Speed Dating beim Career Day:Großes Aquarium, glückliche Fische

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Nachwuchs-Rekrutierung als Chefsache: Im Kempinski können sich am alljährlichen Career Day Absolventen und Mitarbeiter um neue Jobs bewerben. In Kurzinterviews lernt man sich kennen - und die Direktoren wollen vor allem eines sehen: gute Typen.

Verena Wolff

Gegen Mittag steigt bei Tanja Lange die Spannung. Die zierliche, junge Frau hat sich angezogen wie viele auf dem Kempinski Career Day: Ein dunkelblaues, recht konservatives Kostüm, weiße Bluse, Schuhe mit kleinem Absatz. Dezent geschminkt ist sie, die blonden Haare gebändigt. Fast alle Direktoren der ältesten Luxushotelgruppe der Welt sind nach München gekommen, um Nachwuchs zu rekrutieren und Vakanzen zu besetzen. Dazu 150 interne Bewerber und etwa 1000 externe. Auch die oberste Führungsetage, darunter Präsident Reto Wittwer, ist aus Genf angereist.

An Tisch 31 empfängt Bugra Berberoglu Bewerber. Er ist General Manager des Emirates Palace in Abu Dhabi. Das ist das Hotel, in dem Absolventin Tanja Lange unbedingt arbeiten will. (Foto: Verena Wolff)

Auf diesem Weg können wir effektiv neues Personal anwerben und kennenlernen", sagt Wittwer. Und: Recruiting wird damit zur Chefsache, langwierige Bewerbungsverfahren über viele Stationen sollen so der Vergangenheit angehören. In diesem Jahr wurde die Veranstaltung zum zweiten Mal ausgerichtet - natürlich in einem Kempinski-Hotel, dem am Münchner Flughafen.

Ein riesiges, gläsernes Atrium sorgt für Licht und Luft, denn mehr als 60 Bartische mit jeweils zwei Stühlen brauchen Platz, viel Platz. An jedem dieser Tische steht ein Hoteldirektor, viele mit einem kleinen Computer, auf dem die Daten seiner Bewerber gespeichert sind, die meisten sind männlich.

"Das ist ein echtes Problem", sagt Wittwer. "In der Hotellerie, auch bei uns, beginnen sehr viele Frauen - aber schon im mittleren Management dünnt sich ihre Zahl stark aus." Etwa alle zwei Jahre wechseln die Hotelleute das Haus, die Stadt, das Land - oft sogar den Kontinent. "Meist ist es so, dass die Frauen dann ihren Männern folgen, die oft auch aus der Hotelbranche kommen."

Tanja Lange jedenfalls will die Karriereleiter bei Kempinski bis weit nach oben erklimmen, Sprosse für Sprosse. Die 22-Jährige steht kurz vor ihrem Hotelfach-Diplom, neudeutsch Hospitality Management. Einen Bachelor hat sie schon. Sie arbeitet in Hotels und Restaurants, seit sie 14 ist. "Etwas anderes als Hotel kommt für mich nicht in Frage", sagt Lange. Im Adlon in Berlin und in einem anderen Luxushotel, in Kapstadt, hat sie bereits Praktika gemacht. Sie spricht Deutsch, Englisch, Französisch, "und ausbaufähiges Spanisch", wie sie sagt.

Und sie hat einen Traum: Sie möchte unbedingt eine Stelle im Emirates Palace in Abu Dhabi haben. "Das ist das größte Hotel der Kempinski-Gruppe, in einer völlig anderen Kultur. Ich glaube, da kann ich eine Menge lernen", sagt sie und wirkt dabei völlig cool.

Bewerbung: Worauf Personaler achten (3)
:Achtung, fertig, Vorstellungsgespräch!

Souverän wirken, aber trotzdem natürlich bleiben - und immer genug Fragen stellen. Wer im Vorstellungsgespräch punkten will, muss sich an ein paar Regeln halten. Zwölf Personaler verraten, welche das sind.

Maria Holzmüller

Doch nach der ausgiebigen Begrüßung, einer Art Speed-Coaching samt Wertevermittlung, steigt die Spannung auch bei Tanja Lange. Ihr erster Gesprächstermin findet an Tisch 31 statt. Dort steht Bugra Berberoglu, General Manager des Emirates Palace. Er ist angetan von der jungen Deutschen, die sich gleich im englischen Small Talk beweisen muss.

Es mutet ein bisschen an wie bei einem Juristenkongress beim Career Day der Kempinski Hotels - überall dunkle Anzüge und Kostüme. (Foto: Verena Wolff)

Warum sie zu ihm ins Emirates Palace will? Ein großartiges Hotel, viel luxuriöser geht es kaum. Ob sie sich auskennt in der arabischen Welt? Sie hat noch nicht dort gearbeitet, ist aber anpassungsfähig. Was sie erwartet von einer Position bei Kempinski? Sehr viel Erfahrung, gute Leute, fundiertes Wissen. Kann sie bestehen in einer Welt, die stark von Männern dominiert ist - zumal in einem sehr konservativen Land? Bestimmt. Und: Wenn sie es nicht ausprobiert, weiß sie es nicht.

Lange antwortet reflektiert. Doch man merkt ihr an, dass sie nichts Falsches sagen will. Hotelchef Berberoglu jedenfalls gefällt die Kandidatin: "Sie macht einen sehr engagierten Eindruck, sie weiß, wovon sie redet, und sie hat großartige Praktika gemacht. Aber sie ist noch sehr jung." Er wird sie für eine Traineestelle in seinem Hotel vorschlagen.

Bei Berberoglu geht es weiter im Programm. Zwanzig Minuten dauert jedes Gespräch. Die Bewerber wechseln von Tisch zu Tisch und versuchen, mit den Direktoren der Häuser ins Gespräch zu kommen, die ihnen attraktiv erscheinen. Großer Beliebtheit erfreuen sich neben dem Emirates Palace das Londoner Hotel The Stafford oder die Häuser in St. Moritz.

Und was wollen die Direktoren sehen? "Attitude" ist eines der Worte, das die Runde macht, Einstellung. "Ich will engagierte Leute sehen, die sich in ihrem Job einsetzen und die Werte ins Ausland bringen", sagt etwa Holger Schroth, Chef des Siam Hotels in Bangkok. Er schaue sich die Lebensläufe der Bewerber erst an, wenn sie seinen Tisch schon wieder verlassen haben. Auch Marcus van der Wal, Direktor des Kempinski München Airport, will sich in erster Linie ein Bild von den Bewerbern machen. "Der Lebenslauf ist nur der Türöffner. Aber dann muss man sich beweisen."

Für die Führungsetage von Kempinski dauert der Career Day das gesamte Wochenende. Am Sonntag stellt jeder General-Manager in großer Runde seine besten Bewerber vor. "Es geht uns auch um ein gutes Bewerbungsverfahren. Jeder Kandidat soll Feedback bekommen." Der Pool, aus dem ausgewählt wird, ist jedenfalls groß genug, meint Präsident Wittwer. "Je größer das Aquarium, um so glücklicher sind die Fische."

© SZ vom 24.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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