Randale beim Bildungsstreik:"Wie nach einer kleinen Schlacht"

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Der Bildungsstreik sollte ein friedlicher Protest werden - doch die ersten Demonstrationen laufen aus dem Ruder: Mainzer Studenten verwüsteten das Abgeordnetenhaus.

Teilnehmer einer Demonstration gegen Bildungsabbau haben in Mainz das Abgeordnetenhaus des rheinland-pfälzischen Landtags gestürmt und erhebliche Schäden angerichtet. "Das sieht aus wie nach einer kleinen Schlacht", sagte Landtagssprecher Dieter Lang am Mittwoch. Die Eindringlinge hätten Wände mit Parolen beschmiert, Aufkleber hinterlassen und Teile einer Ausstellung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls entwendet.

Umstrittener Protest: Studenten besetzen das Abgeordnetenhaus im rheinland-pfälzischen Landtag. (Foto: Foto: ddp)

Zudem hätten die Demonstranten große Mengen Toilettenpapier im Gebäude verteilt, sagte Lang: "Ich gehe davon aus, dass Landtagspräsident Joachim Mertes Strafanzeige stellen wird." Die Demonstranten hätten die Eingangstür aufgedrückt und sich so Zugang zum Gebäude erzwungen. Vorher hatten rund 3000 Schüler und Studenten friedlich in der Mainzer Innenstadt demonstriert.

Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) kritisierte das Verhalten der Demonstranten und sagte, viele bildungspolitische Forderungen der Schüler und Studenten seien im Land längst erfüllt. So habe Rheinland-Pfalz weder die Schulzeit an Gymnasien auf zwölf Jahre verkürzt noch Studiengebühren eingeführt.

150.000 Teilnehmer erwartet

Die bundesweiten Demonstrationen in 80 Städten werden vom Bündnis "Bildungsstreik 2009", das unter anderem von den Gewerkschaften GEW, Verdi und dem DGB unterstützt wird, organisiert. Sie sind Teil einer Aktionswoche, die am Montag mit Hochschulbesetzungen, Kundgebungen und alternativen Vorlesungen startete.

Insgesamt wurden zu den Demonstrationen rund 150.000 Menschen erwartet. Eine der größten Kundgebungen fand mit rund 15.000 Teilnehmern in Berlin statt. Rund 3000 Demonstranten versammelten sich in Bonn.

Annette Schavan bezeichnete die Proteste als "gestrig". Denn wer sage, "wir müssen Bachelor- und Master-Studiengänge wieder abschaffen, der nimmt nicht zur Kenntnis, dass Deutschland Teil des europäischen Bildungsraumes ist, dass der Bologna-Prozess alternativlos ist und übrigens mit vielen Chancen verbunden ist", sagte die CDU-Politikerin im Deutschlandradio. Er gelte mittlerweile in 46 Ländern. Die Vorstellung, dass Deutschland erkläre, das sei für uns aber kein Modell, sei schlicht gestrig.

Die Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, räumte dagegen Versäumnisse bei der Hochschulreform ein. Im ZDF-"Morgenmagazin" kündigte sie an, Studiengänge zu überprüfen. Sie äußerte Verständnis für die Anliegen der Studierenden, die ihren Bildungsstreik an zahlreichen deutschen Hochschulen fortsetzten.

Eklatanter Lehrermangel

Es gebe "Fehler in der Umsetzung", gab Wintermantel zu, verteidigte aber das von den Studenten angegriffene Bachelor-Master-System. Zwar gebe es in einzelnen Studiengängen Schwierigkeiten, während des Bachelor-Studiums etwa ein Auslandssemester einzulegen, aber danach komme es zu einem regen Austausch mit ausländischen Hochschulen.

Die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt, unterstützte die Protestler ebenfalls. "Es herrscht großer gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Herkunft, Geldbeutel und Stadtviertel keine Sperrriegel für die Teilhabe an Bildung sein dürfen", erklärte die SPD-Politikerin.

Die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Nele Hirsch, sagte: "Es ist Zeit für eine grundlegende Bildungsreform." Das Recht auf Bildung müsse endlich für alle durchgesetzt werden. Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Patrick Meinhardt, kritisierte, in diesem Bildungsstreik würden die Schüler und Studenten missbraucht und vor den falschen Karren eines linken Aktionsbündnisses gespannt.

Untersuchungen zufolge fehlen bundesweit rund 30.000 Lehrer. Rund zehntausend Klassen zählen mehr als 30 Schüler. 18 Prozent der Migrantenkinder machen keinen Schulabschluss. Auch an den Hochschulen und Universitäten ist die Situation schlecht: Professoren müssen Hunderte Studenten betreuen.

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