Schule oder Lehre:Nichts wie raus hier!

Wer die Nase voll vom Lernen hat, steht vor der Wahl: Schule weitermachen oder abgehen? Eine Entscheidung mit Folgen - die große Freiheit findet sich nicht immer dort, wo man sie vermutet.

Wenn die Schule nervt, sind zehn Jahre pauken verdammt lang. Umso schöner, wenn der Abschluss naht. Dann ist erstmal Schluss mit dem Lernen - so die Vorstellung vieler Jugendlicher. Falsch gedacht! Eltern, Freunde und Bekannte drängen zur Weiterbildung, schließlich will man sich alle Türen offen halten.. Doch soll man sich zur Schule zwingen, wenn das Lernen nur noch eine Qual ist? Schließlich kann auch die Ausbildung in einem Unternehmen ihre Vorteile haben.

Schule oder Lehre: Keine blöden Lehrer mehr, dafür aber eine hohe körperliche Belastung: die Lehre als Alternative zur Schule.

Keine blöden Lehrer mehr, dafür aber eine hohe körperliche Belastung: die Lehre als Alternative zur Schule.

(Foto: Foto: ddp)

Es verlockend: Nicht mehr büffeln, keine blöden Lehrer mehr und endlich sein eigener Herr sein. Doch ganz so einfach gestaltet sich eine Ausbildung nicht. "Viele vergessen, dass eine Lehre auch eine hohe körperliche und zeitliche Belastung darstellt", sagt Heiko Knapp, Ausbildungscoach beim Verein für Kultur und Bildung in Frankfurt. Außerdem übernehme der Azubi ein hohes Maß an Verantwortung.

Sich mit 16 oder 17 für einen Beruf zu entscheiden, sei ein großer Schritt. Wer eine Lehre wählt, um schulischen Strapazen aus dem Weg zu gehen, verschätzt sich oft. "Die Ausbildung ist ein schwieriger Weg. Wer mit einer Null-Bock-Einstellung von der Schule abgeht, hat auch im Ausbildungsbetrieb schlechte Karten", warnt Knapp. Und auch Geld sollte dabei kein Auswahlkriterium sein.

"Das Geld spielt eine große Rolle"

Trotzdem ist die finanzielle Unabhängigkeit für viele Jugendliche das ausschlaggebende Argument für eine Berufsausbildung. "Das Geld spielt schon eine große Rolle. Die Jugendlichen fühlen sich einfach reifer", sagt die Diplom-Pädagogin Azbiye Kokol aus Köln.

Die Leiterin des Jugendzentrums Meschenich berät Jugendliche beim Übergang von der Schule zum Beruf. Ihr Tipp: "Wer die finanziellen Kapazitäten mitbringt, sollte zumindest sehr stark darüber nachdenken, die Schule weiterzumachen." Die Berufschancen seien danach einfach vielfältiger.

Doch auch ein Schulabgang muss nicht endgültig sein. "Es gehen zwar nur wenige wieder zurück, aber es ist möglich", sagt Kokol. Berufskolleg oder Abendschule bieten auch nach der Ausbildung die Möglichkeit, einen höheren Bildungsabschluss zu erlangen. Mit viel Fleiß und Arbeit sei auch ein Fachhochschulstudium für Ex-Azubis möglich. Allerdings ist die Rückkehr ins System Schule nicht einfach.

In der zehnten Klasse ist es schon zu spät

Um die wichtige Entscheidung richtig treffen zu können, müssen Schüler schon früh in die Zukunft blicken, rät Johannes Becker, Leiter der Jugendwerkstätten der Jugendhilfe in Köln. "In der zehnten Klasse ist es fast schon zu spät, sich Gedanken zu machen. Wer eine Ausbildung anfangen möchte, muss ja schon in der neunten Klasse Bewerbungen schreiben." Er empfiehlt, die Entscheidung nicht nur mit sich selbst auszumachen. "Eltern, Freunde oder ein Lehrer des Vertrauens können eine gute Hilfe sein."

Neben diesen privaten Hilfsquellen gibt es auch professionelle. Am bekanntesten ist die Berufsberatung der Arbeitsagentur. "Doch auch an den Schulen gibt es Sozialarbeiter, die verschiedene Beratungen anbieten. Oft binden Lehrer dies schon in den Stundenplan ein", sagt Becker. In Jugendzentren oder Vereinen gibt es ebenfalls kostenlose Beratungen. Um seine Stärken und Schwächen auszuloten, lohnt ein Besuch in einer Kompetenzagentur.

Gründliche Überlegung

Schule ermöglicht Qualifikationen, die viele Berufe erst in Reichweite bringen. Doch nicht jeder hat das soziale Umfeld, die Noten oder gar die Motivation für zwei bis drei weitere Jahre im Klassenzimmer. "Doch auch in der Ausbildung muss man von Beginn an vollkommen dabei sein", gibt Knapp zu bedenken. Dazu gehören Lernbereitschaft, Pünktlichkeit, Teamfähigkeit und viele weitere Kompetenzen.

Letztendlich muss jeder Schüler die Wahl zwischen Schule und früher Berufslaufbahn selbst treffen. Wer eine Ausbildung anstrebt, sollte den Wunschberuf jedoch genau abchecken. Welche Aussichten hat er in der Zukunft? Sind das wirklich meine Interessen? Habe ich dafür die Zugangsvoraussetzungen? "Um sich ein genaues Bild zu machen, empfiehlt es sich, die Unternehmen vorher kennenzulernen. Oft werden Tage der offenen Tür angeboten. Auch Praktika bieten solch einen Einblick", erklärt Knapp.

Von der Vielfalt überfordert

Sich die Informationen für einen guten Start nach der zehnten Klasse zu beschaffen, ist vielleicht nicht schwer. Sich bei der Vielfalt an Angeboten zu entscheiden, dagegen schon. Unüberlegte Frühschüsse können zu bitteren Enttäuschungen führen. Eine gute Beratung sollte daher immer dazugehören. Ob man am Ende abgeht oder weiter die Schulbank drückt, ist aber letztendlich egal. Hauptsache die Wahl macht glücklich. Dann stimmt auch die Motivation.

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