Schreiben lernen:Die Kunst der Szene

In Berlin werden Texter für Theater und Fernsehen ausgebildet.

Von Chris Löwer

"Jeder, der in deutscher Sprache schreibt, kann sich bei uns bewerben", sagt Oliver Bukowski, Betreuer im Studiengang "Szenisches Schreiben" an der Berliner Universität der Künste. Doch so leicht ist es nicht, die bundesweit einzigartige Ausbildung zum Texter für Theater und Television zu durchlaufen. Die Studienplätze sind begehrt und extrem rar: Zwischen sechs und zehn Plätze werden unter durchschnittlich 120 Bewerbern vergeben - und das auch nur alle zwei Jahre. Wer es schafft, wird Teil des kleinsten und erfolgreichsten Studienganges an der Kunsthochschule.

Allerdings wird den Kandidaten auch gleich zu Anfang klar gemacht, dass damit die Frage nach einem gesicherten Lebensunterhalt nicht beantwortet ist.

Für das Auswahlverfahren muss jeder Bewerber zehn Seiten eines eigenen Werkes vorstellen, ein szenisches Stück schreiben und eine Rezension verfassen. Wer diese Hürden erfolgreich überwunden hat, kann immer noch scheitern: "Es gibt ein Probejahr. Stellt sich die Studienplatzvergabe als Irrtum heraus, wird die Zeit des Betreffenden nicht länger unnütz vergeudet", sagt Bukowski.

Die Ausbildung gründet auf drei Säulen: Schreiben, Szene und Dramaturgie. Während des viersemestrigen Grundstudiums absolvieren die Studenten ein Theaterpraktikum und besuchen praxisbezogene und eher theorielastige Seminare. "Es kann nicht schaden, wenn ein Dichter denken kann. Deshalb haben wir Veranstaltungen zur Philosophie, Psychologie und Sozialtheorie in den Fächerkanon aufgenommen", sagt Bukowski. Außerdem gibt es eine Einführung in das Vertragsrecht. Im ebenfalls viersemestrigen Hauptstudium verfassen die Studenten schließlich eigene Hörspiele und Drehbücher und erproben sie in einer "dramatischen Werkstatt". Ziel ist es, spätestens bis zum Ende des Studiums einen abendfüllenden Theatertext zu verfassen. "So lange dauert das in der Praxis natürlich nicht", sagt Bukowski.

Professor Jürgen Hofmann ist der Leiter des Studiengangs - und selbst ein Mann der Praxis, der Theaterstücke schreibt und sie zur Aufführung bringt. Das macht Sinn, denn der Schwerpunkt des Studiums ist das Schreiben für das Theater. Dort finden sich die meisten Absolventen später auch wieder. Wenn sie nicht schon vorher ihren ersten öffentlichen Auftritt haben: Vielen Studenten gelingt es schon früh, ihre Stücke unterzubringen, sei es als Radio-Hörspiel oder an einer kleinen städtischen Bühne. "Ein Großteil führt während des Studiums an Bühnen auf oder hat einen Verlag gefunden", sagt Bukowski. Auf diese Weise hat sich der kleine und noch junge Berliner Studiengang bundesweit einen Namen gemacht: Acht der bisher zehn ausgeschriebenen Kleist-Förderpreise für begabte Jung-Dramatiker haben die szenischen Schreiber an die Spree geholt.

Möglicherweise liegt das auch ein wenig an der Prominenz, die verpflichtet werden konnte. Der Komiker Richard Rogler hat die bundesweit einzige Honorarprofessur für Kabarett inne. Sketch-Autoren des Privatsenders Sat.1 zeigen den Studierenden, wie man sich Lacher für Sendungen wie "Was guckst du?" oder "Sechserpack" ausdenkt.

Gleichwohl steht die federleichte Muse nicht im Mittelpunkt des Studiums, an der Hochschule hat man sich eher auf schwerere Kost spezialisiert. Dafür sorgen der fest verpflichtete Dramatiker Tankred Dorst, Gastdozenten wie die Autoren Alexej Schipenko und Rainald Goetz oder der Bundesfilmpreisträger Alfred Behrens. Während ihrer Zeit am Institut dürfen sie ihre Meinung über mehr oder weniger gelungene Stücke kundtun. "Diese Vielfalt, die auch verwirrend sein kann, ist ausdrücklich gewünscht", sagt Bukowski. Wir sind keine Meisterschule. Jeder soll seine eigene Handschrift entwickeln und pflegen."

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