Smalltalk international:Alles ist immer "awesome"

Interkulturelle Kommunikation im Job geht gern und häufig schief: Geschichten aus den USA, der Schweiz und Korea.

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USA

O'Reilly Challenge Practice And Qualifying

Quelle: AFP

Wer im Silicon Valley unterwegs ist, wird von einer Flut der guten Laune und Begeisterung hinweggespült. Mehr noch als im Rest der USA ist alles "awesome", "amazing" und golden wie der Pazifik bei Sonnenuntergang. Und wenn es nur eine App ist, die Bestellzeiten von Lieferessen von 30 auf 15 Minuten senkt ("awesome!"). Der "Bullshit-Faktor" ist in diesem Breitengrad schon eingepreist. Wer Start-up-Gründern die Frage "Und, wie findest du die Idee?" mit "Geht so" beantwortet, erntet entgleiste Gesichtszüge. Wer von seinen Plänen erzählt und versehentlich Bescheidenheit einfließen lässt, wird nicht ernst genommen und gilt als langweilig oder unmotiviert.

Das führt dazu, dass die Realität im kalifornischen Superlativ verschwindet und schlechte Nachrichten mit Zuckerguss versiegelt werden. "Hey, du und dein Start-up sind super", sagt der Investor. "Ihr leistet tolle Arbeit und habt ein geniales Produkt. Aber leider kriegt ihr von uns kein Geld." Doch wenig irritiert Tech-Kalifornier mehr, als ihre weltbewegenden Ideen den Kollegen aus Ländern wie Russland oder Deutschland vorzustellen. Denn die haben die Fähigkeit, geniale Einfälle mit nur wenigen Worten auf Normalgröße herunterzuschmelzen.

Johannes Kuhn

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Schweiz

Flagge

Quelle: iStockphoto

"Ich bin Schweizer, das trifft mich ins Herz", sagt der Unternehmer aus Basel. Die Begebenheit, von der er spricht, ist Jahre her. Er fasst sich an die Brust: "Ich bin bis heute nicht darüber hinweg." Wer oder was ihn derart verletzt hat? Eine deutsche Beamtin. Einige Wochen lang hatten beide begeistert an einem Projekt gearbeitet. Es ging um eine App, von oberster Stelle gefördert, die in ganz Deutschland erhältlich sein sollte. Dann gerieten die Verhandlungen ins Stocken. Der Basler wartete, zunehmend unglücklich, auf eine Antwort aus Berlin.

Schließlich schickte die Kollegin eine Absage: Das Projekt würde nichts, die Chefs hätten die Finanzierung verweigert. "Ich habe eine lange Mail geschickt", sagt der Schweizer. "Erklärt, warum ich das schade finde, beschrieben, wie sehr mir die Zusammenarbeit mit ihr gefallen hat, gefragt, ob es Hoffnung gebe, das Projekt in einigen Jahren . . ." Zurück kam: nichts. In Berlin war die Sache erledigt. "In der Schweiz weiß man, dass man sich wieder begegnet und setzt etwas daran, im Guten auseinanderzugehen." Im großen Deutschland sei das wohl anders. Dennoch ist er immer noch irritiert. "Sie hat einfach nicht mehr geantwortet. Ist das normal?"

Charlotte Theile

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Korea

Flagge,Republik Korea, Südkorea, Fußball, WM, Fahne, WM 2010

Quelle: sde

Wenn Westler einem Koreaner oder Japaner begegnen, stolpern sie oft schon bei der Begrüßung. Je besser sie mit der anderen Kultur vertraut sind, umso eher: Denn Asiaten, die Europa kennen, strecken dem Europäer die Hand hin. Europäer, die wissen, dass man sich in Asien nicht berührt, deuten eine Verbeugung an. So laufen oft beide ins Leere. Meist hilft gemeinsames Lachen über den tollpatschigen Moment hinweg. Nicht so nach einem Interview mit der Direktorin eines koreanischen Kulturprojekts.

Um der Verlegenheit keine Chance zu geben, sagte der Korrespondent: "Wir müssen uns ja jetzt nicht die Hand geben" und setzte zu einer linkischen Verbeugung an. "Ja, was sonst?", stutzte die Koreanerin, die auch Frankreich-Erfahrung hatte. Sie wich kurz zurück und gab ihm zwei Küsschen, rechts und links. Nun war der Korrespondent verdutzt. So war das nicht gemeint. Von ihr offenbar auch nicht: Spätere Interview-Anfragen blieben unbeantwortet.

Christoph Neidhart

© SZ.de/dgr/chwa
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