Sprachkenntnisse in Bewerbungen:Wann ist mein Englisch fließend?

Fremdsprachen sind in der internationalen Berufswelt wichtig - aber wie gut sind die Sprachkenntnisse wirklich? Und was wird genau verlangt, wenn "verhandlungssicheres Englisch" in der Ausschreibung steht?

Das Problem kennen viele Bewerber: In der Stellenausschreibung werden Englischkenntnisse verlangt. Nur - wie gut ist gut?

SZ-Leserin Amelie Z. fragt:

Ich möchte mich beruflich neu orientieren. Leider bin ich bei der Einstufung meiner Sprachkenntnisse immer im Zweifel. Was versteht man genau unter verhandlungssicheren Sprachkenntnissen? Mein Sprachniveau im Englischen ist "upper intermediate", also zwischen B2 und C1. Kann ich mich auf Bewerberseiten von Unternehmen unter "fließend" einordnen, wenn dort nur die Möglichkeiten "Grundkenntnisse", "fließend", "verhandlungssicher" oder "Muttersprachler" zur Auswahl stehen?

Vincent Zeylmans antwortet:

Die Beurteilung von Sprachkenntnissen ist immer Ermessenssache. Das verleitet manche Bewerber dazu, sich zu überschätzen. Meistens kommen sie im Vorstellungsgespräch glimpflich davon. Denn möglicherweise hat der Interviewer selbst Hemmungen, die Angaben aus dem Lebenslauf im Gespräch zu überprüfen. Darauf zu setzen, ist allerdings riskant. Denn wenn Sprachkenntnisse für einen Job unentbehrlich sind, kann der Bewerber davon ausgehen, dass er sie auch unter Beweis stellen muss.

Er muss also damit rechnen, dass im Bewerbungsgespräch plötzlich in die Fremdsprache gewechselt wird und er die nächste Frage auf Englisch oder auf Spanisch beantworten muss. Es gibt natürlich auch Interviewer, die dem Bewerber eine Chance zum Warmwerden geben und ihn zunächst auffordern, einfach mal auf Englisch vom letzten Wochenende zu erzählen. Es kann aber durchaus auch passieren, dass er plötzlich auf Französisch sein Führungsverständnis darlegen soll.

Manche Unternehmen geben auf dem Bewerbungsformular ein Schema zur Selbsteinschätzung vor. Diese Begriffe sollte der Bewerber dann auch im Lebenslauf verwenden, ganz gleich, ob in Papierform oder in der digitalisierten Version. In Fällen, in denen die Beherrschung der Fremdsprache eine große Rolle spielt, kann er seine Kenntnisse auch im Anschreiben hervorheben.

In Ihrer Auflistung ist der Sprung von "Grundkenntnissen" zu "fließend" recht groß. Viele Arbeitgeber kennen noch die Abstufung "gute Kenntnisse" oder "sehr gute Kenntnisse". Manche differenzieren darüber hinaus zwischen mündlich und schriftlich. Von "fließenden Sprachkenntnissen" ist die Rede, wenn die Verständigung ohne Probleme möglich ist. Das bedeutet nicht, dass Bewerber fachtechnische Ausdrücke fehlerfrei beherrschen. Sie müssen nicht unbedingt knifflige Gespräche mit Zollbehörden führen oder einen Produktionsprozess detailliert beschreiben können. Sie müssen auch kein perfektes Werbeagentur-Briefing in der Fremdsprache formulieren können.

So etwas wird dann vorausgesetzt, wenn in den Bewerbungsunterlagen "verhandlungssicher" vermerkt wurde. Etwas einfacher ist es, wenn der Bewerber ein entsprechendes Zertifikat vorweisen kann, zum Beispiel "Cambridge Financial English" oder ein "Business English Certificate".

Ich kann Ihnen nur raten, eine realistische und authentische Selbsteinschätzung vorzunehmen. In Ihrem Fall liegt sie aus meiner Sicht bei "fließend". Gerade in jüngster Zeit haben die Beispiele von Politikern gezeigt, dass die Wahrnehmung der Gesamtqualifikation einer Person stark in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn sich einzelne Aussagen als nicht zutreffend herausstellen. Daher mein Rat: Es ist besser, etwas tiefer zu stapeln und positiv zu überraschen als zu übertreiben und damit zu verunsichern.

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