Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz:Wie sich Frauen wehren können

Einfach mal zurückstarren - Wie Frauen plumpe Anmachen abwehren

Ein wohlmeinendes Tätscheln in Ehren kann keine verwehren? Im Gegenteil: Arbeitnehmerinnen, die sich im Job belästigt fühlen, haben Möglichkeiten, gegen die Übergiffe vorzugehen.

(Foto: dpa-tmn)

Muss sich eine Frau den Klaps auf den Po gefallen lassen? Oder die Anrede als "geiles Etwas"? Die Antwort lautet in beiden Fällen: nein. Wo Arbeitnehmerinnen Grenzen ziehen dürfen - und welche Rechte sie bei Belästigungen am Arbeitsplatz haben.

Von Catrin Gesellensetter

Erst hatte er eine Kollegin "durch einen Schlag auf das Gesäß beleidigt" und war dafür bereits abgemahnt worden. Wenige Monate später forderte der Produktmanager aus Paderborn eine andere Mitarbeiterin auf, doch "nicht so mit ihren Reizen zu geizen". Dann stellte er "in Bezug auf einen Zollstock einen anzüglichen Vergleich an". Als er der Kollegin auch noch ein "eindeutiges Angebot" unterbreitete, hatte die genug. Sie machte die Vorfälle publik - und der Mann wurde von seinem Arbeitgeber, einem Möbelhaus, entlassen (Bundesarbeitsgericht, Az. 2 AZR 323/10). Nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit.

Nicht immer werden Übergriffe so konsequent sanktioniert. Zwar hat der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren viel getan, um sexuelle Übergriffe im Arbeitsalltag zu verhindern und die Täter - auch finanziell - zur Rechenschaft zu ziehen. Die Internationale Arbeitsorganisation aber schätzt, dass in der EU zwischen 40 und 50 Prozent der Frauen im Beruf schon einmal sexuell belästigt wurden.

Erhebungen in Deutschland kommen zu ähnlichen Ergebnissen. In einer Studie des Bundesministeriums für Frauen und Familie gaben 2003 mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen an, mindestens einmal Opfer sexueller Belästigung geworden zu sein. 22 Prozent der berufstätigen Frauen erlebten die Übergriffe am Arbeitsplatz, die Täter waren überwiegend Männer.

"Frauen fällt es häufig schwer, sich zur Wehr zu setzen"

Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), hält die Zahlen noch immer für realistisch. Und sie geht davon aus, dass es, heute wie vor zehn Jahren, eine sehr hohe Dunkelziffer gibt. "Gerade wenn Frauen in Abhängigkeitsverhältnissen belästigt werden, wie etwa am Arbeitsplatz, fällt es ihnen häufig schwer, sich zur Wehr zu setzen", sagt Lüders.

Das sei nachvollziehbar - müsse aber nicht so sein: Wer im Zusammenhang mit seiner Arbeit sexuell belästigt wird, könne von seinem Arbeitgeber nicht nur verlangen, dass dieser etwas dagegen tut. "Mitunter haben Mitarbeiter sogar ein Leistungsverweigerungsrecht, sie dürfen also ohne Gehaltseinbußen zu Hause bleiben, um sich vor weiteren Übergriffen zu schützen."

Solche Ansprüche durchzusetzen, kostet viele Betroffene viel Kraft. Schon die Frage, was genau eine "sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz" ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Paragraf drei des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes versucht eine Definition. Wirklich trennscharf ist die Formulierung nicht.

Wann liegt ein "unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten" vor? Dazu gehören, so das Gesetz, "unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen", und "sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen".

Wann "bezweckt oder bewirkt" ein Kollege, "dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird"? Das Gesetz: "Insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird."

Wann der Arbeitgeber handeln muss

"Ob ein bewundernder Blick als erlaubte Anerkennung oder als sexuelle Herabwürdigung zu bewerten ist, entscheidet sich nicht nach der Intention des Betrachters. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Aufmerksamkeiten objektiv betrachtet erwünscht oder unerwünscht waren", erklärt Oliver Kieferle, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus München. Das heißt: "Spätestens, wenn ein unbeteiligter Beobachter erkennen konnte, dass ein bestimmtes Verhalten vom Adressaten als belästigend oder herabwürdigend empfunden wurde, ist der Arbeitgeber zum Handeln aufgerufen", sagt Kieferle.

So werteten verschiedene Gerichte denn auch diese Fälle: Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Kollege einer Auszubildenden per SMS folgende Nachricht sandte - "Hallo, du geiles Etwas, heute komme ich zu dir und dann bumsen wir eine Runde". Die Geschäftsleitung erfuhr von dem Vorfall und sprach umgehend eine fristlose Kündigung aus - zu Recht, wie das Gericht bestätigte (Az. 9 Sa 853/01).

Ebenso rechtfertigt die Aussage eines Mitarbeiters - "Frauen wie dich hatte ich schon Hunderte" - eine fristlose Entlassung (Arbeitsgericht Frankfurt, Az. 15 Ca, 847/03). Auch wer seiner Kollegin pornografische Fotos zeigt, um ihr dann anzubieten, "solche Bilder auch von ihr machen zu können", muss fristlos gehen (LAG Schleswig-Holstein, Az. 3 Sa 163/06). Wenn der Chef davon erfährt.

Wenn der Ansprechpartner der Täter ist

"Genau das ist häufig aber nicht der Fall", sagt ADS-Chefin Lüders. "Nicht alle Frauen haben genügend Selbstvertrauen, um sexuelle Belästigungen bei ihrem Chef, dem Betriebsrat oder einer Beschwerdestelle zu melden." Erfolgen die Übergriffe durch einen Vorgesetzten oder gar den Unternehmenschef ist die Sache noch komplizierter - häufig sei der Ansprechpartner dann auch der Täter. Frauen sollten dann Rat bei einer unabhängigen Stelle suchen.

In der Praxis aber resignieren viele Frauen oder entscheiden sich für eine weniger nervenaufreibende Lösung - beispielsweise, indem sie sich einen neuen Job suchen und ihr altes Arbeitsverhältnis kündigen. Dabei gäbe es, was das Juristische betrifft, auch andere Möglichkeiten, mit einer solchen Situation umzugehen.

"Wenn die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vom Arbeitgeber selbst ausgeht oder dieser eine Belästigung durch einen anderen Mitarbeiter nicht unterbindet, können Beschäftigte im Einzelfall auch das Recht haben, den Dienst zu verweigern", sagt Anwalt Kieferle. "Bezahlen muss ihr Arbeitgeber sie trotzdem." Selbst wer, statt sich mit dem Chef anzulegen, lieber kündigt, kann nachträglich noch zu seinem Recht kommen. Kieferle erläutert: "Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Arbeitgeber zum Schadenersatz verpflichtet sein - selbst wenn die betroffenen Mitarbeiter aus dessen Betrieb bereits ausgeschieden sind."

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