Ständige Erreichbarkeit im Job:"Wir richten uns im Arbeitsmodus ein"

Im Feierabend rufen wir von zu Hause aus ein letztes Mal die Arbeitsmails ab. Und im Notfall sind wir auch danach für den Chef erreichbar - übers Handy. Was das mit unserer psychischen Gesundheit macht, erklärt Arbeitspsychologe Tim Hagemann.

Von Maria Fiedler

Tim Hagemann ist Professor für Arbeits-, Organisations- und Gesundheitspsychologie an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld. Der 43-Jährige forscht unter anderem zu psychischen Erkrankungen, Burn-out und Arbeitsbelastungen.

SZ: Berufliche Mails auf dem privaten Computer und ständige Erreichbarkeit durch das Handy - welchen Einfluss hat der Trend Bring-Your-Own-Device auf die Psyche von Arbeitnehmern?

Tim Hagemann: Dieser Trend befördert natürlich die Vermischung von Privatleben und Arbeit. Früher hatte man eine private Nummer und eine für dienstliche Zwecke. Bei "Bring Your Own Device" ist alles auf einem Gerät gebündelt, eine saubere Trennung ist daher nicht mehr möglich. Dass die Grenzen immer mehr verschwimmen, ist ein Problem.

Was bedeutet das für BYOD-Nutzer?

Grundsätzlich gilt: Wenn wir mit Arbeitsbelastung konfrontiert werden, schütten wir Stresshormone aus. Erscheint uns etwas als Herausforderung, stellt der Körper Reserven zur Verfügung, und wir richten uns in einem Arbeitsmodus ein. Das ist auch gut, weil wir so aufmerksamer und konzentrierter sind. Allerdings ist zwischen diesen Phasen auch Entspannung nötig. Wenn man am Wochenende oder im Urlaub auch dauernd mit beruflichen Dingen beschäftigt ist - etwa weil man sich auf dem eigenen Smartphone über die Ereignisse in der Firma informiert - werden Stresshormone ausgeschüttet. Entspannung ist dann nicht möglich.

Kündigung

Fluch der neuen Technologien: Ständig erreichbar zu sein, kann krank machen, weil Körper und Geist nicht abschalten können.

(Foto: iStock)

Haben Arbeitnehmer durch die Erlaubnis, ihr eigenes Gerät bei der Arbeit zu nutzen, das Gefühl, auch nach Feierabend immer direkt auf E-Mails und Anrufe reagieren zu müssen?

Es ist durchaus so, dass Arbeitnehmer von sich aus das Gefühl haben, erreichbar sein zu müssen - unabhängig von den Wünschen des Arbeitgebers. Bekommt man eine E-Mail, ist es schwierig, nicht zu reagieren. Wir sind da extrem empfänglich. Hat man das Smartphone ohnehin immer dabei, kann man schwer der Versuchung widerstehen, in die Mailbox zu schauen - und eventuell auch auf Nachrichten zu antworten. Und es geht ja für jeden mit einer latenten Aufregung einher, wenn er beispielsweise eine Mail vom Chef bekommt.

Was kann der Arbeitgeber tun, um BYOD-Nutzer vor zunehmender Vermischung von Arbeit und Privaten zu schützen?

Es gibt schon Unternehmen, die am Wochenende oder am Abend die Server herunterfahren, so dass man keine geschäftlichen E-Mails mehr bekommt. Andere Firmen betreiben auch die Politik, dass man nicht alle Leute ins CC setzt und ständig mit E-Mail-Verteilern arbeitet. So soll die Zahl der Nachrichten reduziert werden. Diese Firmen haben gemerkt, dass es ineffizient ist, wenn die Mitarbeiter sich nicht entspannen können.

Und wie kann man sich selbst vor einer Überbelastung schützen?

Man sollte sich selbst Zeiten setzen, zu denen man für den Arbeitgeber nicht erreichbar ist - selbst wenn die E-Mails auf dem privaten Smartphone ankommen. Zudem ist es empfehlenswert, alle über seine Abwesenheit zu informieren, wenn man in den Urlaub fährt, und zu klären, wer einen vertritt. Dann kann man sich ruhigen Gewissens erholen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: