Selbständig in kreativen Berufen:Wie man mit guten Ideen Geld verdient

Als selbständiger Künstler verdient man nichts. Oder? Schauspieler und Ökonom Christoph Backes sieht das anders. Er berät kreative Freiberufler auf dem Weg zu unternehmerischem Erfolg. Im Interview erklärt er, warum sich fast jede Idee verkaufen lässt - und wieso viele Künstler selbst schuld sind, wenn sie nichts verdienen.

Maria Holzmüller

Christoph Backes ist Leiter des Bremer "u-Instituts für Unternehmerisches Denken und Handeln". Er berät Freiberufler und Selbständige aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, lehrt an mehreren Hochschulen und ist Mitorganisator des Ideenwettbewerbs "Kultur- und Kreativpiloten Deutschland". Bis zum 30. Juni können sich Künstler und Freiberufler aus der Kreativwirtschaft, die mit ihrer Idee unternehmerisch durchstarten wollen, bewerben. Den Weg aus der Kunst in die Wirtschaft kennt Backes aus persönlicher Erfahrung. Als Schauspieler und Regisseur entschied er sich erst mit 28 Jahren für ein BWL-Studium. Im Interview erklärt er, wie Künstler ihre Ideen richtig verkaufen, welche Fehler Freiberufler oft machen und warum man fast mit jeder Idee erfolgreich werden kann.

Christoph Backes

Berät Künstler und Kreative auf dem Weg in die unternehmerische Selbständigkeit: Christoph Backes.

(Foto: privat)

sueddeutsche.de: Herr Backes, gibt es die "brotlose Kunst" - oder kann man jede Idee verkaufen?

Christoph Backes: Die "brotlose Kunst" ist eher eine Haltung, die Menschen an Kunsthochschulen lernen: Nur Qualität bringt Erfolg, und Qualität wird sich schon durchsetzen. Dass es auch darum geht, den Wert dieser Qualität hervorzuheben, und zu vermitteln, welchen Nutzen diese kreative Dienstleistung haben kann - damit tun sich viele Kreative schwer. Sie denken eher, sie seien nicht gut genug und müssten einfach immer weiter üben. Im Grunde ist das eine Fehl-Bildung.

sueddeutsche.de: Woher kommen diese Schwierigkeiten?

Backes: Das hat viel mit einem traditionell gewachsenen Hochschulsektor zu tun. Alles Betriebswirtschaftliche wird mit Pest und Cholera gleichgesetzt, als Gegensatz zum Kreativen. Dabei sollte jeder Künstler auch das Wirtschaftliche, das Unternehmerische in den Fokus nehmen.

sueddeutsche.de: Das heißt, jeder Künstler sollte auch einen BWL-Kurs besuchen?

Backes: Nein. Aber jeder Künstler und Kreative muss sich darüber klarwerden, dass er seine Idee auch verkaufen muss. Das heißt nicht, dass sie ihre Kunst verändern, sondern nur, dass sie den Wert ihrer Kunst herausarbeiten müssen. Bei den Kultur- und Kreativpiloten geht es uns darum, den Leuten zu vermitteln: Dass ihr anders seid, dass ihr kreativ denkt und eine andere Perspektive einnehmen könnt - genau das bringt der Wirtschat einen großen Nutzen. Ihr habt ganz viel Know-how, das gebraucht wird. Das wirtschaftliche Potential der Ideen muss nur den potentiellen Kunden vermittelt werden.

sueddeutsche.de: Warum gelingt das vielen Künstlern nicht?

Backes: Die wenigsten Künstler schreien "Juhu, ich hab Lust auf Geldverdienen." Die meisten wollen vor allem gut schreiben, gut malen, gut tanzen und sich kreativ und künstlerisch ausleben. Irgendwann merken sie dann, dass es nicht geht, ohne sich mit den Rahmenbedingungen und der Frage "Wer bringt das Geld?" auseinanderzusetzen.

Typische Fehler von Kreativen

sueddeutsche.de: Welche Fehler machen Selbständige aus der Kreativwirtschaft?

Backes: Zum einen sehen sie Ökonomie als Feindbild - das bringt sie nicht weiter. Die meisten denken außerdem, sie müssten möglichst viele gute Ideen haben, am besten jeden Tag etwas Neues. Für Ökonomen ist das eine Kostenfalle. Jede Idee kostet Geld. Die große Kunst ist, eine einzige Idee ganz oft zu verkaufen. Und der dritte Fehler von Kreativen ist, dem Glauben anzuhängen, irgendwann von einem Manager entdeckt zu werden, der einem die lästige Aufgabe des Verkaufens abnimmt.

sueddeutsche.de: Warum fällt es Künstlern so schwer, ihre Arbeit auch zu verkaufen?

Backes: Nehmen wir bildende Künstler: Eines ihrer Grundprobleme ist oft, dass sie auf der Leinwand sehr kreativ sind, aber nur genau zwei Vermarktungswege kennen: Sie suchen sich einen Galeristen oder einen Mäzen, der ihnen ihre Kunst abnimmt. Das ist nicht sehr kreativ, wenn man bedenkt, dass es in der Wirtschaft ungefähr zwei Millionen Vermarktungsmöglichkeiten gibt. Künstler, die eine Aversion gegen das Wirtschaftliche haben, sollten das einfach auch als Teil der Kunst sehen und kreativ werden. Es gibt viele Möglichkeiten, eine Idee zu vermarkten und eine Nische zu finden. Beispielsweise haben wir im Jahr 2010 Graffitikünstler ausgezeichnet, die die Bestattungsbranche für sich entdeckt haben und jetzt Urnen designen.

sueddeutsche.de: Wie erreiche ich als Kreativarbeiter die Leute, die für mich wichtig sein könnten?

Backes: Die Kreativarbeiter müssen sich vor allem in ihr Gegenüber hineinversetzen. Wie denkt der über mich und meine Welt? Wie hole ich ihn ab? Es macht keinen Sinn, in der Kommunikation besonders avantgardistisch sein, wenn mein Gesprächspartner das nicht versteht. In der Ausbildung lernt man als Künstler seinen eigenen Stil, seine eigene Handschrift - und wenn man damit auf den Markt geht, merkt man plötzlich, dass der Markt das gar nicht rezipieren kann. Also muss man nochmals eine Verpackung bauen, die die eigentliche Kunst vermittelt.

sueddeutsche.de: Wie muss diese Verpackung aussehen?

Backes: Die darf ruhig anders aussehen als das eigentliche Produkt. Das Programmheft für neue Musik muss die Menschen abholen und dazu bringen, sich das Konzert anzuhören und sich dann begeistern zu lassen. Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Allerdings sind gerade Künstler oft der Meinung, der Wurm müsse dem Angler schmecken.

"Ein Standardprogramm gibt es nicht"

sueddeutsche.de: Gibt es Regeln, an die sich Kreative halten können, wenn es ums Verkaufen geht?

Backes: Ein Standardprogramm, das man sich aneignen kann, gibt es leider nicht. Die Leute müssen einen eigenen Auftritt für ihre Idee gestalten. Die kann man mit genauso viel Lust und Spaß erarbeiten wie das eigentliche Produkt. Man kann zwar Techniken lernen, aber was die Kunst ausmacht, kann man nur aus sich selbst entwickeln. Den Gewinnern des Wettbewerbs "Kultur- und Kreativpiloten" helfen wir dabei, in Form eines Coachings. Dort treffen sie auf Künstler und Unternehmer, die diesen Weg bereits gegangen sind.

sueddeutsche.de: Nach welchen Kriterien zeichnen Sie Ideen bei den Kultur- und Kreativpiloten aus?

Backes: Die Kriterien der Bewerbung liegen im Bewerber. Es gibt eine Jury aus neun Personen mit unterschiedlichem Hintergrund. Da sitzen Banker, Berater und auch Unternehmer drin. Jeder Kandidat wird aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Eine Idee hat man schnell mal, aber Bewerber müssen auch vermitteln, dass sie diese auf jeden Fall umsetzen wollen. Wenn sie alle neun Jury-Mitglieder davon überzeugen, dann zählen sie zu unseren Gewinnern.

sueddeutsche.de: Wie ist die Resonanz auf den Wettbewerb?

Backes: Beim ersten Mal haben wir mit 150 Ideen gerechnet. Am Ende wurden es 756 und unser Server ist zusammengebrochen.

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