Selbstversuch:Gehaltstests im Test

Gehaltsanalysen versprechen eine objektive Einschätzung des Marktwerts. Doch was ist, wenn sie zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen? Wir haben drei Checks verglichen.

Von Jutta Pilgram

Vor drei Wochen ist Tobias Wettmann zum ersten Mal in seinen dunkelblauen Dienstwagen gestiegen. Der Bauingenieur hat gerade einen neuen Job bei einem mittelständischen Brandschutz-Unternehmen in Südhessen angetreten, und als Projektleiter steht ihm hier ein nagelneuer Audi zu. Wettmann (Name geändert) arbeitet 45 Stunden in der Woche und bekommt dafür ein Bruttomonatsgehalt von 4000 Euro, außerdem Weihnachts- und Urlaubsgeld. "Nicht schlecht", findet der 26-jährige Fachhochschulabsolvent.

Selbstversuch: 500 Euro zu viel oder zu wenig? Gehaltstests liefern oft keine eindeutigen Aussagen.

500 Euro zu viel oder zu wenig? Gehaltstests liefern oft keine eindeutigen Aussagen.

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Trotzdem würde er gerne wissen, wie sein Arbeitgeber ihn eingestuft hat. Verdient er mehr als ein durchschnittlicher Bauingenieur in seinem Alter? Oder hat er bei der Gehaltsverhandlung hoch gepokert? Die Kollegen kann er nicht fragen, also macht er einen Gehaltstest im Internet. Gleich dreimal füllt er ein Internet-Formular aus, jedesmal mit denselben Fragen: Überstunden? Positionsebene? Teamverantwortung? Altersvorsorge? Firmenwagen? Pro Fragebogen dauert das zehn bis dreißig Minuten.

Das schnellste Ergebnis kommt vom Verein Deutscher Ingenieure, der einen kostenlosen Check anbietet. Wettmann erfährt, dass er mit 7275 anderen außertariflich bezahlten Projekt-Ingenieuren verglichen wurde. Und dass er im Jahr genau 4846 Euro mehr verdient als der Durchschnittskollege. Auf sechs weiteren Seiten folgt ein Wust an statistischen Werten, aus denen er nicht schlau wird. "Wenn man Begriffe wie Median und Streuung nicht 100-prozentig parat hat, kann man damit nichts anfangen."

Vierundzwanzig Stunden braucht der Anbieter Personalmarkt, um seine Gehaltsanalyse zu erstellen. Das wichtigste Ergebnis in dem persönlich abgefassten Schreiben: "Sie erzielen ein höheres Gesamtgehalt als 93 Prozent der Männer in Ihrer Referenzgruppe." Tobias Wettmann freut sich: "So hätte ich das auch eingeschätzt." Die Auswertung basiert auf 61 Vergleichsprofilen, die aus einer Datenbank mit insgesamt fast 200.000 Personen stammen. Die Ratschläge zu seiner Karriereplanung, die auf die Gehaltsanalyse folgen, findet er brauchbar. Das steht zum Beispiel: "Die meisten Personen, die ein höheres Gehalt als Sie beziehen, arbeiten in Unternehmen mit 101 bis 500 Mitarbeitern. Ein Wechsel in ein größeres Unternehmen würde sich daher wahrscheinlich positiv auf Ihr Gehalt auswirken." Das hat Tobias Wettmann zwar nicht vor, aber als Information findet er den Hinweis nützlich.

Nach zwei Werktagen liefert das Geva-Institut seine Auswertung. Wettmann wundert sich: Hier rangiert er auf einmal unter dem Mittelwert. Die 39 Personen der Vergleichsgruppe - allesamt Projektleiter in der Branche "Maschinen-Anlagenbau/-wartung, Werft" - verdienen im Jahr 3843 Euro mehr als er. "Verstehe ich nicht", sagt Wettmann, "eigentlich kriege ich doch ziemlich viel Kohle." Bei genauerer Vertiefung in die Analyse fällt auf, dass die Ingenieure der Referenzgruppe im Schnitt 36 Jahre alt sind. Weiter hinten im Kleingedruckten findet er dann auch den Durchschnittswert seiner Altersklasse - und liegt jetzt wieder über dem Mittel.

"So ein Check kann höchstens Anhaltspunkte liefern", meint Wettmann. Die Forderung nach einem höheren Gehalt würde er daraus auf keinen Fall ableiten. Vor allem, weil viele seiner Kommilitonen derzeit überhaupt keinen Job finden - egal wie gut ihre Zeugnisse sind. "Irgendwann will man nur noch arbeiten", sagt er, "und da ist einem alles andere egal."

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