Steuerliche Belastung für Mütter:Wer mehr arbeitet, zahlt drauf

Fast nirgendwo in Europa lohnt sich für Mütter das Aufstocken im Job so wenig wie in Deutschland. Wenn der Partner verdient, arbeiten Frauen in Teilzeit vor allem für das Finanzamt. Auch Alleinerziehende hält das Finanzsystem vom Arbeiten ab.

Felix Berth

Das deutsche Steuersystem behindert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für viele Mütter lohnt es sich kaum, mehr als einen 400-Euro-Job anzunehmen, weil sie ein zusätzliches Einkommen großenteils an das Finanzamt und die Sozialversicherungen abgeben müssen. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationaler Vergleich, den die Bertelsmann-Stiftung erstellt hat. Die Bundesrepublik schneidet darin extrem schlecht ab.

Familienfreundliches Unternehmen BfA

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland hinten: In kaum einem anderen Land lohnt es sich finanziell für Mütter so wenig, Teilzeit ins Berufsleben einzusteigen.

(Foto: dapd)

Die Studie vergleicht die finanzielle Belastung von Familienhaushalten mit zwei Kindern durch Steuern und Sozialabgaben. In diesem Musterfall erzielt der Ehemann ein Einkommen in der Höhe des nationalen Durchschnitts, die Ehefrau hat wegen Teilzeitarbeit und geringerer Bezahlung 33 Prozent des mittleren nationalen Einkommens. Für diese Frauen lohne es sich in Deutschland kaum, mehr zu arbeiten oder einen besser bezahlten Job zu suchen, stellt die Studie fest. Denn von jedem zusätzlich verdienten Euro blieben nur 50,4 Cent in der Familienkasse. Die anderen 49,6 Cent gingen an den Staat und die Sozialkassen. "Die Bundesrepublik ist das einzige Land, in dem diese Belastung fast die 50-Prozent-Marke überschreitet", stellt die Bertelsmann-Stiftung kritisch fest.

Selbst in Ländern mit traditionell hohen Steuern sei die Belastung dieser Frauen geringer: In Schweden liege sie bei 31 Prozent, in Norwegen bei 25 Prozent. Noch deutlich niedriger sei die Last in Österreich und den Niederlanden, wo der Staat von jedem zusätzlich verdienten Euro des Ehepartners weniger als 20 Prozent Steuern und Abgaben einnimmt. Auffällig sei, so die Studie, dass "die Belastung in Deutschland in den letzten Jahren noch zugenommen hat."

In Einzelfällen können Steuern und Abgaben sogar noch höher ausfallen. So sei es für manche Frauen in Deutschland finanziell von Nachteil, mehr zu arbeiten. Zum Beispiel lohne es sich häufig nicht, von einem 400-Euro-Minijob auf eine Arbeit mit einem Monatslohn von 500 Euro umzusteigen. Dann ergebe sich bei einem Steuersatz von 25 Prozent eine Steuer von 125 Euro - eine Betroffene verdiene also nur noch 375 statt der früher ausgezahlten 400 Euro. Das sei eine "Geringfügigkeitsfalle", kritisiert die Bertelsmann-Stiftung: Müttern werde der Übergang in eine reguläre Beschäftigung "erheblich erschwert".

Das deutsche System würde auch Alleinerziehende vom Arbeiten abhalten, moniert die Studie, die am heutigen Freitag veröffentlicht wird. So profitiere eine arbeitslose, alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern kaum, wenn sie einen Job annimmt: "Ihr Steuer- und Abgabensatz beim Übergang von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung beträgt 93 Prozent", stellt die Untersuchung fest. Das bedeutet, dass sie kaum finanziell davon profitiert, wenn sie einen mäßig bezahlten Beruf annimmt, statt Hartz IV vom Staat zu beziehen.

Bei einem Vergleich von 29 Industriestaaten sei die finanzielle Belastung dieser Frauen nur in Portugal und Polen höher. In Portugal würden arbeitslose Alleinerziehende sogar finanziell bestraft, wenn sie einen Job annehmen. In den meisten Industriestaaten seien die Bedingungen für Alleinerziehende jedoch deutlich besser als in der Bundesrepublik, stellt die Bertelsmann-Stiftung anhand von Berechnungen der OECD fest.

Die Ursachen für diese deutschen Verzerrungen sieht die Bertelsmann-Stiftung zum einen darin, dass Ehepartner in Deutschland im Regelfall gemeinsam steuerlich veranlagt werden. Deshalb hänge die Steuerbelastung einer Ehefrau "nicht nur vom eigenen Einkommen ab, sondern auch von den Einkommen der anderen Familienmitglieder". Das bedeutet: Was der Mann verdient, beeinflusst den Netto-Verdienst der Frau. Die Studie legt deshalb ein Abrücken vom deutschen Ehegattensplitting nahe und regt den Umstieg auf ein System der individuellen Besteuerung an. Sinnvoll sei auch, einen Steuerfreibetrag für Minijobs zu schaffen. Er könne verhindern, dass die Steuerlast sprunghaft steigt, wenn ein Ehepartner mehr als 400 Euro verdient.

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