Rechtsprechung:Lass mal Dampf ab

kaffeepause

Wer über Kollegen oder Chefs mal Dampf ablassen muss, sollte das tunlichst nicht in den sozialen Netzwerken machen.

(Foto: contrastwerkstatt - Fotolia)

Der Münchner Arbeitsrechtler Manfred Schmid erklärt, warum die Kaffeeküche im Gegensatz zum Internet der geeignetere Ort ist, um mal ein bisschen über den Chef zu lästern.

Interview von Ina Reinsch

Was in sozialen Netzwerken über Chef und Kollegen geäußert wird, liegt bisweilen unter der Gürtellinie. Die Arbeitsgerichte müssen sich daher in letzter Zeit vermehrt mit Kündigungen wegen ehrverletzender Äußerungen im Netz auseinandersetzen. Der Münchner Arbeitsrechtler Manfred Schmid hat sich die Rechtsprechung genauer angesehen.

SZ: Bei Ausdrücken wie "Menschenschinder" oder "faules Schwein" haben die Arbeitsgerichte eine Kündigung für zulässig erachtet. "Speckrolle" und "autistisches krankes Arschloch" haben sie dagegen durchgehen lassen. Wann ist die rote Linie überschritten?

Manfred Schmid: Rechtlich muss man zwischen einer zulässigen Meinungsäußerung und einer Schmähkritik unterscheiden. Als grobe Linie kann man sagen: Je unsachlicher eine Äußerung, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Wer beispielsweise tatsächlich bestehende Missstände im Betrieb in sozialen Medien auch in drastischer Weise gegenüber einem kleinen Kreis von Freunden oder Kollegen darstellt, geht ein geringeres Risiko ein als jemand, der eine polemische Schmähkritik in einem weiten, jedem zugänglichen Kreis äußert. Allerdings sage ich das mit aller Vorsicht, denn es kommt immer auf den Einzelfall an, der Richter hat einen weiten Spielraum. Eine in der Kaffeeküche geäußerte Kritik ist daher, wenn überhaupt, mehr zu empfehlen, als ein Post auf Facebook oder Twitter.

Urteilen die Gerichte bei Beleidigungen in sozialen Netzwerken eher arbeitnehmerfreundlich?

Das Thema Social Media ist noch jung, es gibt noch nicht genügend Entscheidungen, um eine klare Linie ausmachen zu können. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Gerichte solchen Äußerungen eher kritisch gegenüberstehen. Insbesondere dann, wenn sie etwa in einen strafrechtlichen Bereich wie zum Beispiel den der Beleidigung gehen, lassen die Gerichte auch Härte walten. Mit großer Sympathie können Arbeitnehmer nicht rechnen.

Unterscheiden die Gerichte bei einem Post danach, wie viele Freunde oder Kollegen ihn lesen können?

Ja, das ist ein Kriterium. Es gibt tatsächlich Entscheidungen, die sagen, ein Post innerhalb einer kleinen Gruppe ist wie eine Meinungsäußerung im Freundeskreis zu werten und kann daher zulässig sein. Allerdings ist bislang offen, wie groß diese private Gruppe sein darf. 70 Facebook-Freunde, darunter 36 Kollegen, wurden hier schon als zu viel angesehen.

Können Arbeitnehmer wenigstens bedenkenlos den Like-Button auf Facebook betätigen?

Das ist in der Regel eine spontane Reaktion, die Bedeutung sollte daher nicht zu hoch eingeschätzt werden. Es gibt eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau, die das für unkritisch hält. Man könnte die Betätigung des Like-Buttons etwa vergleichen mit einem zustimmenden Nicken zu Äußerungen von Kollegen in der Kaffeeküche. Im Zweifel dürfte das für eine Kündigung nicht ausreichen. Trotzdem sollten Arbeitnehmer vorsichtig sein. Hat der Chef einen Mitarbeiter im Visier, wird er einen Grund suchen und ihn auch nutzen.

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