Reaktionen:"Wir brauchen keinen ideologischen Schulkampf"

Die Opposition hält den rot-grünen Vorschlag für falsch, dass alle Kinder bis zur neunten Klasse gemeinsam zur Schule gehen sollen - und reagiert mit eigenen Vorschlägen. Merkel spricht von Ganztagesschulen, Rüttgers von kleineren Klassen, Pieper von Wettbewerbsföderalismus.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel fordert als Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden bei der OECD-Studie "Bildung auf einen Blick" einen Ausbau der Ganztagsschulen. Außerdem müssten die Anforderungen in den Kindergärten und Grundschulen erhöht werden, sagte Merkel am Mittwoch im RBB.

Schulkinder

"Schülerinnen und Schüler brauchen Leistungsanreize", sagt Rüttgers.

(Foto: Foto: dpa)

"Hier sind über Jahrzehnte, insbesondere in der alten Bundesrepublik, massive Fehler gemacht worden." Die Leistungsbereitschaft der jungen Schüler sei nicht abgefordert worden, jahrelang seien keine Noten gegeben worden, und das Ganze sei "sozusagen zu einer verlängerten Spielphase" gemacht worden.

Zur Frage, ob als Konsequenz aus der Studie Änderungen des dreigliedrigen Schulsystems geboten sei, sagte Merkel: "Nein, ich glaube nicht, dass der Befund der OECD sagt, wir müssen die Spezifik der Förderung verändern". Die Organisation sage vor allem, dass Deutschland zu wenig in Kindergärten und Grundschulen tue. Daher gehe es nicht um das dreigliedrige Schulsystem, sondern um die Anfangsphase der Bildung.

Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers warnte ebenfalls davor, das gegliederte Schulsystem aufzulösen. Dies wäre die falsche Konsequenz aus den schlechten Noten für das deutsche Bildungssystem, sagte Rüttgers.

Eine Schule für alle führe in die bildungspolitische Sackgasse, sagte der frühere Bundesbildungsminister. "Schülerinnen und Schüler brauchen Leistungsanreize statt Gleichmacherei." Die CDU werde deshalb in Nordrhein-Westfalen mit aller Macht gegen eine Einheitsschule kämpfen. "Wir brauchen bessere Schulen, kleinere Klassen und Schulen, mehr Unterricht und keinen ideologischen Schulkampf", sagte Rüttgers.

Die FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper sieht in dem Bildungsreport erneut einen Beweis für das Versagen der Kultusministerkonferenz. Durch das "weitgehende Fehlen eines bundespolitisch gegebenen Rahmens für die Qualität und die Abschlüsse der Schulen" werde man bei den überfälligen Bildungsreformen nicht weiterkommen, sagte sie am Mittwoch in Berlin. Benötigt werde in der Bildungspolitik ein "Wettbewerbsföderalismus" in einem "bundesstaatlichen Rahmen".

Grüne für Einheitsschule bis Klasse neun

Krista Sager, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, hatte die Diskussion um eine radikale Schulreform angestoßen. "Wir wollen zu einem Schulsystem kommen, wo die Kinder neun bis zehn Jahre zusammenbleiben, aber in diesem Rahmen stärker individuell gefördert werden", sagte sie der Berliner Zeitung.

Zunächst die Pisa- und jetzt auch die OECD-Studie hätten gezeigt, dass Schüler so besser lernen würden als im dreigliedrigen deutschen Schulsystem.

Auch in der SPD werden Forderungen nach dem Modell "Schule für alle" laut. Neben den Jusos und ostdeutschen Bildungspolitikern hat sich die schleswig-holsteinische SPD dafür ausgesprochen. Die Kultusministerin des Landes, Ute Erdsiek-Rave (SPD), sagte dieser Zeitung, die rot-grüne Landesregierung werde mit diesem Thema in den Landtagswahlkampf im Februar 2005 ziehen.

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) unterstützte die Forderung nach gemeinsamem Unterricht in Klassen trotz größerer Leistungsunterschiede.

Die OECD-Studie habe gezeigt, dass Länder, in denen Schüler länger zusammen in einem Verbund lernten, bessere Ergebnisse hervorbrächten. "Die alte ideologische Festlegung, die es in Deutschland gibt, auf keinen Fall länger zusammen zu lernen, muss durchbrochen werden."

Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie hält ebenfalls einen grundlegenden Aufbruch in der deutschen Bildungspolitik für nötig.

"Das dreigliedrige Schulsystem passt eher zu einer mittelalterlichen Ständeordnung als zu einer modernen Gesellschaft", sagte Matschie.

"Die 'Schule für alle' ist viel erfolgreicher als wenn man die Kinder so frühzeitig sortiert." Der frühere Staatssekretär im Bundesbildungsministerium beruft sich dabei nicht nur auf die skandinavischen Schulmodelle, sondern auch auf die Erfahrungen aus der DDR-Zeit.

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