Studenten in Hannover:Eingeklagt - dann rausgeworfen

Erst haben sie sich durch eine Klage ihren Studienplatz an der Medizinischen Hochschule Hannover erkämpft, jetzt sollen 32 Medizin-Studenten exmatrikuliert werden. Wegen Überfüllung.

F. Heckenberger

Am 12. April bekam Sarah Arndt eine E-Mail, und plötzlich war sie keine Studentin mehr. Drei Semester lang hatte sie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) studiert. Sie war eine der Besten ihres Jahrgangs. Fast nur Einser, ein paar Zweien. "Jetzt stehe ich mit leeren Händen da", sagt die 24-Jährige. Sie hat eine Ausbildung in einer Klinik gemacht. Dann begann sie das Studium, wollte Ärztin werden. Jetzt bewirbt sie sich als Krankenschwester.

Studium Studenten Medizin

Drei Semester umsonst: 32 Medizinstudenten müssen die Medizinische Hochschule Hannover vorzeitig verlassen.

(Foto: Foto: dpa)

Verzögertes Revisionsverfahren

Arndt ist eine von 32 Studenten, die sich Anfang 2009 in den Studiengang eingeklagt hatten, die MHH aber voraussichtlich nach drei Semestern verlassen müssen. Am 6. Januar 2009 hatte das Verwaltungsgericht Hannover der Kapazitätsklage einer Gruppe von Abiturienten stattgegeben, die über die Zentrale Vergabestelle keinen Studienplatz bekommen hatten. Die Hochschule legte umgehend Beschwerde ein, doch wegen Neubesetzungen am Gericht verzögerte sich das Revisionsverfahren. Die Studenten zogen nach Hannover, belegten Kurse in Physik, Chemie und Neuroanatomie. Der Zugang zu anderen Seminaren wurde ihnen wegen Überfüllung verwehrt.

Die Professoren an der MHH waren nicht glücklich über die zusätzlichen Studenten. Seit 2005 gibt es in Hannover einen medizinischen Modellstudiengang namens "Hannibal". Dort wird besonders viel Wert auf den frühen Kontakt mit Patienten gelegt. Pro Jahrgang seien deswegen keinesfalls mehr als 270 Studierende möglich, sagt der Studiendekan Hermann Haller. Diese Kapazitätsgrenze kann die Hochschule allerdings noch nicht durch eine fundierte Analyse belegen. Das war der Grund, warum das Verwaltungsgericht in erster Instanz der Klage von Sarah Arndt und ihren Mitklägern recht gab.

Alle müssen sich an die Regeln halten

Vor vier Wochen allerdings ruderte das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen zurück und erklärte die Begrenzung auf 270 Studenten für rechtens. Die Hochschule reagierte umgehend, indem sie die 32 Betroffenen informierte und sie aus den Lehrveranstaltungen für das nächste Semester nahm. Ingo Just, der stellvertretende Studiendekan, sagt zu den Konsternierten: "Sie haben durch Geld und Rechentricks einen Studienplatz bei uns bekommen. Doch jetzt hat das Gericht bestätigt, dass auch sie sich an die Regeln halten müssen."

Juristisch betrachtet ist die Hochschule im Recht. Es gibt allerdings ähnliche Fälle in Göttingen oder Berlin, wo die Universitäten die Studenten bis zu den nächsten Prüfungen weiterstudieren ließen. Die finden an der MHH im August statt. "Wenn wir an den Tests nicht teilnehmen können, haben wir drei Semester fast umsonst studiert", sagt Arndt.

Keine Ausnahme

Die MHH vertritt den Standpunkt, dass ihre Kapazität durch die per Klage zugelassenen Studenten überschritten und sinnvolles Studieren nicht mehr möglich sei. Die 32 weiterstudieren zu lassen, wäre ein Eingeständnis, dass die Kapazitäten doch höher seien, sagt Haller. Aber das sei nicht der Fall.

Der Dekan ergänzt allerdings, dass der Vorgang von den Studenten wie auch von einem Professor unnötig emotionalisiert worden sei. Der MHH sei die Zukunft der Studenten keinesfalls egal, man sei an einer gemeinsamen Lösung interessiert. Am vergangenen Freitag traf sich Haller noch mal mit den bereits verabschiedeten Studenten, von denen einige mittlerweile vor Gericht Eilanträge auf Zulassung zu den Medizinkursen gestellt haben. Seine Botschaft: "Wenn das Gericht den Anträgen zustimmt, nehmen wir die Studenten wieder auf."

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