Stipendiatin aus Ägypten:"Der ganze Unterricht ist eine offene Debatte"

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Wie ihre Karriere nach dem MBA-Studium weitergehen soll, weiß Safa Ismaeil bereits. Sie will noch eine Weile in Europa arbeiten und danach in Afrika dabei helfen, das Gesundheitssystem zu verbessern. (Foto: Peter Himsel)

Gesundheitsexpertin Safa Ismaeil berichtet von ihrem Fulltime-MBA-Programm an der ESMT Berlin.

Interview von Theresa Tröndle

Im Januar dieses Jahres hat die 32-jährige Safa Ismaeil das einjährige Fulltime-MBA-Programm der ESMT Berlin aufgenommen, als Stipendiatin des Kofi Annan Fellowships. Die Ägypterin hatte zuvor in Kairo und Philadelphia studiert und war anschließend bei einem Pharmaunternehmen und im ägyptischen Gesundheitsministerium tätig.

SZ: Frau Ismaeil, Sie sind seit Januar an der ESMT. Wie haben Sie die ersten Monate Ihres Studiums erlebt?

Safa Ismaeil: Es ist wirklich ein Vollzeit-Studium. Neben dem regulären Unterricht von Montag bis Freitag gibt es auch an den Wochenenden freiwillige Seminare, wie kulturelles Training und Deutschkurse, oder ich treffe mich mit Kommilitonen, um Projekte vorzubereiten. Die Uni bietet sogar in den Pausen Veranstaltungen an. Vor Kurzem hat zum Beispiel ein Manager von Zalando in der Mittagspause einen Vortrag gehalten. Dass ich oft erst um Mitternacht nach Hause komme, ist keine Seltenheit. Und trotzdem habe ich manchmal noch das Gefühl, etwas zu verpassen.

Das hört sich so an, als müssten Sie Ihre Zeit gut einteilen.

Das stimmt. Ich habe am Anfang lernen müssen, auch kleine Zeitfenster effektiv zu nutzen und das Maximale herauszuholen. Mittlerweile kann ich das ganz gut. Anders ginge es nicht - bei dem hohen Lernpensum, das wir jeden Tag bewältigen.

Ist der Unterricht anstrengend?

Anstrengend ist das falsche Wort. Fordernd trifft es besser. Der ganze Unterricht ist bei uns als offene Debatte angelegt - reinen Frontalunterricht gibt es nicht. Deswegen kommt es nur selten vor, dass ich den Raum verlasse, ohne mich aktiv an der Diskussion beteiligt zu haben. Das war an der Universität in Kairo, wo ich meinen Bachelor gemacht habe, anders. Dinge, die bei uns im Unterricht besprochen werden, bleiben auch dort. Das ermöglicht, sehr offen miteinander zu sprechen, und davon profitieren wir letztendlich alle. Das Voneinander-Lernen wird hier großgeschrieben. Wir kommen alle aus verschiedenen Kulturen und bringen uns mit unterschiedlichen Erfahrungen in den Unterricht ein.

Woher stammen Ihre Kommilitonen?

Die meisten von ihnen kommen aus dem asiatischen Raum: Japan, China, Taiwan, Vietnam oder Indien. Es sind aber auch Studenten aus Venezuela und Brasilien in unserer Klasse. Manche stammen auch aus europäischen Ländern wie Serbien oder Portugal. 38 verschiedene Nationalitäten sind in meiner Klasse vertreten, in unserem Jahrgang sind 68 Studenten. Vier davon werden mit dem Kofi-Annan-Stipendium unterstützt.

Weshalb haben Sie sich für einen MBA im Ausland entschieden?

Das ist ganz einfach, denn qualitativ vergleichbare MBA-Studiengänge werden in Ägypten nicht angeboten. Außerdem wollte ich internationale Kontakte knüpfen und eine neue Kultur kennenlernen. Mein fachliches Wissen aus dem Pharmazie-Bachelor möchte ich in Berlin mit Business-Wissen ergänzen. Denn das braucht man, um neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Ich bekomme hier eine ganz andere Sicht auf meinen Fachbereich. Das Ganze ist wie im Kino: Ein Film in 4-D zeigt dem Zuschauer anderes als einer in 3-D.

Und warum gerade Deutschland?

Ich bin da sehr pragmatisch vorgegangen und habe mir Rankings der besten Business-Schulen und ihre Fördermöglichkeiten angesehen. Dabei bin ich auf das Kofi Annan Stipendium gestoßen, von dem ich davor noch nie gehört hatte. Nach meiner Bewerbung ging alles ganz schnell. Innerhalb von drei Wochen hatte ich das Bewerbungsgespräch und zwei Tage später die Zusage.

Werden Sie über das Stipendium hinaus unterstützt?

Ja. Die ESMT hat mich von Anfang an bei allem Organisatorischen unterstützt. Das ging schon bei der Ankunft am Flughafen los, wo ich per E-Mail eine genaue Erklärung erhalten habe, wie ich ein Ticket in die Stadt löse. Die Schule hilft auch bei bürokratischen Angelegenheiten oder der Wohnungssuche. Hier ist alles sehr organisiert - ganz anders als in Kairo.

Haben Sie noch andere kulturelle Unterschiede bemerkt?

Das deutsche Zeitverständnis ist komplett anders als das ägyptische. Wenn wir von der Universität aus um neun Uhr ein Treffen haben, sind viele zehn Minuten früher da - mittlerweile gehöre ich auch dazu. Übertrieben finde ich es aber, wenn die Menschen am Bahnsteig sich schon bei fünf Minuten Verspätung des Zuges beschweren. In Kairo ist es keine Seltenheit, mehrere Stunden auf einen Zug zu warten.

Planen Sie nach dem Abschluss in Berlin, nach Ägypten zurückzukehren?

Ich werde auf alle Fälle zurückreisen. Einen genauen Zeitpunkt habe ich zwar noch nicht, aber in spätestens fünf Jahren möchte ich wieder in Kairo sein. Dort leben meine drei Schwestern und meine Mutter. Davor will ich aber noch Arbeitserfahrung in verschiedenen europäischen Ländern sammeln. Ich kann mir auch gut vorstellen, vor der Rückkehr noch in einem afrikanischen Land bei der Gesundheitsversorgung mitzuarbeiten. Wenn ich zurück in Ägypten bin, würde ich gerne wieder im Gesundheitsministerium arbeiten. Dann kann ich hoffentlich meinem Ziel ein Stück weit näher kommen und der ägyptischen Bevölkerung Zugang zu einer guten medizinischen Versorgung ermöglichen - unabhängig von der sozialen Herkunft.

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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