Studienabbruch:Akademiker im zweiten Anlauf

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Viele verschiedene praktische Tätigkeiten gehören zum "Fast-Track-Programm", in das die Teilnehmer zuvor erbrachte Hochschulleistungen einbringen.

(Foto: Westend61/imago)

In Bayern gibt es für Studienabbrecher der Mint-Fächer ein spezielles Programm.

Von Christine Demmer

Adrian Kuske wurde drei Mal exmatrikuliert. "Ich habe öfter die Unis und Studiengänge gewechselt", erzählt der 32-Jährige, "zuletzt habe ich Maschinenbau studiert und wurde im sechsten Semester exmatrikuliert. Das war ein großer Rückschlag. Aber es musste weitergehen. Das stand für mich außer Frage."

Der Löwenanteil der Abiturienten entscheidet sich nach der allgemeinen Hochschulreife für ein Studium. Damit klappt es allerdings bei Weitem nicht immer: Wie Kuske verlassen 29 Prozent aller Bachelorstudenten die Hochschule ohne Abschluss. An Universitäten liegt die Quote bei 32 Prozent, an Fachhochschulen bei 27 Prozent. Das belegt eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) aus dem vorigen Jahr. Sie zeigt auch, dass die meisten Studienabbrecher ein halbes Jahr später noch nicht wissen, was sie tun sollen. Außer einer eventuell verkürzten Berufsausbildung gibt es für sie wenige Perspektiven. Insbesondere bei Ingenieuren liegt die Abbrecherquote bei 32 Prozent. Wer direkt in einen Job geht, bleibt womöglich zeitlebens "ungelernt". Und das ist schade, denn die Wirtschaft braucht technisch begabte Arbeitskräfte.

Aus dieser Überlegung heraus gestaltete der bundesweit tätige Eckert-Schulverbund mit Sitz nahe Regensburg das "Fast Track-Programm" für Studienabbrecher aus den Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Im ersten Jahr werden sie in Theorie und Praxis am Campus in Regenstauf auf die staatliche Prüfung zum Industrietechnologen vorbereitet. "Die Ausbildung ist kürzer als normal, weil wir bestandene Hochschulprüfungen anerkennen", sagt Andrea Radlbeck, Marketingleiterin bei den Eckert-Schulen. Sechs mit welcher Note auch immer bestandene Klausuren genügen für die Zulassung zum "Fast Track". Schnell geht es wirklich, denn nach 18 Monaten und einer weiteren berufsbegleitenden Ausbildung zum Staatlich geprüften Techniker sind die einstigen Studienabbrecher auf Bachelor-Niveau angekommen.

Adrian Kuske konnte die verlangten 30 ETCS-Punkte aus dem Studium vorweisen und zog das anspruchsvolle Lernprogramm eisern durch. Zwei hochwertige Berufsabschlüsse und den Bachelor in nur zweieinhalb Jahren - die Aussicht darauf hatte den Mann aus Sachsen-Anhalt zum Umstieg auf den bayerischen Schnellzug motiviert. Wie seine 21 Mitschüler lebte und lernte er ein Jahr auf dem weiträumigen Schulgelände.

Dort gibt es eine Mensa sowie 1400 Apartments, die zwischen 300 und 400 Euro im Monat kosten. Nach einem dreiwöchigen Vorpraktikum in der Mechanischen Werkstatt am Campus in Regenstauf - Bohren, Drehen, Fräsen standen auf dem Programm, was Kuske schon aus Neben- und Ferienjobs kannte - begann die Ausbildung zum Industrietechnologen. "Der größte Unterschied zum Uni-Studium war für mich die Art des Unterrichts", sagt Kuske. Er lobt die kleinen Klassen und die Nähe zu den Dozenten. "Als Industrietechnologe arbeitet man den Ingenieuren zu. Fächer wie Messtechnik, Steuerungstechnik oder Regelungstechnik haben uns inhaltlich darauf vorbereitet."

Im ersten Jahr finanzieren die Teilnehmer das Programm allein. Die Ausbildung zum Industrietechnologen kostet knapp 6000 Euro, die nachfolgende Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker 6500 Euro. "Davon abziehen muss man den Verdienst ab dem dritten Semester", rechnet Andrea Radlbeck vor, "das sind etwa 2000 bis 2200 Euro brutto. Außerdem haben die Teilnehmer von Anfang an Anspruch auf Aufstiegs-Bafög." Das deckt bis zu 40 Prozent der Kosten. Die restlichen 60 Prozent lassen sich über ein staatliches Darlehen finanzieren, wovon nach Bestehen der Abschlussprüfung wiederum 40 Prozent erlassen werden.

Über das Fast-Track-Programm ist Adrian Kuske endlich doch zu seinem Bachelor und zu einem Arbeitgeber gekommen. Die Ausbildung zum Techniker absolvierte er bei einem Automobilzulieferer in Bayern. "Der Industriepartner kann überall in Deutschland sitzen", sagt Radlbeck, "im ganzen Land haben wir 50 Studienzentren." Adrian Kuske betont zwar, dass es ohne Eigeninitiative nicht gehe, aber er lobt die Unterstützung der Schule bei der Arbeitgebersuche. Vom Bewerbungstraining über einen Lebenslauf-Check bis hin zum gemeinsamen Besuch von Karrieremessen haben Schule und Dozenten alles unternommen, um den ersten Jahrgang unterzubringen. Das sei auch gelungen, sagt die Mitarbeiterin der Eckert-Schulen.

Trotzdem fand der zweite Kurs mangels Bewerbern nicht statt. "Studienabbrecher sind schwer zu erreichen", nennt Radlböck einen Grund dafür. "Die verschwinden einfach, ob in Ausbildung oder Job, wir wissen es nicht." Zudem können Interessenten oft die geforderte Vorleistung aus dem Studium nicht beibringen. "Wir machen das seit zwei Jahren", sagt sie. "Aber wir tun uns schwer, die Kurse zu starten." Der für diesen Januar geplante neue Kurs wurde gestrichen, da die Teilnehmerzahl nicht ausreichte. Nun hofft man auf den August, dann soll das nächste Programm starten. "Wenn das nicht klappt, müssen wir sehen, ob wir das Angebot noch aufrechterhalten können", sagt Radlbeck. Es wäre schade um ein gutes Konzept.

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