Schüler unter Leistungsdruck:"Zum Lernen braucht man Selbstvertrauen"

Die Erziehungsberaterin Elfie Schloter fordert ein besseres Miteinander von Eltern und Lehrern.

Nach der vierten Klasse weiß jeder Schüler in Bayern, wohin er gehört. Nach oben oder nach unten, aufs Gymnasium oder in die Hauptschule. Wie sehr Eltern, Lehrer und vor allem Kinder in der Zeit des Übertritts leiden, weiß die Psychologin Elfie Schloter von unzähligen Schulbesuchen und Elternabenden. Mehr als 30 Jahre lang arbeitete sie als Erziehungsberaterin, dann gründete sie eine bayernweit einzigartige Einrichtung. Das "Institut für Zusammenarbeit im Erziehungsbereich", das in Schulen ein Miteinander fördern will.

Schüler unter Leistungsdruck: "Zum Lernen braucht man Selbstvertrauen"
(Foto: Foto: iStockphoto.com)

SZ: Frau Schloter, Kinder leiden heute schon in der Grundschule unter Leistungsdruck. Was läuft schief?

Schloter: Die Eltern wünschen sich die beste Schulbildung für ihr Kind, am besten Abitur, um ihm die Zukunft nicht zu verbauen. Dieser Wunsch ist verständlich, aber oft verlieren die Eltern dabei den Blick für ihr Kind. Stattdessen starren sie wie die Lehrer nur noch auf die Noten, die doch wenig über das Können des Kindes aussagen. Fallen die Noten schlechter aus als erwartet, bedeutet das für Kinder oft Lernen, Lernen, Lernen.

SZ: Was ist daran so falsch?

Schloter: Je mehr sie ein Kind gängeln desto unselbständiger wird es. Das Kind gibt die Verantwortung an die Mutter oder den Nachhilfelehrer ab, was ja auch bequemer ist. Aber in den Proben entsteht dann das Gefühl, nichts mehr allein zu können. Und diese Versagensängste können das Kind völlig blockieren.

SZ: Wie kann man es besser machen?

Schloter: Die Eltern müssen mehr Vertrauen in ihr Kind haben. Kinder erreichen bessere Ergebnisse und persönliche Stärke, wenn sie selbstverantwortlich für ihr Lernen werden. Statt ständig auf Schwächen zu schauen, rate ich Eltern, die Stärken zu sehen. Zum Lernen braucht man Selbstvertrauen. Sie sollten weniger Lernstoff abfragen, als vielmehr mit ihrem Kind über Lebensinhalte diskutieren und ihre Interessen anregen.

SZ: Eltern haben oft das Gefühl, dass ihre Kinder ungerecht behandelt werden. Kultusminister Schneider spricht sich für mehr Elternrechte aus.

Schloter: Wo viele Menschen aufeinandertreffen, tauchen Konflikte auf. Wenn so schwierige Entscheidungen wie beim Übertritt verlangt werden, gibt es eine Tendenz sich gegenseitig schuldig zu sprechen. Wichtig ist: Bildung haben die Eltern nicht gelernt, die müssen sie den Lehrern überlassen. Eltern sind für die Erziehung zuständig. Allerdings müssten die Lehrer auch besser ausgebildet sein. Man bräuchte an den Schulen vor allem eine bessere Diagnostik, wo die verschiedenen Stärken der Kinder liegen.

SZ: Würden dann auch mehr Eltern die Real- oder Hauptschule für ihr Kind akzeptieren?

Schloter: Wenn Eltern begreifen, warum die Talente ihres Kindes im Gymnasium nicht gut gefördert werden können, dann wählen sie auch eine andere Schulform. Wir Erwachsenen haben doch alle die Aufgabe, die Anlagen und Begabungen der Kinder zu entwickeln.

SZ: Kann dieser Anspruch in den heutigen Schulen überhaupt erfüllt werden?

Schloter: Bei einer durchschnittlichen Klassengröße von 20 oder 30 Schülern ist das in der Tat schwierig. Wir bräuchten viel kleinere Klassen und eine gemeinsame Schulzeit bis zu einem Alter von etwa dreizehn Jahren. Der Unterricht könnte je nach Begabungen der Kinder differenziert werden.

Außerdem bräuchten die Lehrer mehr Unterstützung, etwa durch Sozialpädagogen und Psychologen. Kinder sind heute einer Flut von Reizen und Informationen ausgesetzt. Deshalb brauchen sie eine stärkere individuelle Förderung und Wertbezüge, die ihnen in einer unsicheren Welt Orientierung bieten. Finnland zeigt uns längst, wie eine gute Schule funktionieren kann. Aber dafür müssten Bayerns Politiker auch bereit sein, mehr Geld für Kinder auszugeben.

Interview: Birgit Taffertshofer

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