Rechtsanwalt:Hingabe als Aufgabe

Rechtsanwalt: Patrick Rosenow.

Patrick Rosenow.

(Foto: Peter Neusser)

Genaue Kleidervorschriften, Benimmregeln, Werbung für den Job in der Freizeit: Wie viel Engagement dürfen Unternehmen von ihren Mitarbeitern verlangen? Was ist zulässig, wo liegen die Grenzen? Ein Arbeitsrechtler klärt auf.

Interview von Viola Schenz

Wenn es darum geht, ihre Mitarbeiter zu Firmenbotschaftern zu machen, lassen sich Unternehmen einiges einfallen - bis hin zum 44 Seiten langen Kleiderkodex, der sogar Frisur und Unterwäsche vorschreibt und den eine Schweizer Bank an ihre Mitarbeiter verteilt. Wie weit darf die Identifikation mit dem Arbeitgeber gehen? Was ist zulässig? Patrick Rosenow ist Rechtsanwalt in München, ein Schwerpunkt seiner Kanzlei ist das Arbeitsrecht.

SZ: Herr Rosenow, muss man Dienstkleidung grundsätzlich akzeptieren?

Patrick Rosenow: Wie so oft in der Juristerei kommt es darauf an. Zum einen kann es ausdrücklich im Vertrag geregelt sein, etwa in Form einer Tätigkeitsbeschreibung wie bei Piloten oder Politessen. Wenn vertraglich nichts geregelt ist, kann sich eine branchenübliche Kleidung aber ableiten aus einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht. Bei Kundenkontakt etwa kann der Arbeitgeber erwarten, dass sich der Mitarbeiter entsprechend kleidet - Anzug und Krawatte bei einem Bankangestellten und nicht kurze Hosen. Dann gibt es das Weisungsrecht, mit dem ein Arbeitgeber Weisung erteilen kann in punkto Kleidung. Die vierte Möglichkeit sind Betriebsvereinbarungen, bei denen mit dem Betriebsrat eine Kleiderordnung festlegt wird.

Und das ist jeweils bindend?

Unterschiedlich. Ist es ausdrücklich im Arbeitsvertrag geregelt, ist es bindend, außer es ist sittenwidrig, etwa extrem kurze Röcke bei Frauen. Ist es nicht geregelt, muss man klären, ob es dem Arbeitnehmer zuzumuten ist. Da ist man schnell bei den Grundrechten - Persönlichkeitsrechte, Glaubensfreiheit, Stichwort Kopftuchverbot. Auf der anderen Seite steht die unternehmerische Betätigungsfreiheit. In diesem Spannungsfeld bewegt man sich.

Wie weit darf ein Kleiderkodex gehen? Dürfen auch Schmuck, Frisur, Unterwäsche vorgeschrieben sein?

Man muss auch da differenzieren. Oberkleidung kann man vorschreiben, weil sie darauf angelegt ist, gesehen zu werden. Das gehört zur Sozialsphäre und ist zumutbar. Was man keinesfalls zumuten kann, sind Vorgaben zur Unterwäsche. Das greift in die Intimsphäre ein und ist sittenwidrig. Bei der Haartracht gilt: Wenn es besonders auffällig ist, man denke an einen Irokesenschnitt, kann man es verbieten, aber man kann zum Beispiel nicht die Haarlänge vorschreiben.

Ist es zulässig, dass Mitarbeiter von Modefirmen bei der Arbeit Kleidung des hauseigenen Labels tragen müssen?

Wenn es Label sind, bei denen die Kleidung auffällt und einen Werbefaktor hat - ja. Denn das unternehmerische Interesse ist stark genug, damit Werbung zu betreiben. Man wird den Arbeitnehmern aber nicht vorschreiben können, dass sie die Kleidung auch privat tragen.

Und wie steht es um private Social-Media-Konten, auf denen man sich für seine Firma engagiert?

Das ist kritisch, da man ja erwartet, dass der Arbeitnehmer in seiner Freizeit, also in seiner Privatsphäre Werbung für den Arbeitgeber betreibt.

Und darf man beispielsweise den Angestellten einer Fastenklinik vorschreiben, ebenfalls Diät zu machen?

Das erinnert an den Veggie-Tag der Grünen. Selbst wenn so etwas vertraglich vereinbart ist, muss man prüfen, ob es nicht in die Intimsphäre eingreift und sittenwidrig ist, weil man dem Arbeitnehmer die Ernährung und damit das Privatleben vorschreibt.

Warum braucht man in diesen Bereichen überhaupt rechtliche Regelungen? Wenn mir das Erscheinungsbild oder Verhalten eines Bewerbers nicht gefällt, übernehme ich ihn eben nicht nach der Probezeit.

Wenn es tatsächlich Berufsgruppen sind, die Dienstkleidung tragen, ist es sinnvoll, das zu regeln. Natürlich kann man in einer Probezeit kündigen. Aber danach, wenn das Kündigungsschutzgesetzt greift, wird das sehr schwierig. Da ist es besser, Dinge vorher zu regeln. Probleme treten besonders dann auf, wenn Dinge erst später zum Tragen kommen, also wenn Mitarbeiter plötzlich mit besagtem Irokesenschnitt am Arbeitsplatz auftauchen.

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