Studie zu Migration:Die Mär vom Inder

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"Computer-Inder" sollten einst mit Hilfe einer Green Card die deutsche IT-Branche stärken. Die meisten hochqualifizierten Zuwanderer kamen allerdings aus anderen Ländern.

Roland Preuß

Der hochqualifizierte Zuwanderer, vor allem der IT-Fachmann, kommt aus Indien. Dieses Image hat sich festgesetzt, seit der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000 die Green Card einführte, für den Wettbewerb um die weltweit besten Köpfe, wie er sagte. Zeitungen berichteten damals über die Ankunft der ersten "Computer-Inder" in deutschen Städten, und der CDU-Politiker Jürgen Rüttgers forderte "Kinder statt Inder".

Tatsächlich sieht die gewöhnliche Spitzenkraft aus dem Ausland aber ganz anders aus: Sie stammt aus den USA oder Russland und meistens ist sie nicht eigens eingewandert, sondern war schon vorher da. Dies geht aus einer Studie hervor, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge jetzt vorgelegt hat.

Die Forscher der Behörde hatten einen langen Fragebogen an fast 1000 Migranten geschickt, die als Wissenschaftler, Professoren oder Gutverdiener (Mindestgehalt 86.000 Euro) besondere Vergünstigungen genießen; sie erhalten etwa von Anfang an das Recht, auf Dauer im Land zu bleiben und dürfen ihre Familie automatisch mitbringen. Mehr als ein Drittel dieser Fachkräfte sind Amerikaner (20,1 Prozent) oder Russen (16,8), die Inder kommen weit abgeschlagen nur auf 4,7 Prozent. Hinzu kommt: Nur 15 Prozent der Hochqualifizierten sind nach dieser Regelung eingewandert, der große Rest hat schon vorher mit einem befristeten Aufenthaltsrecht in Deutschland gelebt.

Die Praxis sieht anders aus

Nun muss es nicht schlecht sein, die begehrten Fachkräfte auf diese Art zu halten - gedacht war das Gesetz von 2005 aber anders: Mit dem entsprechenden Paragraphen sollten Unternehmer und Universitätswerber durch die Welt tingeln und Spitzenkräfte einsammeln. In der Praxis aber kommen sie zunächst als Studenten oder anderweitige Fachkräfte - und bleiben dann als Hochqualifizierte.

Die Umfrage offenbart zudem unter den Spitzenkräften eine Klassengesellschaft. Während US-Amerikaner, Kanadier und Japaner meist ein Jahresbrutto von mehr als 100.000 Euro verbuchen, werden Russen, Ukrainer, Chinesen und Rumänen - viele von ihnen Techniker und Wissenschaftler - in der Regel mit viel geringeren Summen abgespeist. Bleiben wollen sie trotzdem: Mehr als 70 Prozent zeigten sich mit dem Leben in Deutschland sehr zufrieden, zwei Drittel haben schon nach wenigen Jahren entschieden, sich "langfristig" oder "für immer" hier niederlassen zu wollen.

Die Wandertruppe der Globalisierung

Das ist deshalb bemerkenswert, weil Hochqualifizierte gerne als die Wandertruppe der Globalisierung gelten, die spätestens alle paar Jahre zum besseren Job ins nächste Land wechselt. Am beliebtesten ist Bayern, wo gut ein Viertel aller Spitzenkräfte leben, gefolgt von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen. Nur Nordamerikaner - viele unter ihnen sind Manager - schlagen meist keine Wurzeln, sie wollen zu 80 Prozent bald wieder weg.

Auf seinem Fragebogen ließ das Bundesamt noch Platz für Anmerkungen, die zahlreiche Fachkräfte für Kommentare über Deutschland nutzten. Viele lobten Toleranz, Aufstiegsmöglichkeiten und den inneren Frieden. Ein Graus war vielen Zuwanderern dagegen die lange Behördenprozedur, bis sie als Hochqualifizierte anerkannt wurden, im Einzelfall bezweifelten Ausländerbehörden sogar, dass jemand Professor ist. Dies mag erklären, warum bisher nur etwa 1500 dieser Hochqualifizierten in Deutschland leben. Viele von ihnen waren übrigens schon 2000 und 2001 per Green Card gekommen und hatten später beschlossen, länger hier zu bleiben.

© SZ vom 22.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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