Studiengebühren:Schritt für Schritt in alte Schlachten

SPD, Grüne und die Linken befürchten, dass Gebühren vor allem Kinder aus ärmeren Familien treffen würden. Die Union verweist dagegen auf günstige Darlehen.

Tanjev Schultz

Berlin war bei Studenten schon immer beliebt. Dafür gibt es viele Gründe, die nicht ausschließlich mit der Qualität der Hochschulen zusammenhängen. Die Größe und Wildheit der Stadt finden Studenten faszinierend. Und als die DDR noch existierte, immatrikulierten sich langhaarige West-Abiturienten auch deshalb an der Freien Universität Berlin, weil sie so dem Wehrdienst ausweichen konnten. Dieser Grund ist weggefallen, dafür gibt es einen neuen: die Studiengebühren. In den meisten westdeutschen Flächenländern sind mittlerweile bis zu 500 Euro pro Semester fällig, im rot-rot regierten Berlin dagegen ist das Studium weiterhin gebührenfrei.

FU Berlin, dpa

FU Berlin: In der rot-rot regierten Hauptstadt ist das Studium weiterhin gebührenfrei.

(Foto: Foto: dpa)

Gebührenflucht

Weil die Hochschulpolitik Sache der Bundesländer ist, gibt es keine bundesweit einheitlichen Regeln. Gebührenflüchtlinge finden derzeit nicht nur in Berlin, sondern auch in Bremen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und in den ostdeutschen Ländern Unterschlupf. Die Universität Kiel beispielsweise berichtete im vergangenen Jahr, die Zahl ihrer Studienanfänger, die aus Gebührenländern kamen, habe sich fast verdoppelt. Es ist aber umstritten, ob die Gebührenflucht eine dauerhafte und alle Hochschulen erfassende Bewegung ist.

Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass sich im vergangenen Jahr überdurchschnittlich viele Studienanfänger dort immatrikulierten, wo es keine Gebühren gibt. Doch das Bild ist nicht eindeutig. So gab es in Niedersachsen ebenfalls einen deutlichen Zuwachs, obwohl die Regierung von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) bereits seit dem Herbst 2006 von Erstsemestern 500 Euro im Semester verlangt. Die Motive bei der Wahl des Studienorts sind meist vielschichtig; zudem müssen Bewerber den Numerus clausus beachten, der den Zugang zur Uni vielerorts einschränkt.

Bisher fehlen auch eindeutige Daten über die Folgen der Gebühren für die Zusammensetzung der Studentenschaft. Die Gebührengegner der SPD, der Grünen und der Linken befürchten, dass Kinder aus ärmeren Familien immer seltener ein Studium wagen. Die Union verweist dagegen auf zinsgünstige Darlehen, die sicherstellen würden, dass sich jeder ein Studium leisten könne.

Sinkende Studierquote

So sagt Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU), die Einführung der Gebühren sei "sozial verträglich angelaufen". Er stützt sich auf den vorige Woche publizierten Bericht eines Kontrollrats, dem 17 Vertreter von Hochschulen, Studenten, Kirchen und Studentenwerken angehören. Das unabhängige Gremium soll die Effekte der Studiengebühren untersuchen. Sein erster Bericht betont, es sei noch zu früh, die Auswirkungen zu beurteilen.

Im Gegensatz zu Minister Frankenberg sieht er aber durchaus problematische Tendenzen: In Baden-Württemberg würden sich immer weniger Abiturienten, deren Eltern keine Akademiker sind, für ein Studium entscheiden. Zwischen 2004 und 2006 sei ihre Studierquote von 62 auf 50 Prozent gesunken, während sie bei Kindern von Akademikern stabil blieb (um 75 Prozent). Dass dies an der - damals bevorstehenden - Einführung von Studiengebühren liegt, lässt sich allerdings nicht belegen.

Auf der nächsten Seite: Nur die wenigsten Studenten sind bereit, ein Darlehen aufzunehmen und sich zu verschulden.

Schritt für Schritt in alte Schlachten

Hamburger Modell

Sicher dagegen ist, dass die wenigsten Studenten bereit sind, ein Darlehen aufzunehmen und sich zu verschulden. In Baden-Württemberg vergab die landeseigene L-Bank in diesem Sommersemester gerade einmal 5000 Kredite - dies entspricht etwa 2,5 Prozent der gebührenpflichtigen Studenten.

In Hamburg plant die schwarz-grüne Koalition derweil ein ganz neues Modell. Sie will die Gebühren von 500 auf 375 Euro im Semester reduzieren und erst nach Ende des Studiums kassieren, wenn die Absolventen genügend Geld verdienen. Zinsen für Darlehen entfielen; außerdem würden viele Eltern entlastet werden, die bisher bei den Studiengebühren einspringen.

Schritt für Schritt in alte Schlachten

Das Hamburger Modell kann den Grünen helfen, langfristig auch in anderen Bundesländern den Weg für Bündnisse mit der Union zu bereiten. Die SPD hingegen (die mit Peter Glotz einmal einen großen Befürworter von Gebühren in ihren Reihen hatte) beharrt auf ihrem strikten Nein zu Studiengebühren. In Hessen will sie demonstrieren, wie ernst es ihr damit ist.

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