Smartphone-Knigge:Vielleicht haben Sie später mehr Zeit für mich?

Ein Etikette-Trainer erklärt, in welchen beruflichen Situationen man das Handy weglegen sollte und warum unterschiedliche Generationen darüber anders denken.

Interview von Viola Schenz

Das Smartphone ist längst Teil des Berufsalltags geworden. Manche können und wollen ohne die Allround-Geräte nicht mehr auskommen, manche empfinden sie als lästig bis störend. Wie sollte man sie einsetzen, ohne die Kollegen zu nerven? Was gilt inzwischen als angemessen, was als Tabubruch? Wann sind Toleranzgrenzen überschritten? Horst Hanisch hält seit dreißig Jahren Seminare zu Etikette-Themen und hat mehrere Business-Knigge-Bücher verfasst.

SZ: Herr Hanisch, muss man es akzeptieren, dass Smartphones inzwischen oft wie eigenständige Teilnehmer bei einer Besprechung dabei sind?

Horst Hanisch: Nein, denn ich betrachte sie nicht als Teilnehmer, sondern bestenfalls als Hilfsmittel.

Wie sollte man reagieren, wenn ein Geschäftspartner bei einer Verhandlung irritierenderweise ständig auf sein Handy schaut?

Ich würde höflich fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, das Gespräch auf einen anderen Termin zu verschieben, bei dem man ungestört reden könne.

Und wenn man selber in die Täterrolle gerät, weil in ein wichtiges Geschäftsessen plötzlich ein noch wichtigerer Anruf platzt?

Das ist eine Frage der Priorität. Im besten Fall den Geschäftspartner vorher informieren: Ich erwarte in den kommenden zwei Stunden einen wichtigen Anruf. Wäre es in Ordnung, wenn ich mich dann kurz ausklinke? In der Regel ist mein Gegenüber einverstanden.

Nutzen Frauen und Männer ihre Smartphones unterschiedlich?

Nach meiner Beobachtung nicht. Es ist eher eine Altersfrage: Je jünger, desto intensiver die Nutzung. Was außerdem auffällt: Viele Menschen stehen zwar in Grüppchen zusammen, aber jeder bearbeitet sein eigenes Smartphone.

Und auf dem internationalen Parkett: Stellen Sie unterschiedliches Verhalten zwischen den Nationen fest?

Auch nicht. Da haben sich die Kulturen inzwischen sehr angeglichen.

Was sind die Beschwerden, die häufig in Ihren Seminaren geäußert werden?

Ich höre oft Klagen, dass Leute mit dem Smartphone spielen. Oder dass man zunehmend den persönlichen Kontakt im Geschäftsleben verliert. Oder: Mein Kollege sitzt nebenan und schickt mir eine SMS. Warum kommt er nicht einfach rüber? In einem Fall saßen sich zwei Kolleginnen sogar direkt gegenüber, trotzdem wurde eine SMS geschickt. Als die eine die andere darauf aufmerksam machte, sagte die: Oh, das habe ich total vergessen! Offensichtlich sind wir schon so stark mit der Technik verbunden, dass wir den gesellschaftlichen Kontakt, ich will nicht sagen verlieren, aber doch anders werten als früher.

Amüsiert Sie so etwas? Oder bedauern Sie das?

Wir wissen, dass die Generation Z, also die nach dem Jahr 2000 Geborenen, mit dem Smartphone ganz anders umgeht, sogar anders als die vorhergehenden Generationen. Bildhaft gesehen lebt die Generation Y mit dem Smartphone, die Generation Z im Smartphone, die ursprünglich reale Welt findet überwiegend virtuell statt. Das gilt es zu akzeptieren, das ist nun mal unsere Gesellschaft. Aber ich stelle immer öfter fest, dass bei gesellschaftlichen Anlässen darauf geachtet wird, die Smartphones stecken zu lassen oder zumindest auf Vibration zu stellen. Im Beruflichen müsste es als ungeschriebene Regel gelten: Wir können damit arbeiten, indem wir schnell Informationen einholen oder den Kalender checken. Aber im Moment ist wichtiger, was ich mit meinem Gegenüber zu tun habe.

Was gilt als Tabubruch im Umgang mit Smartphones?

In der jüngeren Generationen ist unausgesprochen klar, wie damit umgegangen wird. Zu Irritationen kommt es, wenn verschiedene Generationen aufeinandertreffen, weil Ältere nicht verstehen und auch nicht verstehen müssen, dass Jüngere in einer virtuellen Welt leben. Doch wenn beide berufliche Erfahrung gegen neuestes technisches Wissen tauschen, können sie ein optimales Team bilden.

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