Schulforscher R.-T. Kramer:"Der Einfluss der Pädagogen ist höher"

Schulforscher R.-T. Kramer: Internatslehrer vermitteln ihren Schülern Wissen, sind aber auch deren ertraute, sagt Rolf-Torsten Kramer. Deswegen sei die Arbeit der Pädagogen in Landschulheimen besonders anspruchsvoll.

Internatslehrer vermitteln ihren Schülern Wissen, sind aber auch deren ertraute, sagt Rolf-Torsten Kramer. Deswegen sei die Arbeit der Pädagogen in Landschulheimen besonders anspruchsvoll.

(Foto: Privat)

Eine fundierte Pädagogik-Ausbildung ist für Lehrer, die an Landschulheimen unterrichten, sehr wichtig.

Interview von Christine Demmer

In zahlreichen Kinder- und Jugendbüchern, etwa in der Romanreihe "Harry Potter" werden Internatslehrer als Originale beschrieben. Das dürfte nicht immer der Fall sein. Aber wer an einem Internat unterrichtet, hat in der Regel einen anderen Anspruch an seine Arbeit, sagt Professor Rolf-Torsten Kramer, 47. Er lehrt Schulpädagogik und Schulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

SZ: Was können Eltern von den Lehrkräften an Internaten erwarten?

Rolf-Torsten Kramer: Eltern werden gute Gründe haben, ihr Kind auf eine Internatsschule zu schicken. Häufig hat das mit dem besonderen Profil der Schule zu tun. Die Mütter und Väter erwarten dann selbstverständlich, dass ihr Kind in Richtung dieses Profils gefördert wird: bessere Zeugnisse, bessere Abschlüsse, größere kommunikative oder soziale Kompetenzen.

Wie groß ist der Einfluss der Pädagogen auf die Schüler an Internaten?

Der Einfluss der Lehrer an Internatsschulen ist höher als an Regelschulen. Auch ihr Stellenwert. Die Lehrkräfte haben auch außerhalb des Unterrichts viel mit den Kindern und Jugendlichen zu tun und wirken unablässig auf sie ein. Das sollte den Eltern klar sein, denn um diese pädagogische Leistung zu bekommen, haben sie ja einen Teil ihrer Erziehungsbefugnis an die Internatsschule abgegeben. In den Lehrern können den Eltern also starke Opponenten entstehen. Dessen sollten sie sich bewusst sein.

Welche Charaktere unterrichten lieber in einem Internat als in der Regelschule?

Das hängt vom Selbstverständnis des Pädagogen ab. Wer sich in erster Linie als für den fachbezogenen Kompetenzerwerb zuständig betrachtet, wird sicher eher an einer Regelschule arbeiten wollen. Lehrer und Lehrerinnen mit einem ausgeprägten sozialpädagogischen Profil, die größere pädagogische Zuständigkeiten für sich reklamieren, entscheiden sich gern für das Internat.

Manche Ausbilder an Internaten haben zwar ein Fachstudium, aber kein Pädagogikstudium absolviert. Ist das für die Schüler von Vor- oder Nachteil?

Pädagogische Qualität ist keine Frage der sozialen Ausstattung. Soll heißen: Richtige Erziehung kann man lernen. Deshalb ist auch für die Tätigkeit in Internaten eine qualitätvolle Lehrerausbildung unverzichtbar. Weil die Verantwortung für die Schüler ungleich höher ist als an Regelschulen. Fehlhandlungen können nachhaltige Wirkungen haben. Dafür braucht es eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung. Selbstverständlich kann es Lehrer geben, die kein Lehramt studiert haben und ihre Arbeit trotzdem gut machen. Aber ein gehaltvolles Studium mit abgeschlossenem Referendariat ist besser.

Stimmt das Vorurteil, dass Pädagogen an Internaten die Anforderungen des Staatsdienstes nicht erfüllen? Sind sie womöglich die schlechteren Lehrer?

Der Staat verlangt viel für den Beamtenstatus. Im Gegenzug bietet er aber auch viel. Es gibt Lehrer, denen das nicht genug ist. Die wollen freier mit den Schülern arbeiten, die haben einen tief gehenden pädagogischen Impetus, die wollen nicht nur unterrichten, sondern auch erziehen. In Internaten mit einer starken Tradition, egal ob kirchlich oder reformpädagogisch oder mit hohem Leistungsanspruch, findet man oft Lehrkräfte, die besser zu diesem Profil passen und deshalb gern in Landschulheimen unterrichten. Schlechtere Lehrer sind sie deshalb nicht.

Müssen Lehrer in Internaten mehr arbeiten als andere Pädagogen? Sie haben ja Zusatzaufgaben wie Hausvater oder die Leitung von Arbeitsgemeinschaften.

Die Lehrtätigkeit im Internat ist eine andere Art von Arbeit als die in einer Regelschule. Während des Unterrichts ist man Lehrer, davor und danach, gerade als Hausvater oder Hausmutter, eher der Vertraute der Schüler. Lehrer an Internaten haben also zwei verschiedene Arten von Beziehungen zu den Schülern. Das macht die Arbeit schwieriger. Ob sie mehr arbeiten müssen, kann ich nicht sagen. Aber sie müssen anders arbeiten.

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