Ratgeber Arbeitslosigkeit:Kündigung - was nun?

Wer arbeitslos wird, muss dies rasch der Agentur für Arbeit melden, sonst drohen Kürzungen beim Arbeitslosengeld. Von Aufhebungsverträgen bis Sperrzeit - ein Ratgeber.

M. Völklein

Zurzeit ist es noch ruhig bei Christiane de Santana in der Augsburger IG-Metall-Zentrale. Klar haben die Gewerkschafter viel zu tun: Kurzarbeit aushandeln, Betriebsräte betreuen. "Wir versuchen derzeit alles, um Kündigungen zu vermeiden", sagt die Gewerkschafterin. Aber wird das auf Dauer durchzuhalten sein? Auch de Santana ist da skeptisch. Über kurz oder lang werden immer mehr Mitglieder bei ihr Fragen stellen. Zum Beispiel zum Thema Arbeitslosigkeit und zum Umgang mit der Agentur für Arbeit. Einige Fragen klärt die SZ.

Ratgeber Arbeitslosigkeit, dpa

Arbeitslos: Spätestens drei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses muss man bei der Agentur vorsprechen und sich arbeitssuchend melden.

(Foto: Foto: dpa)

Wann muss man sich arbeitslos melden?

Das ist die erste Frage nach einer Kündigung oder einem Aufhebungsvertrag - und eine der wichtigsten. Denn 2008 haben die Arbeitsagenturen 294.000 Beziehern von Arbeitslosengeld I eine Sperrzeit aufgebrummt - 55.000 mehr als 2007. Seit 2003 gilt: Spätestens drei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses muss der Arbeitnehmer bei der Agentur vorsprechen und sich arbeitssuchend melden. "Dies muss persönlich geschehen", sagt de Santana. Nur einen Brief oder eine E-Mail zu senden, genügt nicht. Wer anruft, muss den persönlichen Termin nachholen. Bei Arbeitsverträgen mit Kündigungsfristen unter drei Monaten muss die Meldung spätestens drei Tage nach Erhalt der Kündigung erfolgen.

Wieso achten die Agenturen so darauf?

Die offizielle Begründung lautet: Weiß die Arbeitsagentur früh von der drohenden Arbeitslosigkeit, kann sie sich auch früh um die Vermittlung bemühen - gelingt ihr das, spart sie Geld. Viele Arbeitssuchende haben aber festgestellt, dass sich nach der Meldung oft gar nichts tut. Deshalb sollte man die Agentur fordern, rät der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) im Buch "111 Tipps für Arbeitslose" (Bund-Verlag, 9,90 Euro) - zum Beispiel um eine Weiterbildung bitten.

Was genau ist eine Sperrzeit?

Bei einer einwöchigen Sperrzeit bekommt ein Arbeitsloser in der ersten Woche seiner Arbeitslosigkeit kein Geld. Zugleich wird seine Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld um eine Woche gekürzt.

Aus welchen Gründen werden noch Sperrzeiten verhängt?

Oft reagieren Arbeitnehmer wütend auf eine Kündigung, werfen die Brocken hin und bleiben zu Hause. Doch wer sein Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist beendet, erhält von der Agentur oft eine Sperrzeit. "Das Arbeitsamt geht dann davon aus, dass nicht die Arbeitslosigkeit an sich, wohl aber der vorzeitige Eintritt der Arbeitslosigkeit selbst verschuldet ist", so der DGB.

Droht auch bei Aufhebungsverträgen eine Sperrzeit?

Oft lassen sich Mitarbeiter, denen eine betriebsbedingte Kündigung droht, auf einen Aufhebungsvertrag ein - "ihnen erscheint eine Kündigung als Makel, den sie durch einen Aufhebungsvertrag vermeiden möchten", sagt de Santana. Die Arbeitsagenturen verhängen dann aber nicht selten eine Sperrzeit; der Erwerbslose hat ja in den Augen der Agentur freiwillig den Job aufgegeben. Vermeiden lässt sich die Sperrzeit durch eine Zusatzklausel im Aufhebungsvertrag, die festhält, dass die Aufhebung nur geschlossen wurde, um eine ansonsten sichere betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden.

Auf der nächsten Seite: Wann beantragt man Arbeitslosengeld? Und wie lange wird es gezahlt?

Kündigung - was nun?

Wann beantragt man Arbeitslosengeld?

Eigentlich erst mit dem Tag, an dem tatsächlich die Arbeitslosigkeit eintritt. Aber man kann den Antrag auch schon bis zu drei Monate vorher einreichen - in der Regel erhält der Erwerbslose bei der Arbeitssuchend-Meldung ein Paket mit allen Formularen. Das spart Zeit.

Wie hoch ist das Arbeitslosengeld? Und wie lange wird es gezahlt?

Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt, erhalten unter 55-Jährige das Arbeitslosengeld längstens zwölf Monate; wer 55 Jahre oder älter ist, kriegt es bis zu 18 Monate. Bei den Voraussetzungen kommt es unter anderem darauf an, wie lange zuvor in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt wurde. Die Höhe der Zahlung richtet sich unter anderem danach, ob der Arbeitslose Kinder hat: Ohne Nachwuchs liegt das Arbeitslosengeld I bei 60 Prozent des Nettolohns, mit Kind bei 67 Prozent. Allerdings sind das nur Richtwerte. Die Berechnung erfolgt aufgrund verschiedener Pauschalbeträge. So werden steuerliche Freibeträge wegen einer Behinderung, die das Nettogehalt eines behinderten Erwerbstätigen erhöhen, bei der Berechnung seines Arbeitslosengeldes I nicht berücksichtigt. Wurde eine Abfindung gezahlt, ist entscheidend, ob die Kündigungsfrist eingehalten wurde.

Muss ein Arbeitssuchender eigentlich selbst aktiv werden?

Ja. Er kann sich nicht allein darauf verlassen, dass die Agentur ihm eine neue Stelle besorgt. Im Antragsformular für das Arbeitslosengeld muss er deshalb explizit erklären, dass er bereit ist, "alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Beschäftigungslosigkeit zu beenden". Zweifel an dieser Bereitschaft können aufkommen, wenn er etwa Bitten, in der Agentur zu erscheinen, ignoriert (sogenannte Meldeversäumnisse). "Dann kann ihn die Agentur auffordern, Eigenbemühungen nachzuweisen", so de Santana - also zum Beispiel Bewerbungsschreiben vorzulegen oder Absagen von Unternehmen einzureichen. Wer die Agentur nicht von seinen Bemühungen überzeugen kann, erhält eine Sperrzeit oder verliert unter Umständen ganz den Unterstützungsanspruch.

Muss man jede Arbeit annehmen?

Im Grunde ja. Laut Sozialgesetzbuch müssen Erwerbslose auch Jobs annehmen, die unterhalb ihrer Qualifikation sind. Sogar Einkommenseinbußen von 20 oder 30 Prozent müssen akzeptiert werden. Ein früherer Filialleiter einer Bank kann also in de Augen der Arbeitsagentur wieder als einfacher Kundenbetreuer arbeiten. Lehnt er ab, droht eine dreiwöchige Sperrzeit, bei mehrmaliger Ablehnung sogar die Streichung der Unterstützung. Daher sollten Arbeitslose behutsam auf solche Vorschläge reagieren, rät der DGB: "Kalkulieren Sie die Möglichkeit ein, dass es sich um einen Irrtum handelt." Vielleicht lässt sich der Sachbearbeiter auch überzeugen, dass die Stelle zu anderen Bewerbern besser passt. Und: Im Vorstellungsgespräch kann der Filialleiter den Bank-Personaler darauf aufmerksam machen, dass er die Stelle zwar annimmt, weil die Agentur darauf besteht, er aber weiter nach einer Filialleiter-Stelle sucht. Verzichtet die Bank dann auf eine Einstellung, darf die Agentur ihn laut DGB nicht bestrafen.

Auf der nächsten Seite: Müssen Arbeitslose an jeder Fortbildung teilnehmen? Und wer hilft bei Ärger mit der Arbeitsagentur?

Kündigung - was nun?

Und was ist mit Leiharbeit?

Auch die darf man grundsätzlich nicht ablehnen. Ganz im Gegenteil: Die Agenturen sind der Ansicht, dass Leiharbeit ein guter (Wieder-)Einstieg ins Erwerbsleben sein kann. Sie setzen darauf, dass der Leiharbeiter irgendwann bei einer Firma "kleben" bleibt. Für Alleinstehende gilt außerdem: Auch ein Umzug ist grundsätzlich zumutbar. Allerdings gelten Ausnahmen: Wer zum Beispiel seine kranken Eltern pflegt, muss nicht in eine andere Stadt umziehen. Längere Fahrwege für Pendler muss ein Arbeitssuchender allerdings in der Regel akzeptieren.

Muss man an jeder Fortbildung teilnehmen?

In der Regel schon - "auch wenn es für die Betroffenen oft unverständlich ist, zu welchen Maßnahmen sie herangezogen werden", sagt de Santana. Aus ihrer Sicht sind aber viele Angebote sinnvoll - nicht nur wegen der vermittelten Inhalte, "auch weil die Menschen eine Beschäftigung haben und der Prozess des Lernens wieder angestoßen wird". Sie rät Betroffenen stets, sich Kurse vorab rauszusuchen. So lasse sich Einfluss nehmen auf die Fortbildung. Außerdem sei es wichtig, die Zeit zu nutzen: "Zwölf Monate Arbeitslosengeldbezug sind rasch vorbei." Und anschließend droht Arbeitslosengeld II, auch "Hartz IV" genannt.

Wer hilft bei Ärger mit der Arbeitsagentur?

Gewerkschafterin de Santana hat erlebt, dass es oft auch auf die "Chemie" zwischen dem Sachbearbeiter in der Agentur und dem Arbeitslosen ankommt. Laut de Santana gibt es die gewerkschaftliche Kampagne "Ich geh mit!". Dabei werden Arbeitslosen zu schwierigen Gesprächen in die Arbeitsagentur begleitet. "Sobald da ein Zweiter dabeisitzt, verhalten sich manche Sachbearbeiter ganz anders", sagt de Santana. Ähnliche Unterstützung sowie Beratung in Streitfragen bieten auch Arbeitsloseninitiativen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: