Soziales Jahr im Ausland:Tue Gutes - und verdiene dabei

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Wer nach der Schule ein soziales Jahr absolviert, will Menschen helfen. Doch zahlreiche schwarze Schafe unter den Anbietern schöpfen das Geld der zahlenden Gäste nur in die eigene Tasche.

Marten Rolff

Nicht alles, was gut klingt, ist auch gut. Bernhard Dalheimer zum Beispiel hatte sich das ganz toll vorgestellt: Entwicklungshilfe in Vietnam - dem Land, das er immer schon kennenlernen wollte. Über einen Berliner Verein, der sich auf seiner Webseite damit brüstet, "Kinderhilfe, Umwelthilfe und Entwicklungszusammenarbeit" zu betreiben und unter anderem in Vietnam humanitäre Hilfe zu leisten, ging der 19-Jährige als Freiwilliger nach Asien. Menschlich habe er "profitiert", sagt er, aber der Job dort war anders als erwartet: Er unterrichtete Kinder reicher Vietnamesen in Englisch. "Das war total unseriös, die haben mit uns Geld verdient. Ich habe nicht geholfen, sondern wurde ausgenutzt."

Nicht immer halten die Organisationen, die Sozialdienste im Ausland anbieten, das, was sie versprechen. (Foto: dpa)

Wer ein Soziales Jahr im Ausland plant, findet sich schnell in einem Dschungel aus Anbietern, vagen Informationen und schönen Worten über gute Werke wieder.

Am Einsatzort sind manche Freiwillige dann mit schlechter pädagogischer Begleitung oder sogar Sicherheitsmängeln und finanzieller Ausbeutung konfrontiert.

Im Fall der Organisation von Bernhard Dalheimer gab es gleich zahlreiche Beanstandungen; eine Freiwillige hatte psychische Probleme, erhielt aber keine Betreuung; und keiner der Teilnehmer, so erzählt der Rückkehrer, sei in einem sozialen Projekt eingesetzt gewesen. Ob seine Beschwerde in Berlin Erfolg haben wird, ist abzuwarten.

Sich auf dem wachsenden Markt der Anbieter zurechtzufinden, ist auch deshalb schwer, weil es noch keine Evaluierung gibt. Beschwerden machen zwar die Runde, sind aber ebenso wenig erfasst wie schwarze Schafe. Ändern soll sich das mit dem Internetportal meinfreiwilligendienst.de, das sich derzeit im Aufbau befindet und auf dem ehemalige Freiwillige ihre Organisation bewerten sollen. Damit, so kündigt der Verein Grenzenlos e.V. an, wolle man "die Qualität verbessern" und "die Transparenz erhöhen".

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"Es ist wichtig, dass auch kommerzielle Anbieter ihre Qualität prüfen lassen", sagt Ana-Maria Stuth, Leiterin der Agentur Quifd (Qualität in Freiwilligendiensten), die als externe Gutachterin Träger und Entsender prüft und das einzige Gütesiegel in Deutschland verleiht. Und doch beschränkt sich Quifd auf gemeinnützige Organisationen, die Ausweitung auf kommerzielle Anbieter wird diskutiert, aber da müssten wohl andere Standards gelten, sagt Stuth.

Anstatt armen Kindern zu helfen, müssen Jugendliche aus Deutschland mitunter den Kindern reicher Eltern Englisch-Unterricht geben. (Foto: Reuters)

Ihre Agentur etwa besteht auf einer guten Mischung aus Sozialdienst und pädagogischer Betreuung, auf gutem Versicherungsschutz sowie auf Transparenz der Finanzen. Wenn ein Anbieter ein soziales Jahr in Peru im Internet vorab mit 4300 Euro taxiert, sei das "nicht prinzipiell verwerflich", so Stuth, nur müsse klar sein, warum der Betrag gezahlt wird. Schwierig findet die Agenturchefin, dass solche Zahlungen bestimmte soziale Gruppen vom Freiwilligendienst ausschließen.

Oft seien schlechte Erfahrungen aber auch das Ergebnis schlechter Planung, erklärt Achim Mortier, der für das Entwicklungsministerium das Programm "Weltwärts" mit aufgebaut hat. Freiwillige orientierten sich zu oft an Wunschländern, obwohl sie fragen sollten: Welche Organisation passt zu mir? Wie sieht mein Einsatz aus? Wer ist mein Mentor? Und wie unterscheiden sich die Anbieter?

Service: Was ist das Freiwillige Soziale Jahr?

Das Freiwillige Soziale Jahr gibt es seit 1964. Ursprünglich war es vor allem für Frauen gedacht, aber mittlerweile engagieren sich auch viele junge Männer im In- und Ausland für die Dauer von bis zu einem Jahr in sozialen Einrichtungen. Freiwillige zwischen 16 und 27 Jahren, die sich im Inland bewerben wollen, müssen sich direkt an die sozialen Träger wenden. Wünsche für konkrete Einrichtungen können genannt werden, sonst bestimmt der Anbieter. Mögliche Einsatzstellen sind Kliniken, Sozialdienste, Kinder- und Altenheime, Behinderteneinrichtungen, Pfarreien, Jugendverbände, kulturelle Einrichtungen und Sportvereine.

Viele Träger halten im Internet Online-Bewerbungsbögen vor. In der Regel werden das letzte Zeugnis und ein Anschreiben erwartet. Das FSJ beginnt am 1. August oder 1. September. Die Anbieter bearbeiten Bewerbungen vom Herbst des Vorjahres an. Schulnoten und -abschlüsse sind dabei unwichtig. FSJler erhalten ein Taschengeld, viele Stellen zahlen zudem das Verpflegungsgeld. Zusätzlich fließt für Freiwillige - anders als für Zivis - weiterhin das Kindergeld.

Wer einen der derzeit 4400 Weltwärts-Plätze ergattert, wird meist gebeten, mit Förderkreisen oder Spendenaktionen Geld zu sammeln. 1800 Euro für ein Jahr im Ausland dürfen die Träger höchstens verlangen. Reise und Logis sind im Gegenzug für die Teilnehmer umsonst, ein Viertel zahlt der Träger, drei Viertel das Ministerium. Lediglich für Visum und Impfung müssen die Jugendlichen aufkommen. Ein soziales Jahr im Ausland vermitteln zudem das Programm Kulturweit (190 Plätze) und der Europäische Freiwilligendienst (800 Plätze). Über weitere 2000 Plätze verfügen andere freie Anbieter.

© SZ vom 07.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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