Studiengebühren:Neureich, aber ratlos

Mittlerweile sind 70 Prozent der Studenten in Deutschland Gebührenzahler. Es versteht sich von selbst, dass sie wissen wollen, wo ihr Geld bleibt. In vielen Fällen ist es fragwürdig angelegt.

Birgit Taffertshofer

Am liebsten wäre Franz Bozsak, die Studiengebühren würden wieder abgeschafft - deutschlandweit. Doch der 24 Jahre alte Luft- und Raumfahrttechnikstudent aus Stuttgart ist Pragmatiker und weiß, dass das derzeit unrealistisch ist. Deshalb will er sich zumindest dagegen wehren, dass das Geld der Studenten für unnütze Anschaffungen verbraten wird. Zusammen mit 20 Mitstreitern hat Bozsak in Anlehnung an den Bund der Steuerzahler kürzlich den "Bund der Studiengebührenzahler" gegründet. Wie das prominente Vorbild plant Bozsak ein Schwarzbuch, in dem die Verschwendung der Studiengebühren exakt aufgelistet - und notfalls auch angeprangert wird. Dass diese Notwendigkeit durchaus bestehen könnte, glaubt nicht nur Bozsak. Die Mehrzahl der Studierenden ist äußerst unzufrieden, wie die Unis bisher ihre Gebühren verwendet haben.

Studiengebühren, ddp

500 Euro pro Semester: So viel müssen viele Studenten an Gebühren zahlen. Doch viele Unis wissen nicht, wohin mit dem Geld.

(Foto: Foto: ddp)

Derzeit müssen in den von der Union regierten Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland die Studierenden Gebühren bezahlen. Sukzessive seit Herbst 2006 verlangen die Hochschulen bis zu 500 Euro pro Semester. Der Osten und die Länder, in denen die SPD an der Regierung beteiligt ist, sind gebührenfreie Zone. Trotzdem sind fast 70 Prozent der deutschen Studenten Gebührenzahler. Mehr als 160 Universitäten und Fachhochschulen bekommen einen zusätzlichen Geldsegen von fast einer Milliarde Euro. Die einzige Vorgabe ist, dass das Geld nur für die Verbesserung von Lehre und Studium zu verwenden ist. Doch viele Unis machen mit dem Geld der Studenten offenbar, was ihnen gerade einfällt.

Keine Verbesserung

"Die Unzufriedenheit der Studenten mit den Gebühren und ihrer Verwendung ist riesig", sagt Markus Voeth, Studienleiter einer Untersuchung der Uni Hohenheim. Seine Mitarbeiter hatten mehr als 6100 Studenten an 54 Universitäten in ganz Deutschland befragt. Zwar erfüllt die Umfrage nicht die Anforderungen an eine repräsentative Studie, doch laut dem Marketing-Professor sei das zentrale Ergebnis nicht wegzudiskutieren: Fast drei Viertel der Befragten sahen bei der "Gebührenkompass-Studie" keine Verbesserung der Situation an den Hochschulen seit Einführung des Bezahlstudiums. Die Verwendung ihres Geldes beurteilten sie auf einer Notenskala von eins bis sechs im Schnitt mit einer 4,55 und damit deutlich schlechter als im Vorjahr.

Die Wissenschaftsminister stellen sich selbst freilich sehr viel bessere Zeugnisse aus - oder sie besorgen sie sich bei den Hochschulrektoren. Bisher floss das Geld der Studenten vor allem in zusätzliches Lehrpersonal und Tutorien, um ein Lernen in kleineren Gruppen zu ermöglichen. Die Hochschulen erweiterten ihr Bibliotheksangebot sowie die Studienberatung, heißt es offiziell. Außerdem wurden vielerorts die IT-Infrastruktur, die Hörsaalausstattung und das Angebot an Fachsprachkursen ausgebaut. Für die Verwaltung werden nach den Berichten zwischen drei und sechs Prozent der Gesamteinnahmen verwendet. Die unterfinanzierten Hochschulen bräuchten die Campus-Maut dringend, beteuern Politiker und Rektoren.

Geld-Zurück-Initiative

Doch inzwischen mehren sich Meldungen über kuriose Investitionen und gehortetes Geld. So häuften sich an manchen Universitäten gleich mehrere Millionen auf den Konten der Fachbereiche. In den Kapitalstock kam oft erst Bewegung, wenn die Universitätsleitung mit dem Rückruf des Geldes drohte. Zuletzt legte an der Uni Saarbrücken ein Hochschullehrer gemeinsam mit Studentenvertretern ein Veto ein: Da ihnen nichts einfällt, wofür sie das Geld sinnvoll ausgeben könnten, reichten sie einen Antrag ein, den Überschuss wieder zurückzuzahlen. Immerhin brächte die Geld-Zurück-Initiative jedem Studenten dieses Fachbereichs 100 Euro.

Solche Nachrichten zwingen auch die Politik zu Reaktionen. Nach Berichten über angehäufte Einnahmen an der Uni Köln mahnte der nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), die Hochschulen sollten die Gebühren notfalls senken. Dem kommen einige mittlerweile nach: Mitte Juli reduzierte der Senat der Bochumer Ruhr-Universität die Gebühren von 500 auf 480 Euro. Das "Aktionsbündnis gegen Studiengebühren" feiert dies bereits als Teilerfolg auf dem Weg zurück zur Gebührenfreiheit. Nicht zuletzt befeuern auch die Entwicklungen in Hessen die Diskussion neu. Dort schaffte die neue linke Landtagsmehrheit kürzlich die Gebühren wieder komplett ab.

Auf der nächsten Seite: Wo Unis mit dem Geld der Studenten Imagebroschüren erstellen, Designer-Papierkörbe kaufen oder Sportgeräte anschaffen.

Neureich, aber ratlos

Beamer im Hörsaal

Dass dem Beispiel andere Bundesländer folgen, daran glauben aber nur wenige. Viele Studenten setzen sich stattdessen, wie Franz Bozsak, für den sinnvollen Einsatz ihres Geldes ein. Als sinnvoll gilt den meisten all das, was den Hochschulalltag erleichtert: vom Beamer im Hörsaal bis zur besseren Betreuung, von zusätzlichen Veranstaltungen bis zu längeren Öffnungszeiten in den Bibliotheken. Zweifel kommen allerdings auf, wenn Unis mit dem Geld der Studenten Imagebroschüren erstellen, Designer-Papierkörbe kaufen oder Sportgeräte anschaffen.

Mittlerweile müssen die meisten Hochschulen zwar Rechenschaft über ihre Ausgaben ablegen, aber das beendet den Streit keineswegs. Studentenvertreter klagen über undetaillierte Angaben und zu wenig Transparenz, auch wenn es inzwischen viele Hochschulen gibt, die sich um Offenheit bemühen.

Studenten in der Minderheit

Ernsthaft mitbestimmen, wohin das Geld fließt, dürfen Studenten aber fast nirgendwo. Zwar sitzen an den meisten Universitäten bereits heute Studierende in den Kommissionen, die über die Verwendung der Gebühren entscheiden, doch sind sie dort oft in der Minderheit.

Gebührenexperten wie Ulrich Müller vom wirtschaftsliberalen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das sich für die Einführung von Gebühren eingesetzt hat, empfehlen, dass der Einfluss der Studierenden auf die Verwendung ihrer Gebühren stärker werden sollte. Nur so könne man mehr Akzeptanz und Vertrauen unter den Studenten schaffen. Die Hochschulen müssten erst noch ein Gesamtkonzept für die Verwendung der Studiengebühren entwickeln. Bis dahin werden Franz Bozsak und seine Mitstreiter aber wohl noch viel Arbeit haben.

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