Studentische Plagiate:Verheddert im Zitate-Dickicht

Studenten, die ihre Arbeiten fälschen, drohen mittlerweile drakonische Strafen. Immer wieder fliegen Betrüger auf - die manchmal nur ihren tricksenden Professoren nachgeeifert haben.

Abschreiben kann böse Folgen haben: Studenten, die es bei ihren wissenschaftlichen Arbeiten mit dem Nachweis von Quellen nicht so genau nehmen, müssen in Baden-Württemberg mit dem Rauswurf rechnen. Eine entsprechende Verschärfung des Hochschulrechts ist Anfang März in Kraft getreten. Auch in anderen Bundesländern wollen sich einzelne Universitäten ein solches Fehlverhalten nicht mehr gefallen lassen.

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"Copy und Paste"-Diplom: Wer abschreibt, fliegt oft auf.

(Foto: Screenshot: Wikipedia)

Doch macht ein einzelner abgeschriebener Satz ohne Fußnote einen Text gleich zu einem Plagiat? "Ja, auf jeden Fall", sagt Debora Weber-Wulff. Sie ist Informatik-Professorin an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und hat sich als "Plagiatsjägerin" einen Namen gemacht. "Die Studenten müssen verstehen, dass es beim wissenschaftlichen Arbeiten darum geht zu zeigen, dass man sich mit den Quellen auseinandergesetzt hat und dass man eigene Antworten geben muss." Dieses Verständnis sei aber allzu oft schlicht nicht (mehr) vorhanden, betont sie.

Zu perfekte Texte

Es sei ja nicht so, dass überhaupt nichts Fremdes verwendet werden solle. "Sobald aber etwas zitiert wird oder eine fremde Argumentation mit einfließt, muss das kenntlich gemacht werden, ohne Ausnahme", betont die gebürtige US-Amerikanerin, die sich seit 2001 mit dem Thema beschäftigt und immer wieder ins Staunen darüber kommt, welches Ausmaß Fälschungen im wissenschaftlichen Betrieb annehmen können.

Einmal habe ein Informatikstudent bei ihr einen Text auf Englisch eingereicht, der ihr "zu perfekt" vorkam. Bei einigen Nachforschungen stellte sich heraus, dass der Autor schlicht einen deutschen Text zu dem Thema gefunden und ihn per Übersetzungssoftware ins Englische gehievt hatte, wie sie erzählt. Aufgeflogen sei das Ganze wegen eines Verschreibers im deutschen Original, mit dem die Übersetzungsmaschine nichts anfangen konnte.

Wörtliche Übernahme

Die Software setzte das unbekannte Wort wie in solchen Fällen vorgesehen in Apostrophen, was die Professorin beim Lesen stutzig machte. Mit Hilfe von Google war der Originaltext rasch gefunden. Der Student kassierte eine 5,0.

Auch das Verwaltungsgericht Münster hatte sich jüngst mit dem Fall eines Fälschers zu befassen: Der angehende Betriebswirt hatte seine Diplomarbeit ebenfalls mit der Note "mangelhaft" zurückbekommen.

Der Prüfungsausschuss begründete seine Bewertung damit, dass eine spezielle Software bei einem Internet-Abgleich erkannt habe, einzelne Passagen seien wörtlich oder mit mangelhafter Quellenangabe aus dem Netz übernommen worden. Die Klage gegen diese Bewertung lehnten die Verwaltungsrichter ab.

Auf der nächsten Seite: Wie auch Fälschungen von Dozenten auffliegen und welcher Methoden sich die Universitäten bedienen, um Plagiatoren auf die Schliche zu kommen.

"Drei Wörter bei Google genügen"

Kein Kavaliersdelikt

Hochschülern in Nordrhein-Westfalen droht bei einer vorsätzlich gefälschten Prüfungsleistung eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro. Diese blieb dem BWL-Studenten zwar erspart, in seinem Fall kam es aber noch schlimmer: Da er schon eine Prüfung in den Sand gesetzt hatte, war für ihn nach dem zweiten Scheitern laut Prüfungsordnung die Laufbahn als Betriebswirt beendet.

Doch nicht nur bei Studierenden gibt es nach Ansicht von Plagiats-Jägerin Weber-Wulff schwarze Schafe. "Auch so manche Dozenten müssen vor ihrer Haustür kehren", betont die Professorin, die auch Sprecherin der Fachgruppe "Informatik und Ethik" der Gesellschaft für Informatik ist. Es komme immer vor, dass Arbeiten des Lehrstuhlpersonals als Elaborat des Professors ausgegeben würden.

Suche nach Wahrheit und Erkenntnis

Matthias Jaroch vom Deutschen Hochschulverband, der Standesvertretung der Professoren und des wissenschaftlichen Nachwuchses, sieht im Anfertigen eines Plagiats alles andere als ein Kavaliersdelikt. "Dies gilt insbesondere in der Wissenschaft, die der Suche nach Wahrheit und Erkenntnis verpflichtet ist", unterstreicht er und verweist auf eine im Juli 2002 vorgelegte Resolution seines Verbands.

Unter anderem sprechen sich die darin organisierten Professoren dafür aus, dass Universitätslehrer den Studierenden frühzeitig die Grundsätze wissenschaftlicher Arbeit vorzuleben und zu vermitteln haben. Generell liegen nach seinen Worten aber keine verlässlichen Zahlen darüber zu Plagiaten vor. Doch auch er ist der Ansicht, dass das Internet-Zeitalter einen entsprechenden Beitrag geleistet habe.

Über die Verschärfung ihrer Sanktionsmöglichkeiten sind Hochschulen in Baden-Württemberg erfreut: Bislang habe es neben der Wertung einer Arbeit als "nicht bestanden" keine Handhabe gegeben, heißt es von der Universität Heidelberg. "Diese haben wir nun - und zwar insbesondere auch für Fälle, in denen es nicht um eine Prüfungsleistung geht", betont die Hochschule. Allerdings halte sich die Zahl solcher Fälle doch in engen Grenzen.

Professionelle Software

Gleichwohl rüsten Universitäten im Kampf gegen Fälschungen auf und benutzen beispielsweise professionelle Software. Solche Mittel hält Debora Weber-Wulff bei aller technischer Finesse aber beinahe für überflüssig. "Drei Wörter bei Google genügen, und man findet in aller Regel raus, ob eine Passage abgeschrieben wurde oder nicht."

Aber woran erkennt sie entsprechende Stellen in den ja mitunter Hunderte Seiten langen Abhandlungen? "Da fällt auf einmal ein neuer Ton auf oder eine plötzlich völlig andere Wortwahl", erzählt sie aus der Praxis. "Auch wenn ich selbst ein Wort im Lexikon nachschlagen muss, werde ich misstrauisch."

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