Schulbücher im Warentest:Fehler! Kein Fehler!?

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Die Stiftung Warentest befand vor kurzem, in deutschen Schulbüchern stehe viel Unsinn. Dagegen wehrt sich der Verband der Bildungsmedien. Eine Auswahl der Argumente und Gegenargumente.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Schulbücher auf dem Prüfstand: Das Urteil der Gutachter bleibt umstritten, doch die Studie legt Schwächen offen. (Foto: Foto: dpa)

Die Nahrungspyramide ist falsch: Der Uhu steht über dem Fuchs; das bedeutet, dass der Uhu den Fuchs frisst.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Für den Uhu sind gerade junge Füchse eine leichte Beute. Da er weniger natürliche Feinde als der Fuchs hat, ist es nach Expertenmeinung (z.B. Ubbo Mammen, Greifvogel- und Eulenexperte der Universität Trier) üblich, ihn an die Spitze der Nahrungspyramide zu setzen.

Entgegnung der Stiftung:

Nach Biologie-Lexika dient die Nahrungspyramide der Darstellung, welche Organismen welchen anderen Organismen in einem Ökosystem als Nahrung dienen. Es ist richtig, dass Uhus im einen oder anderen Fall auch einen jungen Fuchs erbeuten können. Das typische Beutespektrum für Uhus stellen Füchse jedoch eindeutig nicht dar. Vielmehr erbeuten Uhus typischerweise Tiere, die in der Pyramide eine Stufe tiefer dargestellt werden. Die Argumentation mit einem Ausnahmefall überzeugt nicht, schließlich wird umgekehrt in der Literatur auch beschrieben, dass Füchse junge Uhus fressen. Nicht nur aus dem Nest gefallene sondern auch solche, die aus erreichbaren Brutplätzen (in Steinbrüchen) geholt werden können. Diese Darstellung wäre von uns auch nicht als gravierender Fehler gewertet worden, wenn in einem begleitenden Text zur Abbildung eine Erläuterung des unstrittig recht komplexen Nahrungssystems im Wald erfolgt wäre. Diese findet sich jedoch in dem betreffenden Schulbuch nicht. Der Schüler wird hier mit seinen - nicht unbedingt - sinnvollen Interpretationen allein gelassen.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Der Darm des Blauwals ist nur 4- bis 5-mal so lang wie sein Körper, nicht 56-mal so lang.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Dies ist ein (Schreib-) Fehler, der schnellstens korrigiert wird. Es sollte 5- bis 6-mal heißen.

Entgegnung der Stiftung:

Ob es sich hier um einen reinen Schreibfehler handelt, kann bezweifelt werden. Schließlich gibt es durchaus Wale bei denen Darm- und Körperlänge in dem angegebenen Verhältnis stehen (z. B. der Zwergwal, nicht aber der Blauwal). Anmerkung: Auch ein Schreibfehler ist in diesem Fall ein Fehler, da der Schüler dies nicht mit Hilfe des Buches erkennt.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Die Formel für die Berechnung des Blutalkoholspiegels ist um den Faktor 1000 falsch angegeben.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Diesen Fehler gab es im Erstdruck. Er ist in dem aktuell auf dem Markt erhältlichen Nachdruck bereits vom Verlag selbst verbessert worden. Stiftung Warentest wurde darüber am 5. 9. 2007 - also vor Veröffentlichung des Tests vom Verlag informiert.

Entgegnung der Stiftung:

Die Stiftung Warentest hat die Schulbücher in einem bestimmten Zeitraum eingekauft und die aktuellste Ausgabe getestet. Auch wenn einzelne Verlage später mitteilten, dass eine neue Druckauflage erstellt wurde, konnte die gesamte Prüfung nicht wiederholt werden. Anmerkung: In diesem Fall handelt es sich um ein Buch 1. Auflage 2006!

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Bei der Darstellung der Verdauung des Menschen steht die Aussage, dass im Magen "die Nahrungsteilchen aneinander zerrieben" werden. Das trifft zwar auf den Kaumagen von Vögeln zu, nicht aber auf den Menschen.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Die Nahrung wird durch die Peristaltik des Magens mechanisch zerkleinert, was auch durch das Aneinanderreiben der Nahrungsteilchen geschieht. Wichtiger ist allerdings die Fortführung des Gedankens im nächsten Satz, der die Zerkleinerung im Magen weiter erläutert. Hier wird auf das gründliche Kauen im Mund eingegangen, welches dann den Magen bei der Zerkleinerung entlastet.

Entgegnung der Stiftung:

Die Behauptung, die Nahrung würde im Magen des Menschen mechanisch zerkleinert, auch durch Aneinanderreiben der Nahrungsteilchen, ist falsch. Diese Behauptung steht nicht in Fachbüchern und auch nicht in den übrigen geprüften Schulbüchern. Die Nahrung kommt bereits als Brei in den Magen. Der Magen bewegt den Nahrungsbrei vorwärts, durchmischt ihn, desinfiziert die Nahrung und leitet die Eiweißverdauung ein.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Elektronenmikroskope vergrößern je nach Methode um mehr als eine halbe Million Mal und nicht wie im Schulbuch angegeben nur 20.000-fach. Da gleichzeitig die Vergrößerung des Lichtmikroskops mit 2000-fach angegeben wird, bekommt der Schüler den falschen Eindruck eines nur geringen Unterschieds zum Elektronenmikroskop.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Es ist sicherlich richtig, dass mit modernen Elektronenmikroskopen höhere Vergrößerungen erreicht werden können als 20.000-fach. Allerdings ist dazu eine aufwendige, zum Teil komplizierte Methodik nötig, die an dieser Stelle im Text in keiner Weise hätte erklärt werden können. Hier musste aus didaktischen Gründen reduziert werden.

Entgegnung der Stiftung:

Warum die tatsächlich erzielbare Vergrößerung einen höheren Erklärungsaufwand erfordern würde als der zu niedrig angegebene Wert, ist nicht nachvollziehbar. In anderen Schulbüchern finden sich durchaus andere Angaben von 500.000 bis 600.000. Die Angabe einer 20.000-fachen Vergrößerung erzeugt beim Schüler schlicht und einfach einen falschen Eindruck von der Leistungsfähigkeit dieser Technik.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

"Muskelzellen" heißen korrekt "Muskelfasern" und haben nicht einen, sondern viele Zellkerne.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Der Begriff der "Muskelzelle" ist gebräuchlich (siehe Lexikon der Biologie, Spektrum Verlag). In den genannten Quellen ist die Anzahl der Zellkerne wie in der vorliegenden Abbildung identisch. Im Schulbuch wird besonderer Wert auf den Begriff Muskelzelle gelegt, da im Kapitel der Zellbegriff eingeführt wird.

Entgegnung der Stiftung:

Tatsächlich besteht die Skelettmuskulatur nicht aus einkernigen Zellen, sondern aus sehr langgestreckten Muskelfasern, wobei in jeder Faser Hunderte gleich große Zellkerne an der Peripherie liegen. Die Zellgrenzen hintereinanderliegender Fasern sind (im Gegensatz zur glatten Muskulatur) nicht zugespitzt, sondern rechteckig. Nur glatte Muskulatur und Herzmuskulatur besteht aus Zellen mit je einem Kern.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Angaben zu Aufbau und Funktion der DNS fehlt.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Das Buch ist im Jahr 2000 erschienen, als die Erläuterung von Aufbau und Funktion der DNS im Lehrplan noch nicht vorgeschrieben wurden.

Entgegnung der Stiftung:

Das Buch ist nicht 2000, sondern 2006 aufgelegt worden. Es ist die Grundausgabe für sieben Bundesländer! Es ist unwahrscheinlich, dass die DNS in allen Lehrplänen fehlt.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Fehler beim Stoffkreislauf (Bakterien und Pilze fehlen)

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Da Bakterien und Pilze noch nicht eingeführt wurden, können diese Begriffe aus didaktischen Gründen an dieser Stelle noch nicht genannt werden. Bakterien und Pilze werden später näher erklärt.

Entgegnung der Stiftung:

Bakterien und Pilze sind Schülern der Sekundarstufe I der Gymnasien bekannt, auch lange vor Behandlung dieser Organismengruppen im Unterricht. Das Fehlen der Destruenten (Bakterien und Pilze) im Stoffkreislauf, der ohne diese Organismen kein Kreislauf ist, ist aus didaktischen Gründen nicht zu entschuldigen.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Falsche Größenverhältnisse von Zellbestandteilen

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Um die Zellbestandteile möglichst anschaulich darzustellen, wurden die Größen aus didaktischen Gründen etwas verfälscht und kein Maßstab in die Abbildung gelegt.

Entgegnung der Stiftung:

Man kann Zellbestandteile auch dann anschaulich darstellen, wenn sie in den richtigen Größenverhältnissen gezeichnet werden. In anderen Schulbüchern ist das auch gelungen.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Die Anleitung zum Erhitzen von Brennspiritus ist ohne Warnhinweise abgebildet.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Kein Fehler im eigentlichen Sinne, da es sich um Experimente handelt, die in der Schule unter Aufsicht des Lehrers durchgeführt werden sollen. Der Verlag wird jedoch in einem Nachdruck einen solchen Warnhinweis aufnehmen.

Entgegnung der Stiftung:

Warnhinweise gehören grundsätzlich in die Beschreibung von Experimenten, die mit Gefahrstoffen arbeiten. Dadurch wird natürlich der Lehrer nicht von seiner Pflicht der Beaufsichtigung des Experiments entbunden.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Sturz Erich Honeckers ist falsch datiert.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Dies ist ein Fehler, der schnellstens korrigiert wird.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Rücktritt Egon Krenz' ist falsch datiert.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Dies ist ein Fehler, der schnellstens korrigiert wird.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Die Einführung der Jugendweihe wird mal mit 1954, mal mit 1955 angegeben. Genauere Darstellungen wären wünschenswert, denn heutige Schüler wissen recht wenig über die DDR.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Die Entscheidung zur Einführung war 1954; die erste Weihe gab es dann 1955. Die Argumentation der Stiftung ist haarspalterisch.

Entgegnung der Stiftung:

Von einem Geschichtsbuch sind exakte Formulierungen einzufordern. Die Abweichung ist hier allerdings nur als kleiner Fehler bewertet worden und hat das Urteil kaum beeinflusst.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Ausbürgerung von Wolf Biermann ist falsch datiert. (Sommer 1976 statt richtig November 1976)

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Dies ist ein Fehler, der schnellstens korrigiert wird.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Die historische Pressekonferenz von Günter Schabowski zur Öffnung der Mauer wird auf "wirre Mitteilungen" reduziert.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Die Aussagen von Schabowski, die er am Abend des 9. November 1989 auf einer Pressekonferenz tätigte, können als "wirre Mitteilungen" bezeichnet werden.

Entgegnung der Stiftung:

Schabowski hat auf der Pressekonferenz am 9. November 1989 Ausreisemöglichkeiten in Aussicht gestellt (Nachricht über eine neue Reiseregelung), diese Mitteilung hat die nachfolgenden Entwicklungen zum Fall der Mauer ausgelöst. Dies auf "wirre Mitteilungen" zu reduzieren, ist nicht akzeptabel.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Entwicklung der Planwirtschaft wird unvollständig dargestellt.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Das Buch umfasst ein langes Kapitel (acht Seiten), in dem soziale Marktwirtschaft und Planwirtschaft im Vergleich dargestellt werden. Damit trägt das Buch den aktuellen Forderungen von Historikern und Geschichtsdidaktikern Rechnung, die deutsch-deutsche Geschichte nicht nacheinander, sondern im wechselseitigen Zusammenhang zu behandeln.

Entgegnung der Stiftung:

Unser Vorwurf lautete, dass das Buch "... Probleme der Planwirtschaft ..." ausblende, nicht dass keine Kapitel dazu enthalten seien. Es geht hier um die systemischen Probleme, die Markt- von Planwirtschaft unterscheiden.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Die Rolle der Frau in der DDR wird ganz knapp beschrieben, Aspekte der Arbeitsbelastung werden ausgeklammert.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Bei einer begrenzten Anzahl von Seiten müssen inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden. Die Autoren haben in diesem Teilkapitel den Fokus bei den Materialien auf die Themen "Soziale Errungenschaften der DDR versus Engpässe" sowie "Die Opposition in der DDR" gelegt.

Entgegnung der Stiftung:

Ein Geschichtsbuch hat die wesentliche Aufgabe, den Schülern historische Sachverhalte aus unterschiedlichen Perspektiven nahezubringen. Die Reduktion auf eine "staatstragende" Darstellung wird diesem Anspruch nicht gerecht. Die Erklärung des mangelnden Platzes überzeugt nicht.

Die Stiftung Warentest kritisiert:

Das Kapitel zur Einigung Europas fehlt.

Kommentare der Fachredaktionen oder Autoren:

Es liegt kein Fehler vor: Das Thema "Europa" ist in NRW Gegenstand von Jahrgangsstufe 9 und befindet sich demzufolge im Vorjahresband des untersuchten Lehrwerkes.

Entgegnung der Stiftung:

Das wurde nicht als Fehler gewertet (siehe auch das insgesamt am besten beurteilte Buch "Zeiten und Menschen 4"), wir haben lediglich auf diese Lücke hingewiesen, schließlich ist es für das Verständnis der Nachkriegsentwicklung wichtig, dass auch die aktuelle europäische Einigung beleuchtet wird.

© SZ vom 5.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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