützt einen Studenten, der begabt aber nicht begütert ist, so dass der sich auf sein Studium konzentrieren und möglicherweise sogar ins Ausland gehen kann. Besonders beliebt sind die Erasmus-Stipendien der Europäischen Union, die Auslandsaufenthalte in europäischen Ländern unterstützen. Das Programm besteht seit 20 Jahren, rund 240.000 Studenten nutzten bisher diese Möglichkeit, jenseits der Grenzen zu studieren.

Studieren im Ausland: "Stipendien und finanzielle Unterstützung für alle Studenten", verspricht Erasmusplus auf einem Aushang an der Uni Münster.

"Stipendien und finanzielle Unterstützung für alle Studenten", verspricht Erasmusplus auf einem Aushang an der Uni Münster.

(Foto: Foto: Marius Meyer)

Ein Erfolg, von dem offenbar auch andere profitieren wollen. An mindestens sechs deutschen Hochschulen finden sich derzeit Poster und Flugblätter, die für Erasmusplus werben. Dabei soll es sich um ein Stipendium für einen Spanischsprachkurs in Granada handeln. Neben dem Kurs würden auch Flüge, Miete und Eintrittsgelder bezuschusst, so die Reklame. Sie verspricht dem Interessenten bis zu 3150 Euro.

Und das Tollste: Laut Flugblatt ist Erasmusplus nicht einmal auf Studenten beschränkt, es gibt auch keine Altersgrenze. Aufnahmetests: Fehlanzeige. Offenbar kann jeder Dank der finanziellen Förderung im Schatten der Alhambra Spanisch pauken, vier bis sechs Stunden täglich.

Ein Interessent muss nur zuerst 100 Euro überweisen.

Geschmückt werden die Werbematerialien von einem Logo, dass von den goldenen Sternen der Europaflagge umrahmt ist und an das CE-Logo (CE steht für: Communauté Européenne) erinnert, mit dem im europäischen Binnenmarkt sichere Produkte gekennzeichnet werden.

Bettina Morhard, Referatsleiterin beim Deutschen Akademischen Austauschdienst, der als nationale Erasmus-Agentur fungiert, betont, dass Erasmusplus nichts mit dem Programm der EU zu tun hat. An diesem wären nur die EU-Kommission, die nationalen Erasmus-Agenturen und zertifizierte Hochschulen beteiligt. Außerdem müssten Studenten nicht finanziell in Vorleistung gehen, um Erasmus-Stipendien zu erhalten.

Stipendien nur für zahlende Kunden

Bjørn Malkmus-Hussein, Erasmus-Hochschulkoordinator der Uni Mainz, erklärt sueddeutsche.de, dass es sich bei Erasmusplus um eine Schule handele, die an ihre eigenen zahlenden Kursteilnehmer "Stipendien" vergebe. Die würden aber nicht, wie man das erwarten würden, bar ausgezahlt. Stattdessen werden sie auf die Kursgebühren und die Miete für die von der Schule vermittelten Unterkünfte angerechnet.

Stipendien-Nepp am Schwarzen Brett

Das heißt: Erasmusplus bietet gar kein Stipendium, sondern einen gewöhnlichen Rabatt. Dies räumt Manuel Matas, der angibt Erasmusplus "zu koordinieren", auf Nachfrage auch ein - wenn auch mit anderen Worten: "Die Stipendien sind einfach eine Möglichkeit, weniger zu zahlen." Das heißt: Für einen einwöchigen Standardkurs, der 20 Stunden umfasst, zahlt man 148 Euro statt 198 Euro, für den 30-stündigen Intensivkurs 192 statt 267 Euro.

Vergeben wird das "Stipendium" laut Matas von einer eigenständigen und gemeinnützigen Organisation, die Centro Español Erasmusplus heißt. Zumindest die Eigenständigkeit bleibt aber fragwürdig, denn nach Matas' Angaben arbeitet Erasmusplus nur mit einer Sprachschule zusammen. Diese wiederum nähme fast nur Erasmusplus-Studenten auf.

Matas sagt, er selbst sei dort Lehrer. Der Direktor der Schule hat die Internetadresse erasmusplus.com registrieren lassen, die allerdings keine weitergehenden Informationen zu dem angeblichen Stipendium oder zu der Sprachschule bietet. Sie wiederholt lediglich die Stipendienwerbung und bietet ein E-Mail-Kontaktformular, außerdem wird eine Telefonnummer genannt mit dem Versprechen: "Wir werden dir auf Deutsch antworten".

Als Matas von sueddeutsche.de nach der Schule gefragt wird, will er das Gespräch abbrechen - er sei eh nicht an einer Berichterstattung interessiert. Den Namen der Schule möchte er nicht im Zusammenhang mit Erasmusplus veröffentlicht sehen. Nach Angaben des Büros für internationale Beziehungen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Erlangen-Nürnberg handelt es sich um das Instituto Español de Granada.

Urkunde bei Anzahlung

Die Benutzung der Begriffe "Stipendium" und "Erasmus" legen den Verdacht nahe, dass es sich bei Erasmusplus um einen bewussten Etikettenschwindel handelt, der mögliche Interessenten hinters Licht führen soll. Eleni Adrianopulu von der Fachschaft Romanistik an der Uni Leipzig sagt, dass schon mehrere Studenten die Plakate gesehen und gedacht hätten, dass es sich um ein erweitertes Angebot des offiziellen Erasmus-Programmes handele.

Zu diesem Vorwurf äußert Matas sich nicht, weder auf telefonische noch auf schriftliche Anfrage. Gleichgültig lässt die Kritik ihn aber nicht. Er kündigte rechtliche Schritte gegen einen deutschen Uni-Mitarbeiter an, der im Internet vor Erasmusplus gewarnt hatte.

Dass Interessenten, die den Rabatt nutzen wollen, zuerst 100 Euro überweisen sollen, hält Matas für eine gute Idee. Die Summe diene lediglich dazu festzustellen, "dass der Student es ernst meint" und nicht wieder abspringt. Wer das Geld überweise, bekomme sofort eine Urkunde, die bezeuge, dass man das "Stipendium" jederzeit in Anspruch nehmen könne.

Nur eines sollte man dann nicht mehr: es sich anders überlegen. Zurückerstattet wird die Anzahlung nämlich nicht.

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