Schule:Bildung mit und ohne PC

Computernutzer sind die besseren Schüler, behauptet die OECD. Zu Unrecht: Ihre Studie zeugt von methodischem Analphabetismus.

Ludger Wößmann

Der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gebührt großes Lob dafür, dass sie mit ihren Pisa-Studien das Thema Bildungsqualität auf die öffentliche Agenda gebracht hat. Auf einem anderen Gebiet aber erweist sie der Öffentlichkeit einen Bärendienst: bei der wissenschaftlichen Analyse der eigenen Daten. In ihrem kürzlich veröffentlichten Bericht "Sind Schüler bereit für eine technologiereiche Welt?" stellt die Organisation dar, dass 15-jährige Schüler, die zu Hause keinen Computerzugang haben, in den bei Pisa getesteten Fächern Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen wesentlich schlechter abschneiden. Diese Aussage basiert auf einfachen Vergleichen der Pisa-Leistungen zwischen Schülern mit und ohne heimischem Computerzugang.

Kind vorm PC

Je früher an den PC desto besser? Diesen Beweis konnte bislang noch keiner liefern.

(Foto: Foto: ddp)

Nun ist aber allgemein bekannt, dass die Computerausstattung vom familiären Hintergrund abhängt - und dass dieser familiäre Hintergrund wiederum einen starken eigenen Einfluss auf die Pisa-Leistungen hat. Schüler mit Computerzugang könnten also schon deshalb besser abschneiden, weil sie von einem besseren familiären Hintergrund profitieren. Eben dies haben weit beachtete Untersuchungen des ifo Instituts nachgewiesen.

Berücksichtigt man zudem weitere Faktoren wie die individuellen Eigenschaften der Schüler oder die Ausstattung der Schulen, dann verschwindet der von der OECD berichtete positive Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Computerzugang und -nutzung gänzlich. Ein positiver Effekt auf das Erlernen der Pisa-Basiskompetenzen ist nicht haltbar.

Bei der wissenschaftlichen Analyse der selbst erhobenen Daten legen die Pisa-Forscher also einen erstaunlichen methodischen Analphabetismus an den Tag. Daraus auch noch politische Schlussfolgerungen zu ziehen, ist höchst unverantwortlich.

Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass es zahlreiche unbeobachtete Faktoren geben könnte, die dazu führen, dass Computernutzer besser abschneiden. So könnte es zum Beispiel sein, dass Schüler, die aufgrund angeborener Eigenschaften mathematisch versierter sind, auch stärker den Computer nutzen. Solche Einflüsse lassen sich nur dann ausschalten, wenn Studien quasi wie in einem Experiment die Computer nach dem Zufallsprinzip auf die Schüler aufteilen. Dies hat die OECD nicht unternommen.

Amerikanische und israelische Untersuchungen, die entsprechende Methoden einsetzen, kamen in den letzten Jahren sogar zu dem Ergebnis, dass der Computereinsatz nicht nur keine positiven, sondern oftmals negative Auswirkungen auf die schulischen Leistungen hat. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Computer gerade daheim zumeist eben nicht zu Lernzwecken, sondern hauptsächlich zum Spielen eingesetzt werden.

Spielen statt lernen

Demgegenüber hebt die OECD-Studie zwar hervor, dass jeder zweite deutsche Schüler angab, den Computer daheim auch für Nachforschungen im Internet zu nutzen. Was die OECD aber verschweigt: Zugleich geben drei Viertel der Jungen an, den Computer häufig für Computerspiele zu nutzen! Damit hat der Computer zu Hause ein erhebliches Ablenkungspotenzial, das sich als Gefahr für das Lernverhalten erweisen kann.

Fraglos ist die Fähigkeit des Umgangs mit Computern in der heutigen Lebens- und Arbeitswelt von großer Bedeutung. Und gerade die Pisa-Daten belegen, dass die deutschen Schüler beim Umgang mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien im internationalen Vergleich nicht schlecht dastehen. Nur: Mit einer Verbesserung der in Pisa gemessenen Basiskompetenzen lässt sich ein Loblied auf das frühe Erlernen von Computerfähigkeiten nicht begründen. Diese Erkenntnis ist kein Ausdruck von Technologiefeindlichkeit, sondern nur von einem Realismus, der positive Effekte von Computern nicht auch noch in Bereichen sucht, in denen nicht alle Knabenmorgenblütenträume reifen.

Der Autor ist Bereichsleiter "Humankapital und Strukturwandel" am ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München.

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