Schüleraustausch:Im Kimono durch Kanada

Ein normales Austauschjahr gilt beinahe schon als langweilig. Immer mehr Anbieter locken mit exotischen Zielen oder der Kombination von zwei Ländern.

Carina Frey

Schüleraustausch - das klingt nach Highschool, Football und Cheerleadern. Schließlich sind die USA das klassische Ziel für ein Austauschjahr. Aber längst zieht es Schüler auch nach Südamerika oder Fernost. Neu sind Kombinationen: Dabei verbringt man ein halbes Jahr in England, das andere in Frankreich. Oder man verbindet Japan mit Kanada. Das hört sich anspruchsvoll an - und das ist es auch. Denn kaum hat man sich in dem einen Land eingelebt, geht es im nächsten wieder von vorne los, sagt Barbara Engler von der Aktion Bildungsinformation (ABI e.V.) in Stuttgart.

Schüleraustausch: Erst nach Kanada, dann nach Japan: Die neuen Kombinationsangebote für Schüleraustausch machen es möglich.

Erst nach Kanada, dann nach Japan: Die neuen Kombinationsangebote für Schüleraustausch machen es möglich.

(Foto: Foto: Getty)

Im Januar nach Australien

Die Wahl des Landes hängt eng mit der Frage zusammen, wann es weggehen soll. In Australien fängt das Schuljahr Ende Januar an. Wer dort ein ganzes Jahr verbringen möchte, muss also mitten im deutschen Schuljahr weg. Und seit das Gymnasium nur noch acht Jahre dauert, sind die Möglichkeiten für ein Austauschjahr insgesamt begrenzter. "Viele gehen nach der neunten Klasse und lassen sich die zehnte anerkennen", sagt Engler. Dann sind die meisten Schüler ungefähr 15 Jahre alt - ziemlich jung, um sich in China oder Brasilien zurechtzufinden, findet Engler. "Das wäre schon ein Sprung ins kalte Wasser." Klaus Krimmel vom Arbeitskreis gemeinnütziger. Jugendaustauschorganisationen (AJA) sieht das ähnlich: Länder wie China oder Indien würde er eher 16- oder 17-Jährigen empfehlen. Jüngere hätten es in den USA leichter.

Wer so viel Neues wie möglich in ein Jahr packen will, wählt ein Kombi-Programm. Die Organisation Ayusa etwa bietet seit Sommer 2009 den Austausch "Two in One" an. Teilnehmer können neben Japan und Kanada auch England und Frankreich, den englischen und französischen Teil Kanadas oder Spanien mit Neuseeland kombinieren. Sie verbringen jeweils ein halbes Jahr in einem Land.

"Es gibt Leute, die sich nicht entscheiden können", sagt Daniela Pöder von Ayusa in Berlin. "Die wollen nicht nur ihr Englisch verbessern, sondern auch eine andere Sprache vertiefen." Und es gebe Leute, die vor allem etwas Außergewöhnliches machen wollten, ergänzt Claus Kunze vom Deutschen Fachverband Highschool, dem zwölf Austauschorganisationen angehören. "Für die ist so etwas geeignet."

Kritische Kombination

AJA-Repräsentant Krimmel sieht die Kombination eher kritisch: "Man hat ja nicht nur Eingewöhnungsprobleme, sondern auch Rückgewöhnungsprobleme." Bei einem Kombi-Austausch habe man das eine Land noch gar nicht richtig verarbeitet, da gehe es schon ins nächste. Außerdem dauert es seine Zeit, bis man sich im Ausland wohlfühlt. "Viele Austauschschüler sagen, dass sie erst das zweite Halbjahr in vollen Zügen genießen konnten. Dann waren sie voll integriert und hatten Freunde", erzählt Kunze.

Doch nicht alle Schulen sehen es gerne, wenn Schüler für ein ganzes Jahr ins Ausland gehen, hat Engler beobachtet: "Fünf Monate werden akzeptiert, aber nicht ein ganzes Jahr." Alternativ kann man ein Jahr aussetzen, also zum Beispiel nach der zehnten Klasse ins Ausland gehen und dann die elfte wieder in Deutschland verbringen. Der Vorteil: "Nach der Rückkehr kann man es lockerer angehen lassen." Der Haken: Man kommt nicht in seine Klasse zurück und schließt die Schule ein Jahr später ab.

"Besser als nichts"

Bevor es ins Ausland geht, sollte man sich außerdem fragen, was man überhaupt will: Geht es darum, eine Sprache zu vertiefen oder eine neue zu lernen? Oder möchte man vor allem eine andere Kultur kennenlernen? "Wer weniger als ein halbes Jahr weggeht, macht zwar eine interessante Erfahrung", sagt Krimmel. Aber eine andere Kultur kennenzulernen und sich darin zurechtzufinden, dauere länger. Bevor ein Austausch gar nicht klappt, rät er jedoch zur kurzen Variante: "Ein Jahr ist besser als ein halbes, das ist besser als drei Monate, und die sind besser als gar nichts."

Austauschschüler in den USA müssen sich darauf einstellen, erst kurz vor dem Abflug Informationen über ihre Gastfamilie zu bekommen. Der Grund: Es werde immer schwieriger, Gastfamilien zu finden, erklärt Barbara Engler vom Verein ABI. Es komme vor, dass die Schüler zunächst in Übergangsfamilien kämen und dann mehr oder weniger eigenständig nach einer eigenen Gastfamilie suchen müssten.

Wer sich für ein Land entschieden hat, weiß erst einmal nicht, wo er hinkommt. Bei Austauschprogrammen bezahlen die Gastschüler in der Regel weder für die Schule noch für die Unterkunft. Dafür könnten sie meistens auch keinen Einfluss auf Ort, Schule und die Gastfamilie nehmen. "Platzierungen in abgelegenen Gebieten sind durchaus möglich", heißt es in einer ABI-Broschüre. Das bedeutet, dass Schüler auf einsamen Farmen, in entlegenen Dörfern oder bei Familien ohne eigene Kinder landen können.

Bei Schulwahlprogrammen sieht das anders aus. Dabei können die Jugendlichen Wünsche zu ihrer Gastfamilie äußern und meist sogar die Schule aussuchen. "Das gibt mehr Sicherheit", sagt Engler. Allerdings müssten Eltern für diese Programme auch wesentlich tiefer in die Tasche greifen.

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