Schul-Kantine:Viel Fleisch, viel Fett, wenig Gemüse

In deutschen Schulen und Kindertagesstätten wird oft ungesundes Essen serviert. Im Ausland ist die Qualität höher.

Jeanne Rubner

Ausgerechnet die Briten. Ihren Starkoch Jamie Oliver lassen sie gegen Fish and Chips und Sandwiches aus labbrigem Toast wettern, die bislang als Grundpfeiler der englischen Küche gelten. Nun soll die Oliver-Kampagne für mehr Gemüse und weniger Fett in Schulkantinen in eine hochoffizielle Vorschrift münden. Vom Herbst an, hat Schulminister Alan Johnson angekündigt, werden neue Standards gelten und "Jahrzehnten der Vernachlässigung" ein Ende setzen.

Ungesundes Schulessen in Ganzstagsschulen, hier: eine Currywurst

In deutschen Kindergärten und Schulen kommt häufig Ungesundes auf den Tisch.

(Foto: Foto: dpa)

Mindestens zwei Portionen Obst oder Gemüse sollen die Kinder dann täglich zu sich nehmen, Frittiertes darf es nur noch höchstens zweimal wöchentlich geben. Süßes sowie Fleisch minderer Qualität werden ganz von der Speisekarte verbannt. Mindestens 60 Pence, knapp einen Euro, sollen die Schulen für die Zutaten ausgeben. Werden die Briten nun endlich lernen, was gutes Essen ist? Deutsche Überheblichkeit ist fehl am Platz, hierzulande gibt es schließlich zu wenige Schulkantinen und kaum Regeln für das Essen.

Mittags einen Getreideburger

In Großbritannien scheinen die Aktionen des TV-Kochs Jamie Oliver jedenfalls einzuschlagen. Eltern sind begeistert - sie finden, dass sich innerhalb des vergangenen Jahres das Schulessen merklich gebessert hat. Caterer, die bislang eher auf Billigprodukte wie Hamburger aus Separatorenfleisch gesetzt hatten, mussten empfindliche Einbußen hinnehmen.

Schuldirektoren haben freiwillig oder auf Druck der Eltern dafür gesorgt, dass der Speiseplan gesünder und abwechslungsreicher wird. Manche haben sogar beobachtet, dass die Kinder, die mittags Getreide- statt Hackfleischburger essen, nachmittags konzentrierter und leistungsfähiger sind.

Besseres Schulessen ist auch in den USA im Trend, wo man sich Sorgen um die ständig zunehmende Fettleibigkeit von Kindern macht. Dort müssen zumindest jene Kantinen, die im Rahmen des nationalen Programms für Schulessen vom Landwirtschaftsministerium unterstützt werden, gewisse Regeln einhalten.

Inzwischen verbannen immer mehr Schulen Hamburger, Pizza und Pommes frites freiwillig vom Speiseplan. Kürzlich hat auch der Konzern Coca-Cola angekündigt, Automaten in Schulen nicht mehr mit pappsüßen Getränken zu bestücken - allerdings erst unter Druck, denn etliche Bundesstaaten hatten bereits Softdrinks per Gesetz aus den Schulen verbannt.

Das richtige Schulessen ist auch in Frankreich ein Dauerbrenner. Wann immer über Lebensmittel öffentlich diskutiert wird, sei es Rinderwahn oder Gentomaten, werden auch die Schulküchen kritisch beäugt. Schließlich isst jedes zweite Kind mittags nicht zu Hause. Sechs Millionen Schüler bekommen unter der Woche ihr meist dreigängiges Mittagsmenü in einer "cantine".

Deren Ruf hat sich in den letzten zehn Jahren erheblich gebessert, seit 2001 sind neue Richtlinien aus dem Landwirtschaftsministerium in Kraft, die - ähnlich wie jetzt in England - eine ausgewogenere Ernährung sowie strengere Lebensmittelkontrollen vorsehen.

In Deutschland, wo man sich allmählich an die Idee der Ganztagsschule gewöhnt, müssten Politiker sich wohl mehr Gedanken über das Mittagessen für Kinder machen. Die Zeiten, in denen Mama um halb zwei dampfende Knödel auf den Tisch stellte, sind jedenfalls vorbei. Selbst für jene, die nachmittags daheim sind, kann das Schulessen sinnvoll sein - schließlich sind viele Kinder sich selbst überlassen, jedes vierte kommt schon morgens ohne Frühstück ins Klassenzimmer. Schulkioske bieten häufig keine Alternative: Damit die Hausmeister einen Nebenverdienst haben, tolerieren viele Schulleiter den Verkauf von Schokoriegeln und Leberkässemmeln.

Eigene Küche? Zu teuer

Am meisten Erfahrungen mit Mittagessen haben noch Kindertagesstätten. Deren Angebot hielten Experten bei der letzten bundesweiten Untersuchung, das war 1997, für "verbesserungswürdig": zu viel Fleisch, zu viel Fett, zu wenig Gemüse und Vollkorn. Dabei ist es nicht unbedingt eine Frage, ob gekocht wird oder die Gerichte warm beziehungsweise tiefgekühlt angeliefert werden. "Alle Systeme können vernünftiges Essen anbieten", sagt Kerstin Clausen vom Dortmunder Forschungsinstitut für Kinderernährung.

Gleichwohl bevorzugen die Fachleute eine Küche am Ort, weil sich dann flexibler und frischer kochen lässt. Aus Kostengründen verzichten die meisten Schulen darauf und lassen das Essen von Caterern kommen. Die aber sind oft gar nicht auf Kinder spezialisiert, bemängelt Clausen.

Gutes Essen muss dabei gar nicht teuer sein. Kartoffeln, Gemüse und eine kleine Menge Fleisch gelten als optimal, oder Eintopf mit einem Stück Vollkornbrot. Und im Winter können durchaus auch mal Rote Bete oder Kraut den teuren und wenig nahrhaften grünen Salat aus dem Gewächshaus ersetzen. Das Argument, Kinder würden Gesundes verschmähen, lässt Kerstin Clausen nicht gelten. Mit Essensproben und Plakaten könne man die Kleinen an Neues heranführen: "Das essen sie dann durchaus."

Diese Erfahrung hat auch Jamie Oliver gemacht. Zunächst war der Koch entsetzt, dass viele Kinder Sellerie oder Rhabarber nicht kannten. Daraufhin nahm er sie mit auf einen Bauernhof, wo sie selber Spargel ernten durften. Den aßen sie dann, ohne Murren.

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